Sind Elektroautos zu gross? – Frankreich will mehr Cargovelos – Privatisiert Berlin seine S-Bahn? 🆓

Die Berliner S-Bahn wird neu organisiert. Bild: Morgengry / Pixabay

Autos werden immer schwerer und grösser. Das gilt auch für Elektroautos – und ist ein Problem. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland: Frankreich fördert den Transport von Gütern mit Velos und in Berlin befürchten Kritiker eine S-Bahn-Privatisierung.

von Stefan Ehrbar
8. Mai 2021

Sind neue Elektroautos zu gross?

Diese Frage wirft der Technikjournalist Götz Warnke in einer Analyse auf dem Portal sonnenseite.com auf. Jede Golf-Generation sei noch grösser als die vorherige und Parkplätze würden immer enger, weil immer grössere Autos darauf stünden. Das gelte auch für Elektroautos Dabei zeigten Zahlen, dass der Bedarf gar nicht gegeben sei: Ein Auto werde in Deutschland durchschnittlich 45 Minuten pro Tag genutzt, rund 40 Prozent gar nicht. Eine Untersuchung der HUK-Coburg habe zudem gezeigt, dass rund 50 Prozent aller Autos in einem Zeitraum von acht Monaten an keinem Tag mehr als 250 Kilometer zurücklegen. Der durchschnittliche Belegungsgrad betrage seit Jahren etwa 1,5 Personen pro Auto.

Gleichzeitig wünschten sich Autofahrern vor allem Zuverlässigkeit und eine kostengünstige und umweltfreundliche Mobilität. Würden diese Wünsche berücksichtigt, komme als Lösung das Elektroauto heraus. Doch auch dort ist der Trend zu grösseren Autos beobachtbar. Das müsste nicht sein, findet Warnke.

Bei den Distanzen, die Autofahrer im Durschnitt zurücklegen, müsse eine Elektroauto heute selbst bei überdurchschnittlichen Pendlerstrecken höchstens einmal pro Woche aufgeladen werden, so Warnke. Eine «mehr als ausreichende» Akku-Kapazität liegt laut Warnke demnach etwa zwischen 28,5 und 35 Kilowattstunden. Zum Vergleich: Das Standard-Modell des Tesla Model 3 hat eine Kapazität von 52 Kilowattstunden.

Die Karosserie könnte klein gehalten werden, indem sie in ihrer Frontpartie eher stromlinienförmig hoch als flach sind, zumal der Motor an die Achsen und der Akku in den Boden wandere. Die Seitenwind-Empfindlichkeit, die bei hohen Geschwindigkeiten wichtig ist und bei vielen Autos zur klassischen Form mit einer möglichst flachen Kühlerhaube führt, sei nämlich bei den üblichen Geschwindigkeiten und Einsatzzwecken von Autos nicht derart relevant.

Zudem hätten selbst kleine Elektroautos wie der Renault Zoe heute 5 Sitzplätze, wo auch drei bis vier in den allermeisten Fällen ausreichen würden. Zudem sollte der Fahrersitz laut Warnke vorn zentral in der Mitte angebracht werden. Das sorge für eine bessere Übersicht und mehr Sicherheit.

Das Auto der Zukunft müsse kleiner, leichter, energieeffizienter und sauberer werden. Ein wichtiger Vorteil von leichten Autos sei die höhere Reichweite bei gleicher Batteriekapazität. Es stelle sich die Frage, ob «das auch hier zu beobachtende zunehmende Wachstum Richtung 100 Kilowattstunden der allgemeinen Gigantomanie der Autoindustrie folgt.» Stattdessen müsse das Auto zurückgeführt werden zu einem Nutzobjekt anstelle von einer «Repräsentations-Ikone.»

Frankreich setzt auf Velo-Transporte

Die französische Regierung erarbeitet einen Plan zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im Güterverkehr mittels dem Veloverkehr. Das hat sie Anfang Woche bekannt gegeben. Gerade in Städten habe die Art und Weise der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern einen wichtigen Einfluss auf die Luftqualität. In vielen französischen Städten trügen Lieferungen mit Verbrennerfahrzeugen zu einer regelmässigen Überschreitung der zulässigen Grenzwerte bei. Obwohl der Güterverkehr etwa in Paris nur 15 bis 20 Prozent des Verkehrs ausmachte, verursache er 45 Prozent der Feinstaubemissionen.

