Klima? Egal! Dieses Auto knackt die Verkaufsrekorde – sauber ist es nicht 🆓

Rosengarten
Der Schweizer Automarkt wird dominiert von schweren Autos mit hohem Ausstoss. Bild: Mobimag

Die Zahl der neuen Autos mit alternativen Antrieben ist auf einem Rekordstand. Doch ein Blick in neueste Zahlen zeigt: Am meisten zugelegt haben dreckige und schwere Autos – und Hybrid-Autos, die weniger sauber sind als versprochen. FĂĽr das Klima sind das keine guten Nachrichten.

Als Walter Frey, Chef des Autoimporteurs Emil Frey AG, im Juni ĂĽber seine Lehren aus der Coronakrise sprach, gab er sich optimistisch.  Â«Das Auto ist fĂĽr eine gesunde und funktionierende Gesellschaft absolut unabdingbar, das sah jetzt jeder», sagte er den Zeitungen von CH Media. Jetzt, wo alle Daten aus dem Jahr 2020 vorliegen, ist klar: Ziemlich viele sehen das eben doch anders.

Die Autobranche hat das schlechteste Jahr seit den 70er-Jahren hinter sich. Die Verkäufe sind um 24 Prozent eingebrochen – und mit dem Lockdown im Frühling lässt sich das nicht mehr erklären. Auch in den letzten Monaten des Jahres, als Autos normal verkauft werden konnten und die Menschen ihre Mobilität im Vergleich zum Frühling kaum einschränkten, erholte sich der Markt nicht.


Als Gewinner feierten viele Medien die Elektroautos. Tatsächlich stieg der Anteil der neu zugelassenen Autos mit einem Elektroantrieb von 4,2 Prozent im Jahr 2019 auf 8,2 Prozent. Der Marktanteil der Autos mit einem Hybridantrieb stieg von 7,1 auf 13,6 Prozent, der Anteil der Plug-In-Hybride – also Autos mit einem Stecker zum Aufladen der Batterie – stieg von 1,4 auf 6,1 Prozent. Erstmals war im letzten Jahr mit 28,2 Prozent mehr als jede vierte neu zugelassene Auto mit einem alternativen Antrieb ausgestattet.

Eine gute Nachricht für das Klima ist das allerdings nicht ohne Einschränkungen. Gerade Plug-In-Hybride sind dreckiger, als ihr Marketing verspricht. Das belegt eine aktuelle Studie der Gruppe Transport & Environment. Demnach emittieren die drei meistverkauften Plug-In-Hybride in Europa, der BMW X5, der Volvo XC60 und der Mitsubishi Outlander, 28 bis 89 Prozent mehr CO2, als die Hersteller angeben.

Sobald der Verbrenner anspringt, was aufgrund der kurzen Reichweite und der teils mangelnden Schnellladefunktion sehr schnell der Fall sein kann, emittieren die Modelle sogar deutlich mehr CO2 pro Kilometer als der durchschnittliche Neuwagen, dessen Emissionen zuletzt etwa bei 138 Gramm pro Kilometer nach dem neuen Messverfahren WLTP lagen. Zum Vergleich: Der BMW X5 kommt im Verbrennermodus etwa auf 250 Gramm CO2 pro Kilometer. 

Der Elektroboom stellt zudem nur eine Seite der Medaille dar. Zwar legte Tesla mit über 5000 Verkäufen des Model 3 auf den Platz 2 vor. In absoluten Zahlen wurden vergangenes Jahr aber auch vom Tesla-Bestseller nur gerade 23 Autos mehr verkauft als 2019.

Ganz anders sieht das bei Autos aus, die schwer und dreckig sind. Sie erleben einen regelrechten Boom. Allen voran: Der Audi Q3. Der «Familien-SUV mit vielen Talenten», wie ihn der deutsche Autobauer anpreist, ĂĽberschreitet selbst in seiner klimafreundlichsten Variante die Schweizer Klimaziele spielend. Nach dem WLTP-Messverfahren stösst er durchschnittlich 149 Gramm CO2 pro Kilometer aus und ist damit meilenweit vom CO2-Emissionsziel des Bundes entfernt. Dieses verpflichtet Importeure in diesem Jahr auf einen Durchschnittswert von 118 Gramm CO2 pro Kilometer nach WLTP. 

Noch aussagekräftiger ist die Gesamtbilanz der Emissionen von Fahrzeugen, die alle in der Herstellung, Energie, Fahrt und Entsorgung entstehenden Emissionen berücksichtigt. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes «Life-Cycle-Assessment» – die umfassendste Betrachtung von Emissionen. Im Gegensatz dazu berücksichtigen die «Well to Wheel»-Werte nur die Emissionen aus der Energiegewinnung und der Fahrt, die «Tank to Wheel»-Werte gar nur jene aus der Fahrt . Der TCS bietet seit neuestem gestützt auf Daten des Paul-Scherrer-Institut einen Klimabilanz-Rechner für jedes Modell.

