TCS-Zürich-Chef Andreas Häuptli: «Dass Links-Grüne inklusive GLP in Kauf nehmen, den ÖV zu schwächen, ist unverständlich»

Andreas Häuptli leitet die TCS-Sektion Zürich. Bild: zvg

Andreas Häuptli leitet die Zürcher TCS-Sektion. Im Interview sagt er, warum die Stadt keine Strassenkapazität abbauen darf, wieso er dafür plädiert, den Zürcher Stadttunnel noch einmal zu prüfen, weshalb er den Linken die Schwächung des öffentlichen Verkehrs vorwirft und weswegen der TCS jetzt Unterschriften sammelt.

von Stefan Ehrbar
31. Januar 2023

Herr Häuptli, die Stadt Zürich will auf 150 Kilometern Strasse Tempo 30 einführen. Ihre Sektion kritisiert das: Es drohe eine Verkehrsverlagerung in die Wohngebiete, heisst es in einer Mitteilung vom Dezember 2021. Worauf stützen Sie sich dabei?
Wird Tempo 30 flächendeckend eingeführt, suchen sich die Verkehrsteilnehmer – und deren Navigationsgeräte – den kürzesten Weg und dieser führt oft durch bereits zurecht beruhigte Wohnquartiere. Das kann nicht das Ziel sein.

Vor kurzem hat die Stadt ihre konkrete Planung vorgestellt. Zunächst soll Tempo 30 auf Strassen eingeführt werden, an denen viele von Lärm Betroffene wohnen, etwa an der Seebahnstrasse. Was halten Sie von den Plänen der Stadt?
Es ist auf jeden Fall richtig, dem Lärmschutz gerecht zu werden. Es muss aber die Verhältnismässigkeit gewahrt werden. Hauptverkehrsachsen wie die Seebahnstrasse sind dafür da, den Verkehr rasch durch die Stadt zu führen und sind Teil des übergeordneten Netzes. Dieses verliert mit Tempo 30 seine Funktion. Damit droht dann eben Mehrverkehr in den Quartieren.

Werden sie dagegen vorgehen? Wenn ja: Auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln?
Wir beobachten die Umsetzung und behalten uns vor, gegen Massnahmen vorzugehen, welche wir betreffend Verbesserung der Verkehrssicherheit und des Lärmschutz als wirkungslos betrachten.

Lärmschutz ist eine gesetzliche Aufgabe. Tempo 30 senkt die Lärmimmissionen nachweislich. Wieso sträubt sich der TCS dagegen?
Der TCS sträubt sich nicht dagegen. Dass Tempo 30 bei weitem nicht immer den gewünschten Effekt hat, weiss die Stadt Zürich sehr gut. In einer einer Studie der Stadt Zürich wurden die angepeilten 3 dB Entlastung nie erreicht. Zudem sind die Grenzwerte zu überprüfen. Hier hat Bundesrätin Sommaruga als eines ihrer letzten Geschäfte den Ball neu ins Rollen gebracht.

Wie würden sie den Lärmschutz stattdessen angehen?
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, wie Lärmschutzfenster und auch lärmarme Beläge. Zudem werden die Autos durch die Elektrifizierung immer leiser.

In ihrer erwähnten Mitteilung vom Dezember 2021 heisst es, der TCS unterstütze den Ausbau eines sicheren Velonetzes. Der bestehende Strassenraum könne genutzt werden, wenn das für heutige Verkehrsnutzende keine Kapazitätseinschränkungen bedeute. Ist damit der Aufbau einer separaten Velo-Infrastruktur überhaupt möglich?
Es ist die Aufgabe der Stadt Zürich eine Umsetzung der städtischen Initiative für Velovorzugsrouten umzusetzen. Der Strassenraum ist in der Tat beschränkt. Hier ist ein gesundes Augenmass nötig. Dass die Stadt in der Umsetzung nicht vorankommt, liegt vor allem daran, dass die Velo-Lobbyisten die Umsetzung mit Maximalforderungen torpedieren.

Die Stimmberechtigten der Stadt Zürich haben gegen den Widerstand des TCS sowohl den Verkehrs- als auch den Siedlungsrichtplan angenommen und damit den Weg für Tempo 30, Velorouten und Parkplatzabbau geebnet. Worauf führen Sie diese Niederlage an der Urne zurück?
Es ist nicht in genügendem Masse gelungen, aufzuklären was da genau zur Abstimmung gestanden ist. Richtpläne sind äusserst komplexe Gebilde. Man muss sich schon sehr intensiv damit beschäftigen, damit man alle Aspekte und Auswirkungen einordnen kann. Wir haben es nicht geschafft die aus unserer Sicht problematischen Punkte bereit zu kommunizieren. Die Zustimmung zu den beiden Richtplänen ist aber ein demokratischer Entscheid, den es zu respektieren gilt. Der grossflächige Abbau von hunderten von Parkplätzen in den Wohnquartieren hat begonnen, sehr oft gegen den Willen der Anwohner. Diese waren sich wohl nicht bewusst, dass Sie mit Ihrem Ja genau dies beschlossen haben.

Wie viel Abbau von Strassenkapazitäten würden sie der Stadt zugestehen?
Keinen. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung ist es überhaupt nicht angezeigt, Kapazität abzubauen. Dies ist auch aus Sicht der kantonalen Verfassung, Stichwort «Antistau-Artikel», nicht zulässig. 

