Knallende Auspuff-Geräusche, Kavalierstarts und manipulierte Fahrzeuge sorgen für viel Lärm im Strassenverkehr – und für immer mehr Klagen aus der Bevölkerung. Nachdem verschiedene Politiker schärfere Strafen gefordert haben, legt der Bund nun ein Massnahmenpaket im Kampf gegen lärmige Autofahrer vor. Das steht drin.
von Stefan Ehrbar
13. März 2023
Sorgt die Motion 20.4339 für Ruhe auf den Strassen? Unter dem Titel «Übermässigen Motorenlärm wirksam reduzieren» hat die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats den Bundesrat aufgefordert, ein Massnahmenpaket zu erarbeiten und Gesetzesänderungen vorzulegen, damit übermässiger Lärm im Strassenverkehr einfacher und stärker sanktioniert werden kann. Sie nahm in dieser Motion die Anliegen eines Postulats und zweier parlamentarischer Initiativen auf.
Sowohl der National- als auch der Ständerat stellten sich hinter die Motion, auch der Bundesrat empfahl sie zur Annahme. Nur aus der SVP gab es Opposition. So stellten sich etwa deren Verkehrspolitiker Walter Wobmann und Christian Imark erfolglos gegen das Ansinnen.
Nun hat der Bundesrat die Massnahmen präsentiert, mit denen er die Motion umsetzen will. Die Klagen aus der Bevölkerung hätten in den letzten Jahren zugenommen, schreibt er im erläuternden Bericht. Mehr als eine Million Menschen seien in der Schweiz übermässigem Strassenlärm ausgesetzt. Der Verkehrslärm habe im Jahr 2019 externe Kosten von 2,8 Milliarden Franken verursacht, wovon 1,6 Milliarden Franken auf Gesundheitskosten entfielen.
Der Bundesrat will die Forderungen des Parlaments erfüllen, indem er zwei Artikel des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) und vier Verordnungen ändert.
Was nach geringfügigen Änderungen tönt, dürfte in der Praxis weitreichende Konsequenzen haben. Denn neu soll etwa das Verursachen von vermeidbarem Lärm im SVG als leichte Widerhandlung eingestuft werden. Wer vermeidbare, störende Lärmemissionen verursacht, dem soll deswegen künftig der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen werden können. Ersttäterinnen und Ersttäter sollen verwarnt werden, bei Wiederholung innerhalb von zwei Jahren sollen Widerhandlungen mit Führerausweisentzug von mindestens einem Monat sanktioniert werden.
Im SVG heisst es bereits heute, dass Fahrzeugführende jede vermeidbare Belästigung von Strassenbenützenden und Anwohnenden namentlich durch Lärm zu unterlassen haben und das Erschrecken von Tieren möglichst vermeiden müssen.
Was genau unter die Erzeugung von vermeidbarem Lärm fällt, soll nun aber in der Verkehrsregelnverordnung (VRV) präzisiert werden. Explizit untersagen will der Bundesrat etwa:
- unnötiges Vorwärmen und Laufenlassen des Motors stillstehender Fahrzeuge
- hohe Drehzahlen des Motors im Leerlauf oder beim Fahren in niedrigen Gängen
- zu schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs namentlich beim Anfahren sowie in Kurven und Steigungen
- zu schnelles Fahren, namentlich in Kurven und Steigungen sowie beim Mitführen von unbefestigten Ladungen und von Anhängern
- fortgesetztes unnötiges Herumfahren in Ortschaften
- Fahren in Fahrmodi, die unnötigen Lärm verursachen, in Ortschaften
- Verursachen von unnötigem Lärm der Auspuffanlage wie Knallen und Böllern, insbesondere durch Schalten oder abrupte Gaswegnahme oder die Verwendung eines Fahrmodus
- Störungen durch Tonwiedergabegeräte, die im Fahrzeug eingebaut sind oder mitgeführt werden
Ebenfalls will der Bund die rechtliche Grundlage schaffen, um Kantonen Geldbeiträge «für die Intensivierung der Verkehrslärmkontrollen» ausrichten zu können. Diese obliegen allerdings den Kantonen. Der Bund kann sie nicht dazu zwingen.