Der Audi Q3 kommt bei einer Laufleistung von 200’000 Kilometern demnach selbst in seiner Hybrid-Version auf Gesamtemissionen von 58,7 Tonnen CO2 – nur 9 Prozent weniger als die Benzin-Version. Zum Vergleich: Das meistverkaufte Auto der Schweiz, der Skoda Octavia, verzeichnet in seiner konventionellen Diesel-Version 50,7 Tonnen CO2-Gesamtemissionen.

Q3
Der Audi Q3. Bild: Audi


Audi kann sich freuen: Der Q3 ist der wahre Gewinner der letzten Jahre. Tauchte das Modell in den Jahren vor 2020 nicht in den Top 15 der meistverkauften Modelle auf, belegte es 2020 schon Rang 5. Das zeigt eine detaillierte Auswertung der Statistik von Auto Schweiz. Ăśber 1’000 Exemplare mehr verkaufte Audi vom Q3 im Vergleich zum Jahr 2019.

Neu zugelassene Autos in der Schweiz 2020

ModellAnzahlRang (ggĂĽ. 2019)
Skoda Octavia58921 (-)
Tesla Model 350512 (+2)
VW Tiguan49653 (-1)
VW Golf41824 (-1)
Audi Q340415 (+17)
Skoda Karoq36636 (+2)
Mercedes-Benz A-Klasse36357 (-1)
Mercedes-Benz GLC-Klasse34808 (-3)
Volvo XC4033769 (+20)
Fiat 500320710 (+2)
BMW X1318511 (+6)
Skoda Kodiaq302312 (-5)
VW T6297213 (+1)
BMW X3292714 (+1)
Renault Zoe289015 (+40)
[…][…][…]
Total236828311466
Quelle: Auto Schweiz

Dass mit dem Audi Q3 ein Modell mit den höchsten Zuwachs in den oberen Rängen verzeichnet, das nicht zum Trend des Klimaschutzes passt, ist keine Ausnahme.

In absoluten Zahlen wurden aus den Top 15 im vergangenen Jahr nur von folgenden Modellen mehr Autos verkauft als 2019:

  • Tesla Model 3
  • Audi Q3
  • Volvo XC40
  • Renault Zoe

Die Liste zeigt exemplarisch zwei Trends auf: Jenen zu mehr Fahrzeugen mit alternativen Antrieben – elektrisch beim Tesla und beim Renault Zoe, Hybrid beim Volvo XC40 – und jenen nach grösseren, schweren Autos, zu denen sowohl der XC40 als auch der Audi Q3 gehören.

Der XC40 kommt als konventioneller Verbrenner, aber auch in verschiedenen Hybrid-Ausstattungen daher und zahlt damit teilweise aufs Konto der alternativen Antriebe ein. Doch sauber ist das Auto deswegen nicht. Der CO2-Ausstoss des beliebtesten Mild-Hybrid reicht im gemischten Fahrzyklus gemäss WLTP von 143 Gramm pro Kilometer beim sparsamsten Modell bis hin zu 205 Gramm. Der urbane SUV der Schweden, so viel steht fest, wird die Atmosphäre nicht retten. Immerhin: Die Plug-In-Hybrid-Variante schneidet mit 89 Gramm pro Kilometer und Gesamtemissionen von 43,9 Tonnen CO2 etwas besser ab.

Gar keine Hybrid- oder Plug-In-Hybrid-Version gibt es vom Skoda-SUV Karoq, der zwei Plätze gutmachte. Gemäss dem TCS kommt die Allrad-Version des Dieselmodells im Betrieb auf 181 Gramm pro Kilometer mit Gesamtemissionen von 59,8 Tonnen CO2 bei einer Laufleistung von 200’000 Kilometern. In der Benzin-Version steigt diese Zahl gar auf 71,9 Tonnen.


Ähnlich sieht es beim BMW X1 aus, der ganze sechs Plätze hochkletterte. Den gibt es mittlerweile zwar in einer sparsamen (und deutlich teureren) Plug-In-Hybrid-Version, doch die konventionellen Versionen kommen gemäss Herstellerangaben auf 129 respektive 133 Gramm CO2 pro Kilometer gemäss WLTP und halten damit das Klimaziel bei weitem nicht ein.

Der Schweizer Fuhrpark wird nicht sauberer. Bild: Mobimag

Ebenfalls zu den Gewinnern im Automarkt gehört der VW T6, der erneut einen Platz gutmachen konnte. Dieser Multivan erfreut sich vor allem in seiner AusfĂĽhrung «California» auch in urbanen Haushalten einer grossen Beliebtheit, eignet er sich doch ideal fĂĽr Campingferien und AusflĂĽge mit der Familie. Den VW-Bussen haftet etwas Romantisches an – zu Unrecht. «Der Hippiebus ist eine CO2-Schleuder», titelte die Aargauer Zeitung letztes Jahr. Â«Kritik daran gibt es im Gegensatz zu den SUV kaum. Warum eigentlich?».

