In Zürich ist mehr als jeder fünfte Trolleybus zu spät – so sieht es in Bern, Basel und Winterthur aus und das unternehmen ÖV-Betriebe

Häufig zu spät: Trolleybusse in der Stadt Zürich. Bild: Mobimag

Im Jahr 2022 war in Zürich mehr als jeder fünfte Trolleybus zu spät unterwegs. Das zeigt eine exklusive Auswertung der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ). In anderen Städten sieht die Statistik zwar zum Teil besser aus, wie eine Umfrage von Mobimag in Bern, Basel und Winterthur zeigt. Doch das liegt auch an einem Trick.

von Stefan Ehrbar
6. Februar 2023

Die Pünktlichkeit bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) ist gestiegen. Das ist die gute Nachricht. Im Jahr 2021 lag sie sowohl bei Tram, Trolleybus als auch anderen Bussen höher als noch 2012. Andererseits ist das nicht überraschend: Das Jahr 2021 war stark geprägt von der Coronakrise. Das bedeutete weniger Passagiere und weniger Verkehr auf der Strasse – und führte deshalb zu pünktlicheren Abfahrten.

Konkret waren im Jahr 2021 94 Prozent der Aussteigenden der Trams in Zürich pünktlich. 6 Prozent der Aussteigenden waren 2 bis 5 Minuten verspätet, 1 Prozent über 5 Minuten. Damit war das Tram das pünktlichste Verkehrsmittel. Im Jahr 2012 waren diese Werte noch bei 86, 13 und 2 Prozent gelegen.

Beim Bus waren im Jahr 2021 84 Prozent der Aussteigenden pünktlich (2012: 83%), 14 Prozent waren bis 5 Minuten verspätet (2012: 14%) und 2 Prozent über 5 Minuten verspätet (2012: 3%).

Vergleichsweise schlecht schnitt das grosse VBZ-Trolleybusnetz ab: Nur 80 Prozent der Aussteigenden waren pünktlich. Im Jahr 2012 waren es 78 Prozent gewesen. Bei 16 Prozent kam es zu Verspätungen von 2 bis 5 Minuten (2012: 17%), bei 4 Prozent gar zu Verspätungen von über 5 Minuten (2012: 5%).

Doch wie hat sich die Pünktlichkeit im Jahr 2022 entwickelt, in dem die Passagiere und der Verkehr auf der Strasse langsam zurückkamen? Das haben die VBZ exklusiv für Mobimag ausgewertet. 

Für das Jahr 2022 liegen noch keine nach Anzahl Aussteigende gewichtete Pünktlichkeitswerte vor. Stattdessen haben die VBZ die Anzahl der verspäteten Fahrzeuge berechnet.

Im Jahr 2022 waren demnach 91 Prozent der Trams pünktlich (2019: 90%). Grössere Verspätungen mit über 5 Minuten hatten nur 1% der Trams – gleich viele wie im Jahr 2019.

Schlechter sah es bei den Trolleybussen aus. Im Jahr 2022 waren nur 79 Prozent pünktlich – mehr als jeder fünfte Bus fuhr damit zu spät. 2019 hatte dieser Wert noch 80% betragen. Zugenommen haben die grösseren Verspätungen: 4% der Trolleybusse waren letztes Jahr über 5 Minuten zu spät (2019: 3%).

Beim Bus nahm die Pünktlichkeit hingegen zu: Von 85 Prozent pünktlichen Fahrzeugen im Jahr 2019 auf 88 Prozent im Jahr 2022. Nur noch ein Prozent der Busse war im Jahr 2022 mehr als fünf Minuten verspätet, 2019 waren es 2% gewesen. Unter dieser Kategorie werden Diesel-, Dieselhybrid- und Batteriebusse zusammengefasst.

Woher kommt die schlechte Pünktlichkeit bei den Trolleybussen? «Grundsätzlich sind Trolleybusse auf den am stärksten frequentierten Strecken der Stadt Zürich unterwegs und oftmals in der Innenstadt, wo sich die verschiedenen Ansprüche an den öffentlichen Raum am stärksten überlagern. Dabei haben sie im Gegensatz zum Tram deutlich weniger eigene Spuren», sagt VBZ-Sprecher Leo Herrmann.

Zudem habe es 2022 diverse Grossbaustellen gegeben, die Folgen hatten. «Auch externe Ereignisse bzw. Entwicklungen wie beispielsweise die Zunahme von Demonstrationen und Anlässen haben sich negativ auf die Pünktlichkeit ausgewirkt.»

Das Ziel der VBZ ist bis 2028 ein Pünktlichkeitsziel von 90 Prozent über alle Bereiche. Dafür seien diverse Massnahmen in Entwicklung oder Planung, so Herrmann.

Die VBZ analysierten Verspätungen systematisch und nähmen Anpassungen am Fahrplan vor, wenn sich Häufungen bemerkbar machten. «Optimierte Anschlussbeziehungen, beispielsweise durch verlängerte Übergangszeiten, können eine Lösung sein, da diese auch bei Verspätungen für die Fahrgäste noch funktionieren. Solche Massnahmen zugunsten der Pünktlichkeit führen mitunter zu Mehrkosten und werden mit dem Besteller abgestimmt. Je nach Umfang sind sie Teil des alle zwei Jahre stattfindenden Fahrplanverfahrens, zu dem Stellung genommen werden kann.»

Das städtische Verkehrsumfeld werde in Zukunft noch anspruchsvoller und komplexer. «Im Gegensatz zur Verkehrsfläche für den rollenden Verkehr nimmt die Mobilität zu, und Ereignisse wie Demonstrationen sind ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor», sagt Herrmann. Nicht zuletzt hänge die Pünktlichkeit mit der gesellschaftlichen beziehungsweise politischen Gewichtung der verschiedenen Interessen zusammen, die auf und rund um unsere Strassen zusammentreffen. «Eine belastbare, langfristige Prognose können wir daher kaum treffen. Fest steht, dass die VBZ auch weiterhin unermüdlich daran arbeiten, ihr Angebot zu verbessern.»