Daneben sieht der Bundesrat folgende neue Massnahmen vor:
- Fahrzeuge, an denen mehr als einmal Manipulationen bezüglich des Geräuschverhaltens durch die Polizei nachgewiesen werden, sollen über einen Zeitraum von zwei Jahren fünf Mal zur Nachprüfung aufgeboten werden
- Die Polizei muss der Zulassungsbehörde Fahrzeuge melden, die bei Unfällen starke Schäden erlitten haben oder bei Kontrollen erhebliche Mängel wie unerlaubte Änderungen, die das Geräuschverhalten beeinflussen, aufwiesen. Diese müssen im Standortkanton nachgeprüft werden
- Der Einbau von Ersatzschalldämpfern soll Fahrzeuge wie Motorräder, die nicht unter ein Konformitäts-Abkommen mit der EU fallen, nicht lauter machen dürfen als es für die Serienproduktion des betreffenden Modells nachgewiesen wurde
Nicht alle Verhaltensweisen, die Lärm erzeugen, sollen künftig zu einem Führerausweis-Entzug oder einer Nachprüfung führen. Im Ordnungsbussenverfahren ist ein Führerausweisentzug etwa nicht vorgesehen. Der entsprechende Katalog soll allerdings erweitert werden. Hier finden sich auch Verhaltensweisen, die bereits in der oben erwähnten VRV genannt sind. Diese in beiden Verordnungen erwähnten Verhaltensweisen können künftig entweder zu einer Verwarnung, einem Führerausweisentzug oder zu einer Busse führen – je nach Schwere des Vergehens und der lokalen Handhabung. Die Bussenhöhe soll zudem von 60 auf 80 Franken erhöht werden. Neu explizit in die Verordnung aufgenommen werden sollen:
- Unnötiges Vorwärmen des Motors
- Unnötiges Laufenlassen des Motors eines stillstehenden Fahrzeugs
- Unnötiges mehrmaliges Betätigen des Gaspedals ohne Wegfahrt
- Anfahren mit durchdrehenden Reifen
- Verursachen von unnötigem Lärm der Auspuffanlage (Knallen und Böllern)
- Führen und Inverkehrbringen eines Motorfahrzeuges ohne vorgeschriebenen Schalldämpfereinsatz
- Führen und Inverkehrbringen eines Motorfahrzeuges mit unerlaubten Bauteilen, die nicht-gedämpfte Turbo-Ablassgeräusche erzeugen
- Führen und Inverkehrbringen eines Motorfahrzeugs mit fehlender Motorraumdämmung
- Führen eines Motorfahrzeugs mit nicht vorgesehenem Tonerzeuger oder manipuliertem Fahrzeug-Warnsystem
Weitere Änderungen sind in der Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS) vorgesehen, namentlich:
- Schadhafte Katalysatoren und Partikelfilter sind durch für den Fahrzeugtyp genehmigte zu ersetzen. Ersatz-Katalysatoren und Ersatz-Partikelfilter dürfen die Wirkung der Schalldämpfung nicht herabsetzen
- Ersatz-Schalldämpfer müssen ebenso wirksam sein wie die typengenehmigte Erstausrüstung
- Wer Fahrzeugteile, die lautere Motorgeräusche erzeugen als die für den Betrieb im Strassenverkehr ursprünglich zugelassenen, die zu unerlaubten Fahrzeugänderungen dienen oder die vom Astra ausdrücklich verboten wurden oder wer aufgummierte Reifen ohne die erforderlichen Angaben in den Handel bringt, soll «sofern keine strengere Strafdrohung anwendbar ist» mit Busse bestraft werden
Ob das Verbot von «Kavalierstarts», unnötigem Herumfahren in Ortschaften und Knallen tatsächlich eine Verbesserung der Lage bringt, bleibt abzuwarten und wird wohl von der konsequenten Anwendung der neuen Regeln durch die lokalen Polizeien und Justizbehörden abhängen. Die Vernehmlassung dauert noch bis am 23. März. Die Änderungen des Strassenverkehrsgesetz unterstehen dem fakultativen Referendum.
Die Vernehmlassungsunterlagen finden sich auf der Internetseite des Bundes.
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