Der früher beliebte, vergleichsweise umweltfreundliche Kleinwagen hingegen hat es schwer. Vom VW Golf (Gesamtemission der günstigsten Diesel-Version: 47,7 Tonnen CO2) wurden 2016 noch fast 12’000 Exemplare verkauft, 2020 waren es noch knapp 4200. Die Verkäufe des VW Polo sind in dieser Zeit um einen Drittel eingebrochen, jene des Skoda Fabia um die Hälfte. Selbst der Fiat 500 musste im langjährigen Vergleich Federn lassen und belegt noch den Rang 10 der Verkaufsparade. Vor drei Jahren hatte er mit dem Rang 6 sein bestes Ergebnis erreicht. In absoluten Zahlen wurden innert Jahresfrist über 500 weniger Modelle des italienischen Klassikers abgesetzt.

Der Erfolg von Tesla und die zunehmende Beliebtheit der alternativen Antriebe mögen zwar Vorboten einer Elektro-Revolution sein. Mit neuen, attraktiven Modellen wie dem seit kurzem erhältlichen Polestar 2 dürften die Elektro-Autos zudem weiter Fahrt aufnehmen. Doch der Gegentrend gibt Anlass zur Sorge: Grosse und klimaschädliche Automodelle gehören zu den Gewinnern im Automarkt.

Elektroautos: Ja, sie sind wirklich sauberer
Eine oft verbreitete Aussage zu reinen Elektroautos ist jene, dass sie in einer Gesamtbetrachtung schlecht abschneiden, weil etwa die Herstellung der Batterien und deren Entsorgung fĂĽr viele Emissionen sorge. Der Klimabilanz-Rechner des TCS widerlegt diese Behauptung . Er basiert auf Daten des Paul-Scherrer-Institut und berĂĽcksichtigt alle Emissionen – auch jene der Minen, aus denen Eisen fĂĽr die Karosserie oder Kobalt fĂĽr die Batterien stammen. Emissionen, die bei der Stromerzeugung und bei der Produktion von Treibstoffen inklusive dem Transport entstehen, werden genauso berĂĽcksichtigt wie jene im Betrieb. Zugrunde gelegt wird eine Laufleistung von 200’000 Kilometern.

Elektroautos schneiden dabei sehr viel besser ab als vergleichbare Hybride, Plug-In-Hybride oder konventionelle Verbrenner.

So kommt etwa die Standard-Version des Tesla Model 3 auf Gesamtemissionen von 28,2 Tonnen CO2. Der Polestar 2 verzeichnet Gesamtemissionen von 36,3 Tonnen CO2, der Renault Zoe auf 28,6 Tonnen.

Vergleichbar grosse Autos kommen auf deutlich höhere Gesamtemissionen. Die Dieselversion des Audi A4 etwa kommt auf 57,2 Tonnen CO2, der Benziner des Renault Megane auf 51,4 Tonnen, selbst der kleine Skoda Fabia verzeichnet 50,2 Tonnen Gesamtemissionen.

Über diese Thematik hat auch der «Kassensturz» berichtet: Link zum Video.

Wie die Branche ihre CO2-Ziele, die ihr der Bund auferlegt hat, erfüllen will, ohne hohe Strafen bezahlen zu müssen, bleibt unklar. Der Versuch, diese Bussen mit dem Hinweis auf die Corona-Krise zu sistieren, stiess beim Bundesrat gemäss dem «Tages-Anzeiger» auf kein Gehör. Doch schlussendlich ändern solche Bussen am Klima und an der Luftqualität sowieso nichts – und die Branche kann ihre Kunden auch nicht zwingen, kleinere und umweltfreundlichere Autos zu kaufen.

Der Klimaschutz, das zeigen die aktuellen Statistiken, interessiert die Autokäufer im Moment wenig. Dabei hätte die Schweiz viel Nachholbedarf: Innerhalb Europas schneidet ihr Neuwagen-Park zurzeit am schlechtesten ab, wie Daten des Bundesamt für Energie belegen. Das liegt allerdings nicht nur am mangelnden Interesse der Käufer, sondern auch daran, dass bis Ende 2022 in der Schweiz noch CO2-Übergangsregeln gelten, die viel weniger strikt sind als jene in der EU. Sie führen dazu, dass Hersteller von Elektroautos ihre Fahrzeuge lieber in der EU absetzen als in der Schweiz – was zu einem kleineren Angebot und einer schlechteren Lieferbarkeit von Elektroautos hierzulande führt.

Die Schweiz ist CO2-Schlusslicht in Europa. Quelle: BFE



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