Nachtflugbeschränkungen in Amsterdam, Zürich und Dublin werden viel diskutiert. Studien aus den Jahren 2005 und 2020 zeigen, dass Fluglärm in der Nacht den Blutdruck erhöht. In Zürich zeigte sich, dass ungefähr 800 Herz-Kreislauf-Todesfälle in der Nähe des Flughafens Zürich zwischen 2000 und 2015 wahrscheinlich darauf zurück zu führen sind.
von Peider Trippi
19. Dezember 2024
Nächtliche Lärmbelästigungen durch vorüberfliegende Flugzeuge oder starke Verkehrsgeräusche können zur Erhöhung des Blutdrucks führen, selbst wenn der Schlafende davon nicht aufwacht. Dies ist das Ergebnis der 2005 durchgeführten Studie HYENA (Hypertension and exposure to noise near airports). Die Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig die Reduzierung des Geräuschpegels von Fluglärm ist, um damit die Gesundheit von Flughafenanrainern zu schützen.
Schon ein Anstieg des nächtlichen Fluglärmpegels um 10 Dezibel [dB(A)] im Schallpegelbereich zwischen 30-60 [dB(A)] erhöht das Risiko für Bluthochdruck bei Personen um rund 14 Prozent. An der grossen europäischen Studie – an der das Deutsche Umweltbundesamt mitwirkte – nahmen rund 5.000 Anwohner der Flughäfen Amsterdam, Athen, Berlin, London, Mailand und Stockholm teil. Die Experten ermittelten die Wirkungen des Flug- und Strassenverkehrslärms auf die Gesundheit, vor allem auf den Blutdruck.
Ähnliche Resultate ergaben sich für weitere Lärmquellen wie beispielsweise Strassenverkehr, was die Vermutung nahelegt, dass primär die Lautstärke und nicht die Art der Lärmquelle für den Blutdruck des Schläfers ausschlaggebend ist. Frühere Studien im Rahmen des HYENA-Konsortiums ergaben, dass Menschen, die mindestens fünf Jahre innerhalb der Einflugschneise eines Flughafens gelebt haben, mit grösserer Wahrscheinlichkeit unter Bluthochdruck leiden werden als Menschen in ruhigeren Gegenden. Die Forscher beschäftigen sich jetzt mit der Frage, ob die Kombination aus Lärm und Luftverschmutzung das Risiko für Herzerkrankungen erhöht. Das HYENA-Projekt wurde im Rahmen des Themenbereichs «Lebensqualität und Management lebender Ressourcen» des 5. Rahmenforschungsprogramms (RP5) gefördert.
Forschende der Universität Basel, des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) und Partner haben die Sterblichkeitsdaten mit der akuten nächtlichen Lärmbelastung um den Flughafen Zürich zwischen 2000 und 2015 verglichen. Das European Heart Journal hat die Ergebnisse der Studie 2020 veröffentlicht. Zum ersten Mal wurde im Rahmen dieser Studie unter der Leitung des Swiss TPH nun aufgezeigt, dass akuter nächtlicher Fluglärm innerhalb von zwei Stunden ab der Lärmbelastung einen Herz-Kreislauf-Tod auslösen kann. Die im European Heart Journal veröffentlichte Studie ergab, dass das Risiko eines Herz-Kreislauf-Todes bei einer nächtlichen Lärmbelastung zwischen 40 und 50 Dezibel um 33 Prozent und bei einer Belastung über 55 Dezibel um 44 Prozent steigt. «Wir haben festgestellt, dass zwischen 2000 und 2015 bei ungefähr 800 von 25’000 Herz-Kreislauf-Todesfällen in der Nähe des Flughafens Zürich Fluglärm die Ursache war. Dies entspricht drei Prozent aller beobachteten Herz-Kreislauf-Todesfälle», sagt Studienleiter Prof. Dr. Martin Röösli, Professor für Umweltepidemiologie an der Universität Basel und Leiter der Einheit «Environmental Exposures and Health» am Swiss TPH.
