Die Radiobranche will aus dem Standard UKW aussteigen. Doch einzelne Akteure stellen sich quer – und noch immer wird die Technologie rege genutzt. Das Bundesamt für Strassen (Astra) schafft nun trotzdem Tatsachen und schaltet UKW in ersten Tunneln ab. Dort gibt es nur noch den Nachfolger DAB+. So erklärt sich das Amt.
von Stefan Ehrbar
30. Mai 2023
Der 22. April war ein guter Tag für Autofahrerinnen und -fahrer. Die dritte Gubriströhre wurde offiziell dem Verkehr übergeben. Ab Juli und nach Abschluss letzter Arbeiten stehen in Richtung Bern auf dem staugeplagten Abschnitt dann drei Spuren zur Verfügung.
Eine schlechte Nachricht war die Eröffnung des Tunnels allerdings für Autofahrer, die weiterhin auf ein UKW-Radio setzen und noch nicht auf den Nachfolger, den digitalen Radiostandard DAB+. Denn im neuen Tunnel ist kein UKW-Sender mehr eingebaut. Radio gehört werden kann ausschliesslich mit DAB+.
Das bestätigt das Bundesamt für Strassen (Astra) gegenüber Mobimag. Weil sich die Branche auf eine Abschaltung der UKW-Verbreitung per Ende 2024 geeinigt habe, habe sich eine Installation der UKW-Technologie für die Betriebszeit von rund eineinhalb Jahren nicht mehr gelohnt. Zudem stehe neues Material für UKW-Sender in Tunneln nicht mehr zur Verfügung.
«Entsprechend kann und wird das Astra bei einem Ausfall UKW-Material in einem Tunnel nicht mehr ersetzen», so Astra-Sprecher Jérôme Jacky.
Das betrifft nicht nur den neuen Gubrist-Tunnel, sondern auch bestehende Tunnelbauten. Zudem sind derzeit mehrere Tunnels in Bau, die ebenfalls nicht mehr mit UKW ausgerüstet werden, darunter sehr prominente.
So wird etwa die Einhausung Schwamendingen inklusive des sanierten Schöneichtunnels in der Stadt Zürich, die etwa Mitte 2024 fertiggestellt werden soll, über keinen UKW-Empfang mehr verfügen. Die zweite Gotthard-Röhre, durch die voraussichtlich ab 2029 Fahrzeuge rollen, wird ebenfalls nur noch mit DAB+ ausgerüstet. Und die beiden älteren Gubrist-Röhren, die nun bis 2027 saniert werden, verlieren im Zug dieser Sanierung ebenfalls ihre UKW-Fähigkeit.
Bereits mit DAB+ ausgerüstet hat das Astra rund 200 Tunnel ab einer Länge von 300 Metern, in den meisten werden allerdings auch UKW-Signale verbreitet. «Neue Tunnel werden bereits seit längerem standardmässig mit DAB+ ausgerüstet», so Jacky. Die Kosten dafür trage das Astra.
Radioempfang in Autotunnels ist nicht nur ein «nice-to-have». «Ein guter Radioempfang in den Strassentunnel dient nicht nur dem Komfort der Reisenden, sondern auch der Sicherheit», sagt Jacky. Wie bei UKW-Radioanlagen könnten Einsatzkräfte auch bei der DAB+-Technologie im Ereignisfall die jeweiligen Programme für die Verkehrs- und Sicherheitsmitteilungen unterbrechen. «Hierfür müssen aber Verkehrsteilnehmende die richtige Frequenz gewählt haben bzw. DAB+-Radio hören.»
Allerdings war dies auch schon wichtiger. «Viele Verkehrsteilnehmende hören nicht mehr Radio, sondern streamen Musik via Handy, so dass die Bedeutung der Einsprachen via Radio an Bedeutung verloren haben». Wer via UKW Radio hört, kann in den neuen Tunneln nicht mehr mit erzwungenen Durchsagen erreicht werden.
Mittlerweile hat DAB+ hierzulande UKW überholt. Im Frühling 2022 machten DAB+ und das Radiohören über Internet laut Zahlen der Arbeitsgruppe Digimig bereits 75 Prozent der Radionutzung aus. Die UKW-Nutzung kam auf noch 25 Prozent. Während die Radionutzung am Arbeitsplatz und zuhause bereits fast ausschliesslich digital stattfindet, ist der Prozess bei Autoradios noch nicht so weit fortgeschritten. Laut den Digimig-Zahlen wurden im Frühling vor einem Jahr 51 Prozent der Minuten via DAB+ gehört und 11 Prozent via Internet. 38 Prozent der Nutzung erfolgten aber weiterhin via UKW, was damit einen ansehnlichen Teil ausmacht.
Nicht nur deshalb stellt sich aber die Frage, ob das Astra vorschnell agiert. In der Radiobranche gibt es Widerstand gegen das geplante Abschaltdatum von UKW Ende 2024. Weil sich unter anderem Radio-1-Chef Roger Schawinski und Akteure aus der Westschweiz dagegen sträuben, plant die Branche nun mit einer mehrjährigen Fade-Out-Phase. Ob es überhaupt noch einen einzigen Abschalttermin geben wird, ist offen, wie Jürg Bachmann, Präsident des Verbands der Privatradios im April zu persönlich.com sagte.
Das Astra geht allerdings weiterhin vom UKW-Aus Ende 2024 aus – und verweist für mehr Informationen zur Abschaltung an das zuständige Bundesamt für Kommunikation (Bakom). Dort tönt es allerdings weniger forsch als auch schon. «Die UKW-Funkkonzessionen laufen Ende 2024 aus», sagt Bakom-Sprecher Francis Meier. Das wäre die Möglichkeit, die Technologie gleich ganz abzuschalten – was ursprünglich schon für dieses Jahr geplant war. Aber: «Das Bakom hat Kenntnis davon, dass innerhalb der Radiobranche über einen befristeten UKW-Weiterbetrieb nach 2024 diskutiert wird. Es hält sich über den Stand der Diskussionen auf dem Laufenden.» Auf die Äste wagen will sich das Bakom nicht: «Eine Verlängerung der Funkkonzessionen würde eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen erfordern», so Meier nur. Von diesen neuen Diskussionen scheint das Astra nichts mitbekommen zu haben.
Immerhin: Die Digitalisierung dürfte auch in Autos weiter an Tempo zulegen. Seit Ende 2020 ist die Ausrüstung mit DAB+ in allen Neuwagen in der EU Pflicht, auch hierzulande werden kaum mehr neue Fahrzeuge ohne DAB+ verkauft. Mit Transmittern lassen sich zudem auch ältere Autos nachrüsten.
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