Die Inflation erreicht Höhen wie schon lange nicht mehr. Das liegt zu grossen Teilen am immer teurer werdenden Benzin. Schuld daran sind auch die Ölkonzerne. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland: Das 9-Euro-Ticket scheint zu wirken – und so gelingt die Verkehrswende auf dem Land.
von Stefan Ehrbar
17. Juni 2022
Wieso ist Benzin so teuer?
In Deutschland betrug die Inflation im Mai 7,9 Prozent – der höchste Wert seit 1974. Die Güter mit den höchsten Preissteigerungen sind Heizöl, Erdgas und Kraftstoff. Letzterer ist um 41 Prozent innerhalb von zwölf Monaten teurer geworden.
Doch wieso gibt es ausgerechnet bei diesen Gütern so hohe Preissteigerungen? Dieser Frage ist die FAZ nachgegangen. Klar ist: Der auf Anfang Juni eingeführte Tankrabatt von etwa 35 Cent pro Liter Benzin, mit dem die deutsche Regierung das Benzin verbilligen wollte, wirkt zwar – aber nur teilweise.
Laut einer Analyse des Münchner Ifo-Instituts wird der Rabatt von den Konzernen «im Wesentlichen» an die Kundschaft weitergebeben: Beim Diesel zu 100 Prozent, bei Benzin zu 85 Prozent. Das Institut hat diese Werte anhand eines Vergleichs der Preise von Deutschland und Frankreich errechnet.
Doch das Bundeskartellamt ist skeptischer. So sei der Abstand zwischen Tankstellenpreisen für Benzin ohne Steuern zum Rohölpreis zuletzt gestiegen. Vor Beginn des Kriegs von Russland gegen die Ukraine sei er bei bis zu 50 Cent gelegen, mittlerweile bei 60 Cent. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schätzt, dass etwa die Hälfte des Tankrabatts von den Unternehmen eingesackt wird.
Abschliessend klären könnte man die Frage nur mit internen Daten der Mineralölgesellschaften, schreibt die Zeitung. Das Bundeskartellamt untersuche zurzeit, ob es Verstösse gegen das Wettbewerbsrecht gegeben habe. Schon eine frühere Untersuchung hatte gezeigt, dass immer dieselben Ketten zuerst die Preise anhoben und die anderen immer im gleichen Abstand folgten. Als Folge davon wurde eine Transparenzstelle geschaffen, die aber vor allem einen Effekt hatte: Die Preise an Tankstellen schwanken im Tagesverlauf seither viel stärker.
9-Euro-Ticket ersetzt Autofahrten
Das deutsche 9-Euro-Ticket, das die Fahrt im öffentlichen Nahverkehr während eines Monats für 9 Euro erlaubt, ist ein Erfolg – zumindest nach Zahl der Nutzer. Bereits 16 Millionen Stück sind verkauft worden, schreibt die «Berliner Zeitung».
Die Nachfrage steigt zudem laut Informationen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Eine landesweite repräsentative Umfrage habe gezeigt, dass 99 Prozent der Befragten das Angebot kennen. Über 70 Prozent der Befragten nannten als Kernargument für den Kauf den günstigen Preis. Mehr als die Hälfte der Befragten nannte als Hauptgrund für den Kauf, damit auf Autofahrten verzichten zu können. Knapp die Hälfte gab Umweltschutz als Hauptgrund an, zwölf Prozent das Argument, den ÖV einfach einmal ausprobieren zu wollen.
Es gebe zahlreiche Fahrgäste, die das Ticket nutzten, um den öffentlichen Nahverkehr erstmals auszuprobieren, wird VDV-Präsident Ingo Wortmann zitiert. Gleichzeitig sind laut der Zeitung Beobachter skeptisch, ob mit dem Angebot auch Pendler in grösseren Massen zum Umstieg auf den ÖV bewegt werden könnten. Denn erste Erkenntnisse zeigten, dass das Ticket vor allem für Fahrten in der Freizeit genutzt wird.
«Als wesentliches Resultat des Experiments könnte sich erweisen, dass der öffentliche Verkehr für viele Menschen ins Blickfeld geraten ist und breiter als bisher über notwendige Verbesserungen diskutiert wird», heisst es im Artikel. «Vielen Menschen ist erstmals bewusst geworden, dass Alternativen zum Auto existieren.»
So gelingt die Verkehrswende auf dem Land
In der Grossstadt auf das eigene Auto zu verzichten, ist einfach und bringt kaum Komforteinbussen mit sich. Auf dem Land hingegen sieht es anders aus. Wie könnte sich das ändern? Dieser Frage geht das Portal «sicher unterwegs» nach.
Auf dem Land besässen auch viele Haushalte mit niedrigem Einkommen ein Auto und nähmen die hohen Kosten dafür zwangsläufig in Kauf, heisst es im Text. Nur 5 Prozent des Verkehrsaufkommens entfalle auf den ÖV – wobei sich diese Zahlen auf Deutschland beziehen. In vielen ländlichen Regionen stünden auch nur wenige ÖV-Verbindungen zur Verfügung, heisst es im Artikel.
Das sei auch für Menschen problematisch, die kein Auto fahren können. Doch wie liesse sich das ändern? «Die grössten Barrieren den ÖPNV zu nutzen, sind fehlende Direktverbindungen, ein unzureichender Takt und eine subjektiv als zu lange empfundene Fahrtdauer», heisst es im Artikel. «Hinzu kommen unübersichtliche Fahrpläne, Probleme der Erreichbarkeit und Zugänglichkeit von Bahnhöfen und Haltestellen, zu hohe Fahrpreise und unverständliche Tarifsysteme und wenig Stauraum für Einkaufstaschen oder Fahrräder.»
Angestrebt werden solle ein dreistufiges System: Ein übergeordnetes Bus- und Bahnnetz, das zentrale Orte über die Hauptachsen in einem dichten Takt verbinde. Zur kleinräumigen Erschliessung brauche es Regionalbus- und Schülerverkehr, der wichtige Siedlungs- und Gewerbegebiete mit der Fläche verbinde. Und für die Erschliessung von kleinen Siedlungen abseits von Verkehrsachsen seien flexible Bedienformen wie Linientaxis geeignet, die als Zubringer vom übergeordneten Bus- und Bahnnetz dienen.
«Sinnvoll ist zudem eine Infrastruktur, die zu den Menschen kommt oder nahe bei ihnen ist, wie beispielsweise rollende Arztpraxen und Supermärkte oder die Mehrfunktions- (Co-Working-Spaces) oder Bürgerhäuser», heisst es im Artikel weiter.
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