Das US-County Milwaukee führt eine Preisobergrenze für seinen öffentlichen Verkehr ein. Denn eine solche ist eine der wirkvollsten Fördermassnahmen. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Subjektive Sicherheit ist bei autonomen Shuttles entscheidend – und die EU verbietet Verbrenner definitiv.
von Stefan Ehrbar
17. Februar 2023
Das bringt eine ÖV-Preisobergrenze
Das US-County Milwaukee führt im öffentlichen Verkehr eine Preisobergrenze ein. Das berichtet der «Milwaukee Journal Sentinel». Im Artikel heisst es, das werde zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen.
Ein ähnliches Capping kennt London bereits seit 2014. Sobald Passagiere ihr Limit für eine bestimmte Zeitdauer erreicht haben, fahren sie kostenlos. So werden böse Überraschungen am Ende eines Tages oder Monats vermieden. Auch in New York oder Sydney sind solche Systeme implementiert.
In Milwaukee wird die Obergrenze vier Dollar pro Tag, 19.50 Dollar für eine Woche und 72 Dollar für einen Monat betragen. Die bisherigen Systeme ohne solche Obergrenze seien für die untersten Einkommensschichten und Minderheiten am schlechtesten gewesen, wird Tim Hosch, der Finanzchef des zuständigen ÖV-Betriebs MCTS zitiert.
Laut einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr verdienen im Einzugsgebiet der MCTS 45 Prozent der Passagiere weniger als 50’000 Dollar. Etwa 31 Prozent gaben an, dass sie freiwillig den ÖV nutzen, während 46 Prozent sagten, es bleibe ihnen kaum oder gar keine andere Wahl. Jeder fünfte gab an, kein Auto zu besitzen und ohne ÖV auf teure Dienste wie Uber zurückgreifen zu müssen.
Karen Philbrick, Geschäftsführerin des Mineta Transportation Institute an der San José State University sagt, der Abbau von Hindernissen für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs müsse ganz oben auf der Prioritätenliste stehen.
Die Deckelung von Fahrpreisen stelle sicher, dass Minderheiten nicht unverhältnismässig stark von den hohen Kosten betroffen seien. Vor der Einführung des Cappings kauften sich nämlich jene, die es sich leisten konnten, günstigere Langzeitfahrkarten. Wer dafür nicht genügend Geld hatte, musste den teureren Tarif kaufen.
Dieses Problem wird mit dem Capping behoben. Allerdings gibt es ein Problem bei Kundinnen und Kunden, die mit Bargeld bezahlen. Deren Wege können nämlich nicht aufgezeichnet werden.
Um von der Fahrpreisdeckelung profitieren zu können, müssen Passagiere in Milwaukee deshalb eine neue App herunterladen oder eine neue Karte beziehen. Diese lässt sich in Geschäften wie der Apotheken-Kette CVS mit Bargeld aufladen.
Das Nahverkehrsunternehmen wird zudem die Möglichkeit einführen, dass Fahrgäste in den Fahrzeugen auch mit ihrer Debit- oder Kreditkarte bezahlen können. Die entsprechenden Geräte zur Validierung werden diesen Monat eingebaut. In der Schweiz gibt es mit dem Projekt «Venda» in Graubünden ein ähnliches Vorhaben.
Das neue System mache den ÖV nicht nur sozialer, sondern vereinfache auch die Tarifstruktur und mache ihn zugänglicher, so die Verantwortlichen. Zudem soll der Fahrgastwechsel so schneller gehen und das neue System könne auch mit anderen Mobilitätsträgern wie E-Bike-Sharing oder Fahrdiensten wie Uber kombiniert werden.
Das wollen Menschen von autonomen Shuttles
Das Zentrum Technik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) hat Passagiere eines hochautomatisiert fahrenden Shuttles befragt. Die Forscher kommen zum Schluss, dass besonderer Wert auf subjektive Sicherheit gelegt werden muss.
Zwischen dem subjektiven Sicherheitsgefühl in einem hochautomatisiert fahrenden Shuttle mit Begleitpersonal und einem ohne Personal klaffe eine grosse Lücke. So bewerteten 96 Prozent der Passagiere eines Shuttles mit Begleitpersonal das Sicherheitsgefühl als gut oder sehr gut.
