Sogar in grossen Städten mit gut ausgebautem ÖV nimmt der Autobesitz in Deutschland zu. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Die Niederlande investieren noch einmal über eine Milliarde Euro ins Velo – und der globale Warenverkehr nimmt unbeeindruckt von Krisen zu.
von Stefan Ehrbar
18. November 2022
Mehr Autos in den deutschen Städten
Sogar in deutschen Städten mit gut ausgebautem öffentlichen Verkehr hat die Zahl der Autos zuletzt zugenommen. Das zeigt eine Analyse der «Zeit» basierend auf Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes, welche die Zeitung mit Einwohnerzahlen abgeglichen hat. Gewerblich zugelassene Fahrzeuge hat sie herausgerechnet.
In ganz Deutschland kommen 520 private Autos auf 1000 Einwohner (in der Schweiz sind es 541). In den Grossstädten mit mehr als 100’000 Einwohnern hat sich die Autodichte zwischen 2017 bis 2021 um knapp drei Prozent erhöht, in urbanen Kreisen um knapp vier Prozent.
«Bemerkenswert ist, dass die private Autodichte in jedem einzelnen Kreis und jeder Stadt stieg. Keiner Region ist es also in den vergangenen fünf Jahren gelungen, die Zahl der Privatwagen je Einwohner zu senken», heisst es im Artikel. Den grössten Erfolg könnten mit einer Stagnation noch München und Leipzig verzeichnen.
Allerdings ist der ÖV nicht ganz ohne Einfluss auf den Autobesitz. An Orten, in denen viele Busse und U-Bahnen oder Trams fahren, sind tendenziell weniger Autos pro Einwohner zugelassen, heisst es im Artikel, der mit einer interaktiven Grafik aufwartet. Auch hier gebe es aber Ausnahmen.
In den ostdeutschen Bundesländern ist die Autodichte trotz geringer Besiedlungsdichte niedriger als in westdeutschen, was unter anderem auf das tiefere Einkommensniveau zurückzuführen ist.
In Berlin, der «Hauptstadt des Autoverzichts», sank gemäss der Analyse die Autodichte zwar zwischen 2012 und 2017, seit 2019 nehme sie aber wieder zu.
Die Zunahme des Autobesitz erklärt die Zeitung unter anderem mit einer Zunahme der Zahl der Arbeitnehmer und der Erhöhung der durchschnittlichen Monatslöhne, dem Zeitgewinn durch das Pendeln mit dem Auto oder den kleiner werdenden Haushalten. Diese Entwicklung mache es schwieriger, ein Auto mit der Familie zu teilen.
Niederlande investieren in den Veloverkehr
Die Niederlande gelten bereits als Velo-Paradies schlechthin – und haben in den vergangenen Jahren Milliarden dafür investiert. Nun geht das Land noch weiter.
Insgesamt sollen noch einmal 1,1 Milliarden Euro (umgerechnet 1,1 Milliarden Franken) in neue Abstellanlagen für Velos (etwa 3500 neue Stellplätze an den Bahnhöfen Utrecht und Goes), durchgehende Velowege sowie Tunnels und Brücken für Velos investiert werden. Das gaben der niederländische Infrastrukturminister Mark Harbers und die Staatssekretärin für Infrastruktur Vivianne Heijnen diese Woche bekannt. Darüber berichtet die Velolobby-Organisation Fietsersbond.
Die Zentralregierung will 780 Millionen Euro bereitstellen, den Rest sollen die Gemeinden und Provinzen finanzieren. Die Direktorin des Fietsersbond sagt, die Organisation sei sehr erfreut über diese Nachricht. «Eine gute Infrastruktur ist Voraussetzung dafür, dass mehr Menschen aufs Velo umsteigen und auch beim Velofahren bleiben.»
Mit dem neuen Paket soll es unter anderem Tunnels und Brücken über Autobahnen oder Eisenbahnlinien geben. So können auch mit dem Velo mehr Wohngebiete erreicht werden, die heute durch diese Infrastruktur von Velowegen getrennt sind.
Das Mobilitätsdenken der Behörden in den Niederlanden habe sich geändert, heisst es beim Fietsersbond. Das Velo werde mittlerweile als vollwertig angesehen.
Das Velo hat in den Niederlanden bereits einen Anteil von 27 Prozent an allen Fahrten. In den Städten ist der Anteil sogar noch höher. Diese Entwicklung kam mit einer guten Infrastruktur. Der grossflächige Bau von Velowegen geht unter anderem auf die in den 70er-Jahren entstandene Protestbewegung «Stoppt den Kindermord» zurück, die anprangerte, dass damals bis zu 500 Kinder jährlich im Strassenverkehr getötet wurden. Der Erfolg der Bewegung und die Ölkrise sorgten dafür, dass die Behörden zusehends in die Veloinfrastruktur investierten und andererseits das Auto in den Städten einschränkten – eine Maxime, die bis heute gelebt wird.
Globaler Warenverkehr nimmt weiter zu
Weder die Coronakrise noch der Krieg Russlands gegen die Ukraine vermochten dem Welthandel etwas anzuhaben: Der globale Warenverkehr wächst unaufhörlich. Das belegt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey, über welche die «Süddeutsche Zeitung» diese Woche berichtete.
Nach einem anfänglichen Einbruch in der Pandemie habe der globale Warenverkehr wieder ein Rekordniveau erreicht, heisst es im Artikel. Die Studienautoren begründen dies damit, dass sich der Konsum während der Lockdowns und in der Zeit der Halten-Sie-Abstand-Empfehlungen nicht verlangsamt, aber verlagert habe – etwa, in dem Menschen mehr Geld in die Ausstattung ihrer Wohnungen investierten.
Zudem gaben die Menschen in dieser Zeit mehr Geld für Waren statt Dienstleistungen aus. Ebenfalls Wirkung zeigen Konjunkturmassnahmen von Regierungen.
Auch für das Jahr 2022 erwarten die Experten ein leichtes Wachstum beim Warenverkehr. Die «Gewinnerin auf dem globalen Weltmarkt» sei China. «Das Land exportierte 2021 mehr als 60 Prozent der Produkte aus jener Kategorie, die ausschliesslich von einem Land produziert werden», heisst es im Artikel. «Elektronik und Textilien werden von hier aus in die Welt geschickt. Zusätzlich gewinnt China in fast allen Wertschöpfungsketten, die das Institut analysierte, an Bedeutung hinzu.»
Ebenfalls wichtig bei den Exporten ist der Rest Asiens. Dieser Raum trägt laut der Studie bereits überproportional viel zu den Ausfuhren von Mineralien bei, etwa Lithium und Graphit – beides Rohstoffe, die unter anderem für den Bau von Elektroautos respektive deren Batterien benötigt werden.
Europa hingegen habe auf dem Weltmarkt eine ganz andere Position. Hierher werde vor allem importiert. Ganz besonders treffe das auf Energie zu. Im Jahr 2021 deckte Europa 50 Prozent seines Energiebedarfs aus anderen Ländern.
Allerdings ist sowieso keine Weltregion autark. Jede Region importiert gemäss McKinsey mehr als 25 Prozent einer wichtigen Ressource oder eines Guts aus einem anderen Land.
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