Je grösser das Auto, desto risikobereiter die Fahrer: Darum sind SUVs und Co. häufiger in Unfälle verwickelt

Sicher – aber nur für die Insassen: Grosse Autos. Bild: Jannis Lucas / Unsplash

Grössere Autos schützen ihre Insassen bei einem Unfall besser. Für alle anderen sind sie aber gefährlicher, wie eine neue Studie belegt. Sie sind häufiger in Unfälle verwickelt und ihre Fahrer sind risikobereiter und gefährlicher unterwegs – und zwar nicht nur auf der Strasse.

von Stefan Ehrbar
1. März 2022

Unfälle im Strassenverkehr sind Alltag. Logisch also, dass die Politik diese Zahl mit verschiedenen Massnahmen drücken will. Auf die Gurtenpflicht folgten eine tiefere Promillegrenze und härtere Strafen mit dem Massnahmepaket «Via Sicura» – mit Erfolg. In den vergangenen Jahren sanken die Unfallzahlen stetig. Doch noch immer verlieren jedes Jahr über 200 Menschen alleine in der Schweiz im Strassenverkehr ihr Leben, Tausende werden verletzt. Was könnte also helfen?

Ein Aspekt wurde bisher kaum beachtet, obwohl er wesentlich ist für die Frage, wie viele Unfälle geschehen und wie schlimm diese ausgehen: Die Grösse der Autos.

Die Forscher Bart Claus und Luk Warlop haben nun eine neue Studie vorgelegt, welche die Frage beantwortet, inwiefern Autogrösse und Unfälle zusammenhängen. Veröffentlicht wurde sie im «Journal of Consumer Policy».

Dafür griffen die Forscher auf den Fahrsimulator einer belgischen Organisation zurück. Den Probanden – über 200 Studenten einer grossen europäischen Universität – wurde gesagt, dass sie entweder ein grösseres oder kleineres Auto fahren. Die Fahreigenschaften im Simulator waren aber für alle Probanden gleich. Die Teilnehmer der Studie wurden nach dem Zufallsprinzip einer Fahrzeuggrösse zugewiesen und ihnen wurde das Bild des Autos gezeigt, das sie fahren würden. Bei beiden Fahrzeugen handelte es sich um ein Toyota (Avensis Kombi respektive Yaris), damit die Marke die Resultate nicht beeinflusst. Auch die Stimmung, die Fahrpraxis und die Einstellung der Probanden zum Autofahren wurden abgefragt, damit diese die Studienergebnisse nicht beeinflussen.

Die Probanden mussten 10 Minuten lang auf einer vorgegebenen Strecke fahren. Es wurde eine durchschnittliche Verkehrsdichte simuliert. Gemessen wurde die Geschwindigkeit, wie schnell die Probanden beschleunigten, wie stark sie das Gas- und Bremspedal bedienten und welche Verzögerungszeiten sie aufwiesen.

Diese Daten wurden in der Analyse zu einem Mass für Fahrintensität zusammengefasst. Die Resultate lassen aufhorchen.

Glaubten die Probanden, ein grösseres Auto zu fahren, war die Fahrintensität signifikant höher und das Fahrverhalten riskanter. Allerdings waren Probanden weniger anfällig für diesen Effekt, die generell weniger auf Werbung und mehr auf Prävention ansprechen.

Mit einem zweiten Experiment wollten die Forscher die These untersuchen, dass grössere Autos die Risikobereitschaft generell fördern. Die 214 Teilnehmer erhielten eines von zwei Werbeplakaten für ein Auto vorgesetzt: Entweder für ein grosses oder ein kleines Auto derselben Marke. Diese unterschieden sich nur in der Grösse, nicht aber in der Ausstattung. Die Teilnehmer mussten die jeweiligen Fahrzeuge nach den Kategorien Sicherheit, Verarbeitungsqualität, Preis und Leistung bewerten.

Unmittelbar darauf mussten die Probanden ein Experiment durchführen, bei dem sie einen Ballon mit einem Druck auf einen Knopf aufpumpen konnten. Für jeden Druck auf den Knopf erhielten sie 5 Cent, sollte der Ballon aber platzen, würden sie ihr ganzes Geld verlieren. Den Teilnehmern wurde vorgekaukelt, dieses Experiment habe nichts mit den Werbeanzeigen zu tun.

Die Auswertung zeigte nicht nur, dass das grössere Auto signifikant als sicherer bewertet wurde, sondern auch dass Teilnehmer, die Anzeigen für das grössere Autos angeschaut hatten, beim anschliessenden Ballon-Experiment eine signifikant höhere Risikobereitschaft zeigten. Die Autos vermittelten laut den Forschern ein Gefühl der Sicherheit, das sich selbst auf eine andere Tätigkeit als das Autofahren auswirkte und zu risikobereiterem Verhalten verleitete.

«Die Bewältigung der gesellschaftlichen und gesundheitlichen Kosten des Autoverkehrs setzt voraus, dass Massnahmen auch auf ihre Wechselwirkungen mit anderen Parametern der Verkehrssituation hin untersucht werden, insbesondere im Hinblick auf Sekundäreffekte wie die Fahrzeuggrösse», schlussfolgern die Autoren. Aus technischer Sicht seien grössere Autos zwar besser, weil sie ihre Insassen besser schützten.

Sie seien aber auch häufiger in Unfälle verwickelt und stellten eine grössere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar, wie Studien zeigten. Mit ihrer Studie konnten die beiden Forscher zudem belegen, dass die Grösse alleine risikofreudigeres Fahrverhalten fördert – und diese gestiegene Risikobereitschaft selbst auf andere Lebensbereiche abstrahlt.

«Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Anreize gegen grössere Autos den doppelten Vorteil haben könnten, sowohl die Zahl der Unfälle (aufgrund eines Verhaltenseffekts) als auch deren Schwere (aufgrund der geringeren Schäden durch kleinere Autos) zu verringern», heisst es in der Studie. Grössere Autos stärker zu besteuern, könnte also einen positiven Einfluss auf die Verkehrssicherheit haben.

Ob es diese Ergebnisse Gehör finden, ist allerdings eine andere Frage.

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