Reduzierter Nachtflugbetrieb in Amsterdam
Der Flughafen Amsterdam Schiphol ist mit 62 Millionen Passagieren im Jahr 2023 nach London Heathrow und Paris der drittgrösste Flughafen in Europa. In den letzten Jahrzehnten ist der Flughafen viel grösser geworden, als für die niederländische Nachfrage benötigt wurde. Die wichtigste nationale Fluggesellschaft, KLM, hat Schiphol zu einem Drehkreuz für Umsteigepassagiere gemacht, um mit den nationalen Fluggesellschaften aus grösseren Ländern konkurrieren zu können. Diese Transferpassagiere tragen kaum zur niederländischen Wirtschaft bei, haben aber die Auswirkungen des Flughafens auf das Klima, die Artenvielfalt und die Gesundheit der Einwohner erheblich erhöht.
Die niederländische Regierung unterstützt das Wachstum dieses Hub-Systems seit Jahrzehnten. Dabei hat sie gegen einige ihrer eigenen Vorschriften zum Schutz von Bürgern und Natur vor übermässigen Lärm- und Stickstoffemissionen verstossen. Als Reaktion darauf organisierten sich eine Reihe von Umweltorganisationen und Anwohnerverbänden und begannen, ihre Rechte zu nutzen, um die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. Im November 2023 beschloss die Regierung, die Einführung einer Obergrenze für Flugbewegungen für 2024 auszusetzen. Gemäss Travelnews kündigte KLM aber daraufhin an, dass sie die Umweltbedenken teile und eigene Schritte unternehmen werde, um die Lärmbelastung und den ökologischen Fussabdruck zu reduzieren.
Die Fluggesellschaft wird die Flugbewegungen zwischen 24:00 und 06:00 Uhr reduzieren. Die ersten betroffenen Transkontinentalflüge sind Ankünfte in Schiphol aus Lagos, Accra, Atlanta und Paramaribo. Diese Flüge werden um etwa eine Stunde verlegt, um nach 06:00 Uhr am Flughafen anzukommen. Die vorgeschlagene Obergrenze für Nachtflüge wird von jährlich 32.000 auf 27.000 gesenkt. Dies führt zu rund 14 weniger Flugbewegungen pro Nacht. Im Weiteren sollen leisere Flugzeuge bei Nacht zum Einsatz kommen und ein Verbot lärmender Flugzeuge zwischen 23:00 und 07:00 Uhr, beispielsweise der Boeing B747-400 Frachter, ist in Vorbereitung. Eine vollständige Schliessung von Nachtflügen könnte 2026 wieder zur Sprache kommen.
Fracht- und Billigflieger wären von den Flugeinschränkungen am stärksten betroffen, da ihre Betriebsmodelle auf den Nachtbetrieb angewiesen sind. Billigflieger wie Transavia zeichnen sich durch eine hohe Flugzeugauslastung aus. Wenn Flugzeuge am Boden bleiben, verdienen sie kein Geld. Daher beginnen Flugzeuge, die für Billigflieger operieren, den Tag in der Regel viel früher als Full-Service-Fluggesellschaften. In Schiphol dominiert zwischen 05:00 und 06:30 Uhr fast ausschliesslich Transavia die Abflüge.
Die Bestrebungen zur Nachtflugreduzierungen könnte auch im benachbarten Flughafen Brüssel-Zaventem Auswirkungen haben. Auch die Fluggesellschaften am Brüsseler Flughafen müssen ihre Entwicklungspläne überdenken, da die dortige Regierung Nachtflüge stark einschränken will.
Verkürzte Nachtbetriebszeiten in Zürich?
Im Kanton Zürich wird eine Kürzung der Betriebszeiten am Flughafen Zürich diskutiert. Würden die Betriebszeiten am Flughafen Zürich um 30 Minuten reduziert, fallen die letzten Flüge am Abend gänzlich weg. Dazu zählen Langstreckenverbindungen nach Asien, Südafrika und Südamerika. In diesem Fall steht gemäss einer Studie von 2018 von Intraplan Consult GmbH die Wettbewerbsfähigkeit der in Zürich beheimateten Fluggesellschaften auf dem Spiel. Für eine geringe Wirkung wäre ein hoher Preis zu entrichten. Dreissig Prozent der Langstreckenverbindungen fielen weg. Wie der Flughafen Zürich in seinem Politbrief Herbst 2024 schreibt, wäre der volkswirtschaftliche Gesamtverlust mit rund 8’000 Arbeitsplätzen und CHF 1.6 Milliarden an Wirtschaftsleistung betroffen.