Doch wie sieht die Situation in den anderen grossen Städten aus?

Bernmobil hat exklusiv für Mobimag die Pünktlichkeitszahlen ausgewertet. Die Werte beziehen sich auf den Zeitraum vom 14. Februar bis 8. April 2022 – ein Zeitraum, der wegen der Nähe zum Fahrplanwechsel und den vielen Passagieren gewählt wurde.

TraktionAbfahrten pünktlich2-5 min verspätet>5min verspätet
Tram86,4%6,6%0,6%
Trolley85,8%8,8%0,5%
Bus82,8%10,3%0,9%

Diese Werte sind nicht direkt mit jenen der VBZ von 2021 vergleichbar, denn sie beziehen sich auf die Zahl der pünktlichen Abfahrten und nicht auf die Aussteigenden. Eine unpünktliche Abfahrt in der Nebenverkehrszeit hat also gleich viel Wert wie eine unpünktliche in der Stosszeit. «Würden wir die Zahlen auch nach Anzahl der Aussteigenden gewichten, kämen wir wohl etwas schlechter weg», sagt Adrian Kranz, Angebotsplaner bei Bernmobil. Denn in den Hauptverkehrszeiten seien tendenziell mehr Fahrten verspätet.

Dennoch ist der Anteil stark verspäteter Fahrten mit jeweils unter 1 Prozent sehr tief. Laut Kranz sind die Pünktlichkeitswerte seit 2016 stabil. 

Bernmobil habe möglicherweise etwas kürzere Linien als etwa die VBZ, sagt Kranz. Zudem definiere Bernmobil oft neue Fahrzeiten, wenn eine Linie systematisch langsamer werde. So werden die Linien wieder pünktlicher. «Wir wurden eine Zeitlang langsamer», sagt Kranz. Das habe sich nun stabilisiert. In den Hauptverkehrszeiten sei Bernmobil heute wieder etwas schneller, allerdings gebe es noch nicht auf allen Linien die gleiche Anzahl Fahrgäste wie vor der Coronakrise.

Die Werte für die Jahre 2022 der VBZ sind eingeschränkt mit jenen von Bernmobil vergleichbar – und hier zeigt sich, dass die VBZ beim Tram etwas besser abschneiden, beim Trolleybus hingegen deutlich schlechter.

Bei Stadtbus Winterthur waren im Jahr 2022 94,5 Prozent der Fahrten und im Jahr 2021 95,1 Prozent der Fahrten pünktlich, wobei die Pünktlichkeit mit -1 bis +3 Minuten definiert wird. Unterschiede zwischen Trolley- und Dieselbussen gebe es nicht, weil sie über dieselben stark befahrenen Hauptachsen führen, sagt Sprecherin Annette Hirschberg.

Das zunehmend hohe Verkehrsaufkommen habe einen grossen Einfluss auf die Pünktlichkeit, da Winterthur nur wenige separate Busspuren habe, sagt Hirschberg auf die Herausforderungen angesprochen. «In den Wintermonaten November bis Februar, wenn viele Fahrradfahrende und zu Fuss Gehende auf das Auto oder den ÖV umsteigen, spüren wir das besonders.» Diese Entwicklung beeinflusse die Pünktlichkeit. «Zusammen mit dem Tiefbau suchen wir nach Lösungen wie Fahrbahnhaltestellen und eine verbesserte Lichtsignalbevorzugung, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.» Auch Winterthur greift zudem zum Verlängerungs-Trick: «Die Fahrzeiten werden jährlich neu ausgewertet und der Fahrplan punktuell angepasst», sagt Hirschberg.

Schlechter sehen die Pünktlichkeitswerte bei den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) aus. Im Jahr 2021 waren 82,7 Prozent der Abfahrten von Bussen und 86,1 Prozent der Abfahrten von Trams pünktlich. Als pünktlich gelten Abfahrten, die nicht mehr als 60 Sekunden zu früh oder 120 Sekunden zu spät erfolgen. In den letzten Jahren seien die Busse immer unpünktlicher gewesen als Trams, sagt BVB-Sprecher Matthias Steiger. Das hänge etwa damit zusammen, dass Trams oft auf Eigentrasses fahren könnten, während es für Busse weniger separate Spuren gebe.

Insgesamt habe sich die Pünktlichkeit seit 2018 verbessert. Das sei primär auf die höhere Pünktlichkeit der Trams zurückzuführen. «Wir leiten verschiedene Massnahmen ein, damit die Pünktlichkeit verbessert werden kann. Allerdings werden solche Verbesserung zum Beispiel durch den Verlust von eigenen Tram- und Busspuren oft wieder aufgehoben. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Pünktlichkeit im langfristigen Trend ähnlich bleiben wird», sagt Steiger.

Die Toleranz bei Verspätungen sei von den Fahrgästen beim dichten Taktgefüge mit 7,5-Minuten-Takten relativ hoch. «Gerade im Innenstadtbereich mit verschiedenen teils ähnlich verlaufenden Linien gehen viele Fahrgäste an die Haltestelle, ohne den Fahrplan zu konsultieren», sagt Steiger. «Negative Kundenreaktionen erhalten wir vorwiegend, wenn Anschlüsse nicht gehalten werden können. Hier haben wir aber keine Häufung festgestellt. Schliesslich versuchen wir stets, unsere Kunden auf verschiedenen Kanälen über Verspätungen und Ausfälle jeweils schnellstmöglich zu informieren.»

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