Die Nutzung von Velos für Transportfahrten auf einer Distanz von unter 5 Kilometern sei eine saubere und schnell umsetzbare Lösung, die zudem wenig Fläche benötige und für einen grossen Teil der Lieferungen geeignet sei. Ein dreirädriges Cargovelo mit 1500 Litern Fassungsvermögen stosse 85 Prozent weniger CO2 aus als ein Verbrennerfahrzeug mit derselben Kapazität, heisst es im Papier des Umweltministeriums.

Im Jahr 2020 seien in Frankreich 354 Prozent mehr Cargovelos verkauft worden als im Jahr zuvor. Das Ziel des nationalen Plans sei es, die Nutzung dieses Transportmittels zu fördern, indem wirtschaftliche Anreize geschaffen werden und Infrastruktur bereitgestellt wird.

Über Energiesparzertifikate werden etwa Lieferungen mit Cargovelos subventioniert. Im ersten Jahr und für die ersten 500’000 Pakete werden bis zu zwei Euro pro Paket an Logistiker ausbezahlt, die auf Cargovelos setzen, im zweiten Jahr bis zu 1.30 Euro für 1,5 Millionen Pakete und im dritten Jahr 0,6 Euro für maximal 3 Millionen Pakete. Das Fördersystem wird vorerst in vier Städten getestet, die bereits Umweltzonen eingeführt haben, nämlich in Angers, Reims, in Paris-Est-Marne et Bois und in der Metropolregion Grenoble-Alpes. Ab Juni können zudem alle Städte, die eine Umweltzone eingerichtet haben, die Förderung beanspruchen.

Im Lauf des Jahres will Frankreich zudem den Kauf von Cargovelos für Berufstätige subventionieren. Einem entsprechenden Gesetz muss aber noch zugestimmt werden.

Neben der Förderung von Cargovelos investiert Frankreich derzeit auch Geld, um die Veloinfrastruktur insgesamt zu fördern und den Anteil der mit dem Velo zugelegten Wege zu erhöhen.

Wird die Berliner S-Bahn privatisiert?

Die Berliner S-Bahn steht vor der «grössten Organisations-Reform ihrer Geschichte», schreibt rbb24.de. Künftig sollen neue Wagen nicht mehr dem Verkehrsunternehmen gehören, sondern dem Land Berlin. Diese Idee geht zurück auf die Krise vor zwölf Jahren. Damals musste die Betreibergesellschaft Deutsche Bahn einen grossen Teil der Berliner S-Bahn-Flotte aus dem Verkehr ziehen, weil sie das Personal in den Werkstätten so reduziert hatte, dass die Fahrzeuge nicht mehr ausreichend gewartet werden konnten. Danach tauchte die Idee auf, dass das Land Berlin mit einem eigenen Fuhrpark weniger abhängig wäre vom Betreiber der Bahn.

Am Donnerstag hat nun das Abgeordnetenhaus die Gründung eines solchen landeseigenen Fahrzeugpools beschlossen. Dieser wird «Landesanstalt für Schienenfahrzeuge Berlin» (LSFB) heissen. Fast alle Parteien von links bis rechts stimmten dem Vorhaben zu. Für die S-Bahn-Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn würden nun erstmals Teillose ausgeschrieben, so rbb24.de. Einerseits werden damit Unternehmen gesucht, die den Verkehr betreiben und andererseits Firmen, die dafür neue Züge beschaffen und diese über 30 Jahre warten. Sobald die Züge zum Einsatz kommen, gehen sie in den Besitz des Landes Berlin über.

Damit sollen die Anschaffungskosten reduziert werden, weil das Land als Staatsunternehmen bessere Finanzierungskonditionen erhält. Zudem soll die Fahrzeugqualität steigen, weil das Beschaffungsunternehmen die Verantwortung für 30 Jahre trägt. Zudem soll die Zuverlässigkeit steigen, weil das Land im schlimmsten Fall einen neuen Betreiber suchen könnte, ohne die Fahrzeuge zu verlieren.

Allerdings wird das Vorhaben auch kritisiert. Das Bündnis «Bahn für Alle» warnt etwa davor, dass das Vorhaben ein Schritt in Richtung Privatisierung sei. Es befürchtet eine Zerschlagung der Berliner S-Bahn, falls die Deutsche Bahn in den Ausschreibungen verlieren sollte. Zum Bündnis gehören etwa die Gewerkschaften IG Metall und die Jugendorganisationen von SPD, Linken und Grünen. Sie stossen sich schon am Prinzip der geteilten Ausschreibungen an und für sich.



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