Das Stadtzürcher Parlament hat den Parkplatzkompromiss beerdigt. Was hat das aus ihrer Sicht für Folgen?
Dass in der Innenstadt nun ohne Kompensation Parkplätze abgebaut werden können, dürfte dem Gewerbe schaden. Premium-Boutiquen und Spezialitätengeschäften werden wohl weniger leiden als Geschäfte für die breite Masse, die es auch in Shopping Centern ausserhalb der Stadt gibt.

Es gibt Studien, wonach in autofreien Strassen mehr Umsätze erzielt werden. Braucht es in den Städten noch Parkplätze vor jedem Geschäft?
Nein, das nicht. Mit dem Parkplatzkompromiss hat man ja auch schon das Ziel verfolgt, Parkplätz von der Oberfläche in Tiefgaragen zu verlegen. So wurden schöne Stadträume geschaffen, wie beispielsweise der Sechseläutenplatz. Ab jetzt wird nur noch abgebaut. Das wird zu lästigem Suchverkehr in den Quartieren führen.

Das Auto benötigt mehr Fläche als andere Verkehrsmittel, was insbesondere in Städten ein Problem ist. Wie könnte dieses Problem angegangen werden?
Indem die Städte sich in den umliegenden Regionen dafür einsetzen, dass der Umstieg auf den ÖV einfach gestaltet werden kann. Hier kann auch die Digitalisierung helfen. So wären Kombi-Tickets fürs Parkieren und den ÖV wünschenswert. Auch ein Reservationssystem in Parkhäusern wäre eine Möglichkeit, den Verkehr in der Innenstadt einzudämmen..

Was halten Sie von Ideen wie der Pflicht zur Benützung von privaten Parkplätzen (sofern vorhanden) oder dem Bau von Quartierparkhäusern?
Das ist in der Theorie eine schöne Idee. In der Stadt Zürich gibt es aber kaum freie und vor allem bezahlbare Flächen, auf denen Parkhäuser gebaut werden könnten.

Mit der ÖV- und der Mobilitäts-Initiative haben FDP und SVP Initiativen auf Ebene Kanton lanciert, die Tempo 30 auf Hauptstrassen verhindern sollen respektive die Mehrkosten für den ÖV den Gemeinden aufbürden wollen. Wie steht der TCS zu diesen Initiativen?
Beide Initiativen machen Sinn. Es geht darum klare kantonal Richtlinien festzulegen, die den Gemeinden helfen, Tempo 30 einheitlich umzusetzen und den Verkehrsfluss aufrecht zu erhalten.

Wird der TCS die Unterschriftensammlung unterstützen?
Ja, wir haben dies im Falle der ÖV-Initiative getan und unterstützen auch die nun laufende Unterschriftensammlung für die Mobilitätsinitiative der bürgerlichen Parteien.

Der Kanton Zürich will, dass das Wachstum des Verkehrs grösstenteils vom ÖV aufgefangen wird. Unterstützen Sie dieses Ziel?
Es ist absolut in unserem Sinne, die ÖV-Kapazitäten auszubauen und den ÖV auch von den Kosten für die Nutzer her attraktiv zu halten. Da muss in den nächsten Jahren viel passieren. Schon heute ist es in den Stosszeiten sehr unangenehm voll in den S-Bahn, Bussen und Trams. Dass links-grüne, inkl. GLP in Kauf nehmen, den ÖV mit Tempo 30 zu schwächen ist unverständlich.

Wo bräuchte es aus ihrer Sicht im Kanton Zürich Ausbauten der Strasseninfrastruktur?
Da gibt es einerseits die Dauerbrenner wie die Lückenschliessung in der Oberlandautobahn, die Glattalautobahn, den Hirzeltunnel, die Umfahrung Eglisau sowie diejenige in Grüningen. Dafür sind viele kleinere, regionale Projekte die dem Auto und dem Velo zu Gute kommen geplant. Andererseits muss man sich überlegen wie man den Verkehr besser kanalisiert. Dafür eignen sich die schon vor langer Zeit angedachten Tunnel. Es ist an der Zeit, diese nochmals ernsthaft zu prüfen. Sie würden der Stadt Zürich vom Durchgangsverkehr entlasten.

Ungelöst ist das Problem Rosengartenstrasse. Welche Möglichkeiten sehen Sie?
Falls Sie damit dem Lärmschutz ansprechen, dann ist dort mit Tempo 30 kaum eine befriedigende Lösung gefunden. Bei diesem stark ansteigenden Gelände bringt Tempo 30 lärmmässig keine Entlastung. Am wirkungsvollsten wären hier Lärmschutzfenster. Erstaunlicherweise weigert sich aber ein Teil der Anwohner solche installieren zu lassen.

Wie stehen Sie zu Mikromobilität, also etwa E-Scootern?
Ich persönlich finde die E-Trottis eine gute Sache. Die Miet-Trotti haben sich etabliert und sind sehr beliebt. Problematisch und auch ärgerlich ist das ungeordnete Abstellen und das nicht einhalten der Verkehrsregeln. Wir haben in der Firma ein E-Trotti, das ich gerne in Kombination mit dem ÖV nutze.

Wie bewegen Sie sich selbst fort?
Ich fahre mit dem Auto zur Arbeit. Mein Büro in Volketswil ist mit dem ÖV nicht gut erschlossen. In der Freizeit nutze ich im Sommer gerne die Vespa. Bewege ich mich in der Stadt nehme ich immer den ÖV oder eben auch das E-Trotti. Sehr gerne bin ich zu Fuss unterwegs. So kann man gerade auch in der Stadt Zürich gut neue Orte entdecken.

Nächste Woche auf mobimag.ch: Das Interview mit Städteverbands-Präsident Anders Stokholm u.a. zu seiner Forderung nach Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsachsen.

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