In einer Studie zur betrieblichen Machbarkeit und wirtschaftlichen Tragbarkeit zeigt Intraplan auf, was eine weitere Verkürzung der Betriebszeiten bedeuten würde. Die letzte Langstreckenwelle der Swiss am Abend würde wegfallen – gerade diese Destinationen in den Wachstumsmärkten Südamerika, Südafrika und Asien sind für die Export-Wirtschaft, Wissenschaft und Tourismus wichtig. Weil die Rentabilität einiger Flugzeuge nicht mehr gegeben ist, würden auch weitere Mittel- und Langstreckenverbindungen ab Zürich wegfallen. Zudem gilt es bei der Flugplanung immer die Flugdauer, die Zeitverschiebung zu den Zieldestinationen und die Verfügbarkeit der Flugzeuge zu berücksichtigen. Können Flüge nicht mehr abends ab Zürich angeboten werden (vgl. schematische Darstellung Flughafen Zürich, angepasst Red.), würden diese auf andere Drehkreuze in Europa verschoben.
Die Betriebszeiten erlauben Starts und Landungen bis 23:30 Uhr, wobei die letzte halbe Stunde dem Verspätungsabbau dient. Eine Vorverlegung der letzten Welle würde den «Taktfahrplan» der SWISS aus dem Gleichgewicht bringen und damit die Konnektivität der Schweiz mit der Welt in Frage stellen. Bei einer Kürzung um 30 Minuten würden die allermeisten Flüge der letzten halben Betriebsstunde ersatzlos entfallen, weil eine Vorverlegung in den wenigsten Fällen unmöglich ist. Dies aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Slots und der Abhängigkeiten von Langstreckenverbindungen mit den Zubringerflügen.
Auch für die Fluggesellschaft Edelweiss sind die Slots und die Flugzeugnutzung die entscheidenden Faktoren. Laut Intraplan würde eine Verkürzung der Betriebszeiten aufgrund der Slot-Situation am Abend dazu führen, dass die abendlichen Flugzeugumläufe keine geeigneten Slots mehr finden. Mindestens 15 Prozent des Flugangebots der Edelweiss ab Zürich wäre betroffen, was durch indirekte Effekte noch verstärkt würde. Intraplan schreibt dazu, dass die verkürzten Betriebszeiten «das Geschäftsmodell Edelweiss und nicht zuletzt deren Fortbestand grundsätzlich in Frage stellen».
Dublin: Neue Nachtbegrenzungen
Wie das irische Online-Portal The Journal im Herbst berichtete, schlägt An Bord Pleanála (ABP) die Änderung der Beschränkungen für Nachtflüge am Flughafen Dublin vor. An Bord Pleanála ist eine unabhängige, gesetzliche und gerichtsähnliche Behörde, die über Einsprüche gegen Planungsentscheidungen lokaler Behörden in Irland entscheidet. Der Vorschlag sieht die Beschränkung der heute zulässigen 65 Flüge (knapp 24’000 jährlich) zwischen 23.00 und 7.00 Uhr sowie deren Ersatz durch eine jährliche Nachtlärmquote zwischen 23.30 und 6.00 Uhr vor. Dagegen könnten «Tages»-Flüge zwei Stunden länger – von 23.00 Uhr bis Mitternacht und von 6.00 Uhr bis 7.00 Uhr – auf der Landebahn Nord starten und landen.
ABP schlägt ausserdem eine jährliche Begrenzung von 13’000 Flugbewegungen zwischen 23 Uhr und 7:00 Uhr vor, davon 3’900 im Winter und 9’100 im Sommer. Letzteres um zusätzliche Flüge in der Ferienzeit zu ermöglichen. Zusätzlich wurde ein finanzielles Zuschussprogramm zur Lärmdämmung für alle Wohnungen vorgeschlagen, die Fluglärm über 55 Dezibel ausgesetzt sind. ABP hat nun um Stellungsnahmen zu dem Planentwurf gebeten, bevor es eine endgültige Entscheidung im nächsten Jahr trifft. Der Betreiber des Flughafens Dublin, DAA, hat inzwischen erklärt, dass der vorgelegte Entscheidungsentwurf von ABP über die nächtliche Nutzung der zweiten Hauptstart- und Landebahn einen «Rückschritt» darstellen würde.
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