Ist das Tempolimit die Waffendebatte der Deutschen? // Parkierende Autos verstärken Hitze // Verbrenner müssten 2025 weg

Parkierende Autos erhitzen die Städte zusätzlich. Bild: Louis Reed / Unsplash

Energie sparen ja, Tempolimit auf der Autobahn ja nicht: Die «New York Times» vergleicht Deutschlands Autobahnen mit dem US-Waffenrecht. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Parkierende Autos verstärken die Hitze und Verbrenner müssten bald weg sein.

von Stefan Ehrbar
9. September 2022

Warum kommt das Tempolimit nicht?

Hallenbäder senken die Wassertemperaturen, öffentliche Gebäude werden nicht mehr beleuchtet, Werbetafeln ausgeschaltet, Firmen reduzieren ihren Gasverbrauch: In Deutschland und ganz Europa wird aus Sorge vor einer Mangellage im Winter Energie eingespart, wo es nur geht. Mit einer Ausnahme: Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wird es nicht geben – auch wenn damit Benzin gespart und der CO2-Ausstoss verringert werden könnte.

Die «New York Times» vergleicht die Debatte um ein Tempolimit in Deutschland mit jener über die Waffenkontrolle in den Vereinigten Staaten. Das Fehlen von Geschwindigkeitsbegrenzungen sei so unantastbar, dass die Staatsanwaltschaft keine Anklage habe erheben können, als ein tschechischer Bauunternehmer letztes Jahr ein Video auf Youtube postete, in dem seine Fahrt mit 417 Kilometern pro Stunde zu sehen war (Artikel dazu bei saechsische.de).

Die Zeitung verweist darauf, dass der Verzicht auf ein Tempolimit sogar Teil des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung sei. Die FDP habe diese Frage zu einer der Identität gemacht, wird Politik-Professor Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel zitiert.

Dabei zeigten Umfragen – etwa des «Spiegel» – dass eine Mehrheit der Deutschen ein vorübergehendes Tempolimit begrüssen würde. Und das Umweltministerium habe berechnet, dass 2,1 Milliarden Kraftstoff jährlich gespart werden könnte, wenn auf Autobahnen ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde gelten würde. Drei Prozent des CO2-Ausstoss des Verkehrs würden verschwinden.

Dass die SPD in der Regierung als Mittlerin zwischen den Grünen und der FDP auftrete und eine Art «Nichtangriffspakt» mit letzterer geschlossen habe, sorge wohl dafür, dass sich mit dieser Regierung in dieser Frage nichts ändere. Sowieso müsse die FDP als kleinste Koalitionspartei besonders aufpassen, welche Positionen sie aufgibt, egal wie unbedeutend und von symbolischer Natur sie seien.

Parkierende Autos erhitzen die Städte

Versiegelte Flächen heizen sich an sonnigen Tagen im Sommer stark auf. Das führt dazu, dass auch in der Schweiz vermehrt darüber diskutiert wird, wie sich Plätze anders gestalten lassen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Begrünung und Gewässern zu.

Doch nicht nur Asphaltflächen, sondern auch parkierende Autos sorgen für zusätzliche Hitzeentwicklung in den Städten. Darüber berichtet der «Standard». Denn parkierende Autos könnten zu einer Art Wärmespeicher werden. Insbesondere nachts staue sich die Hitze vor allem in Gassen ohne Bäume, aber mit vielen Parkplätzen.

«Parkende Autos heizen sich nicht nur innen massiv auf, sondern auch aussen, unterhalb der abgestellten Autos bildet sich ein Wärmepolster», wird Lina Mosshammer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zitiert. Diese Wärme werde nachts an die Umgebung abgegeben, die sich so weniger abkühlen könne.

Laut dem Projekt «Greening Aspang», über welches die Zeitung berichtet, war die Temperatur auch in den frühen Morgenstunden auf jenen Flächen höher, auf denen Autos parkieren. Denn Autos verhinderten eine ungehinderte Wärmeabstrahlung des Bodens in der Nacht.

Dieser Umstand müsse künftig bei Massnahmen zur Klimaanpassung in den Städten berücksichtigt werden, wird ein Expertin zitiert. Hinzu kommen weitere negative Effekte von parkierten Autos – etwa, dass sie eine zusätzliche Barriere für die Luftzirkulation im Strassenraum darstellen.

Ebenfalls eine Rolle spielt die Farbe der Fahrzeuge. Weisse Fahrzeuge reflektieren mehr Sonnenlicht und speichern weniger Wärmeenergie, die sie in der Nacht abgeben. Schwarze Autos sind besonders schädlich für das Klima in den Strassen.

Dem Verbrenner bleiben nur noch zwei Jahre

Auf Deutschlands Strassen fahren 48 Millionen Autos. Der Verkehrssektor ist gleichzeitig jener, welche die Klimaziele der Regierung am deutlichsten verfehlen wird (Mobimag berichtete).

Wollte Deutschland die Ziele des Abkommen von Paris erreichen, wonach sich die Erde um höchstens 1,5 Grad Celsius erwärmen soll, dann dürften schon in etwas mehr als zwei Jahren keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden. Das hat die «Zeit» aufgrund von Studien und Regierungsdokumenten errechnet.

Demnach müsste die Zahl der Autos mit Verbrennungsmotor bis 2030 um zwei Drittel sinken. Neuzulassungen wären nur noch bis 2025 möglich, denn Autos sind durchschnittlich zehn Jahre alt und ab 2035 dürften gar keine Verbrenner mehr unterwegs sein. Das aktuelle Klimaschutzgesetz hingegen führe dazu, dass 2030 noch doppelt so viele Verbrenner sein werden als mit dem 1,5-Grad-Ziel zu vereinbaren wären.

Nach Kraftwerken und der Industrie ist der Verkehrssektor für den drittgrössten Anteil an Deutschlands Emissionen verantwortlich. Im aktuellen Klimaschutzgesetz ist vorgesehen, dass der Verkehr im Jahr 2030 noch 85 Megatonnen ausstossen darf. Letztes Jahr waren es 148 Megatonnen. Laut der Analyse der Zeit dürften es im Jahr 2030 allerdings nur noch 56 Megatonnen sein.

Die Verkehrspolitik der aktuellen Regierung führt laut dem Artikel sogar dazu, dass die Emissionen im Jahr 2030 noch bei 125 Megatonnen liegen werden, also mehr, als es das Gesetz vorsieht und doppelt so hoch, als es der Pariser Klimavertrag zulassen würde.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat deswegen eine Klage gegen die Bundesregierung eingereicht, weil diese gegen das eigene Klimagesetz verstosse.

«In der deutschen Verkehrspolitik klafft nicht nur eine Lücke, sondern gleich zwei: zwischen dem, was der Klimaschutz erfordern würde, und was sich die Bundesregierung vorgenommen hat; und zwischen den Vorsätzen und dem, was an konkreter Politik passiert», schreibt die «Zeit».

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