Wurden sie hingegen gefragt, wie sicher sie sich ohne Begleitpersonal gefühlt hätten, rutschte dieser Wert auf 50 Prozent ab. In diesem Fall gaben 26 Prozent der Befragten sogar an, dass sie sich schlecht oder sehr schlecht gefühlt hätten. Bei Älteren ist dieses Phänomen ausgeprägter: 39 Prozent der über 65-Jährigen würden sich ohne Personal nicht sicher fühlen.
«Diese enorme Diskrepanz zeigt, welche technischen und psychologischen Hürden noch genommen werden müssen, bevor die Technologie des komplett autonomen Fahrens von den Menschen angenommen wird», wird Wulf-Holger Arndt zitiert, der Leiter des Forschungsvorhabens.
Ebenfalls eine interessante Erkenntnis aus der Befragung ist, dass die Akzeptanz von autonom fahrenden Privatautos geringer ist als die Akzeptanz von autonom verkehrenden Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr.
Die Fahrgäste bewerteten das Pilotprojekt in Berlin-Tegel durchaus als positiv. So gab es laut den Autoren eine grosse Zustimmung zur These, dass autonome Shuttles ein gutes Erweiterungsangebot sind, um Wohngebiete an den ÖV anzuschliessen und die Mobilität älterer Menschen zu verbessern. Auch sei den Shuttles Potenzial zugeschrieben worden, den privaten Autoverkehr und Emissionen zu reduzieren. Dauernutzer gab es allerdings während dem Test wenige. «Drei Busse auf zwei kurzen Linien einige Monate fahren zu lassen, wird bisher nicht als ernsthaftes Angebot wahrgenommen, was Menschen überzeugen würde, die eigenen Mobilitätsroutinen zu verändern», heisst es dazu.
Der Verbrenner wird in der EU verboten
Ab dem 1. Januar 2035 dürfen in der Europäischen Union keine Autos mit Diesel- oder Benzinmotor mehr neu zugelassen werden. Diese Woche hat das EU-Parlament diesem Beschluss formell zugestimmt.
Die Mitgliedsstaaten hatten sich schon letztes Jahr auf diesen Schritt geeinigt. Das Vorhaben kommt mit einem Bestandsschutz: Bereits zugelassene Verbrenner-Autos müssen also nicht 2035 aus dem Verkehr gezogen werden, sondern können weiter genutzt werden.
Noch geprüft werden soll die Frage, ob Verbrennerfahrzeuge, die mit E-Fuels betrieben werden können – also mit alternativen Treibstoffen, die emissionsfrei hergestellt werden können – von der Regel ausgenommen werden sollen. Dafür macht sich unter anderem Deutschland stark.
Aus Deutschland kam denn auch die heftigste Kritik am Verbrenner-Aus. «Grüne, Liberale und Linke haben heute im EU-Parlament für das Verbrennerverbot gestimmt, obwohl sie wissen, dass sie damit rund 1,4 Millionen Arbeitsplätze in Europa gefährden. Die europäische Ampel untergräbt den Automobilstandort Deutschland und bugsiert damit die chinesische Konkurrenz in die Poleposition», wird der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke in der «Zeit» zitiert.
Diese Woche hat die EU-Kommission zudem neue Ziele für die Treibhausgasemissionen von Lastwagen und Bussen vorgestellt.
Ab dem Jahr 2030 sollen diese Fahrzeuge demnach 35 Prozent weniger CO2 ausstossen als 2019, berichtet das Portal heise.de. Ab 2035 sind es 65 Prozent, ab 2040 90 Prozent. Zudem will die Kommission ab dem Jahr 2030 nur noch emissionsfreie Stadtbusse zulassen.
Den Herstellern soll offen gelassen werden, mit welcher Technik sie diese Reduktionen erzielen. So können sie etwa zwischen dem Einsatz von batterieelektrischen Antrieben, Wasserstoff-Brennstoffzellen oder Wasserstoff in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor wählen.
Ausnahmen soll es zum Beispiel für Hersteller von Kleinserien, von Fahrzeugen für den Bergbau, die Forst- und Landwirtschaft, aber auch für militärische Fahrzeuge, Spezialfahrzeuge für Blaulicht-Organisationen und Berufsfahrzeuge wie Müllwagen geben.
Laut Aussagen der Kommission sind Lastwagen, Stadt- und Fernbusse für 6 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich, beim Strassenverkehr haben sie einen Anteil von 25 Prozent. Die Kommission hofft mit den neuen Regeln auch darauf, dass die Nachfrage nach importierten fossilen Brennstoffen gesenkt wird.
Schreiben Sie einen Kommentar