Swiss-eMobility-Chef Krispin Romang im Interview: «Unsere international tätigen Partner schütteln nur den Kopf über die Schweiz»

Krispin Romang ist Direktor des Verbands Swiss eMobility. Bild: zvg

Krispin Romang ist Geschäftsführer des Verbands Swiss eMobility. Im Interview sagt er, warum die Schweiz in Sachen Elektromobilität «das untätigste Land Europas» ist, wieso es ohne das «Recht auf Laden» nicht geht und was er vom Trend zu immer schwereren Fahrzeugen auch bei den Elektroautos hält.

von Stefan Ehrbar
20. Februar 2023

Herr Romang, laut einer Mitteilung ihres Verbands belegt die Schweiz im europaweiten Vergleich beim Anteil der BEV und PHEV Rang 8. Ist das ein gutes Resultat oder ein schlechtes?
Wir fallen wie befürchtet zurück. Darüber sind wir natürlich nicht glücklich. Die ungünstigen Voraussetzungen bei den Heimladestationen werden teilweise durch ein hervorragendes öffentliches Ladenetz kompensiert. Deshalb sind wir mit dem Resultat zufrieden.

Die Schweiz hat bisher – mit wenigen kantonalen Massnahmen – auf finanzielle Förderung des Kaufs von Elektroautos verzichtet. War das die richtige Entscheidung?
Finanzielle Förderung beim Kauf des Fahrzeuges hat unbestritten Wirkung auf die Absatzzahlen. Es macht jedoch mehr Sinn, Fördergelder bei den Ladeinfrastrukturen einzusetzen.

Mit tieferen Preisen kommen die Elektroautos im Massenmarkt an, womit sie auch für Mieter interessant sind. Laut ihrem Verband wird das zum Problem, weil Mieter nicht über die Ladestationen entscheiden können. Wie lässt sich das Problem lösen?
Im bestmöglichsten Fall geben Vermieter das Ladesystem vor und tätigen die dafür nötigen Initialinvestitionen. Die technischen Lösungen sind verfügbar, bei Bedarf ebenso Partner für die Finanzierung. Wir machen leider regelmässig die Erfahrung, dass Vermieter den Mieterinnen und Mieter Ladelösungen verwehren. Deshalb braucht es wohl oder übel eine verpflichtende Regulierung.

Der Bundesrat ist aber gegen das Recht auf Laden. Stattdessen setzt er auf die finanzielle Förderung von Ladestationen, die mit dem neuen CO2-Gesetz ab 2025 möglich sein soll. Reicht das?
Nein. Ohne eine signifikante Verbesserung der Ladebedingungen bei Mietern und Stockwerkeigentümer sind wir für die bevorstehende Entwicklung nicht bereit.

Müssten die Fördermassnahmen des Bundes zudem vorgezogen werden?Fördermassnahmen werden jetzt benötigt, nicht erst 2025.

Der Bundesrat hat sich auch gegen die tiefere Besteuerung von elektrisch angetriebenen Geschäftsautos ausgesprochen. War dies ein Fehlentscheid?
Es geht nicht um eine tiefere, sondern um eine faire Besteuerung. Fahrzeuge mit alternativen Antrieben bezahlen monatlich mehr, weil sie in der Anschaffung teurer sind. Die fehlende Bereitschaft, diese Ungerechtigkeit zu beheben, ist beachtlich. Unsere international tätigen Partner schütteln nur den Kopf. Bei unseren Nachbaren wurde der Missstand längst behoben. Wir sprechen seit ewig darüber, passiert ist nichts.

Macht die Schweiz also nicht genug für die Elektrifizierung des Strassenverkehrs?
Wenn sie mit «der Schweiz» die öffentliche Hand meinen, dann klar nein. Wir sind wohl das untätigste Land in Europa. Die privaten Akteure auf dem Schweizer Markt sind hingegen sehr aktiv.

Bei einer Strommangellage müssten Besitzer von Elektroautos sich einschränken, noch bevor etwa Skilifte oder Kinos geschlossen würden. Hat dies der Branche geschadet? Müsste dieser Entscheid rückgängig gemacht werden?
Es handelt sich nicht um einen Entscheid. Doch bereits der unsinnige Vorschlag verursacht Verunsicherung und schadet so der Elektromobilität. Es ist erschreckend zu sehen, dass eine so undurchdachte Vorlage vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt wird. Sie steht diametral gegen sämtliche Klima- und Energieziele des Bundes. Zudem ist sie so wirkungslos. Denn die nicht getätigte Fahrt hat keinen unmittelbaren Einfluss auf eine Strommangellage. Wenn, dann müsste man das Laden regulieren. Andererseits ist der Vorschlag klar diskriminierend. Jede Art von Mobilität benötigt Strom. Wieso sollte man einen schlecht ausgelasteten Zug benutzen dürfen, jedoch das Elektroauto nicht? Umso mehr, wenn das Auto vor der Mangellage – vielleicht sogar mit eigenem Solarstrom – geladen wurde. Und ja, es ist unsinnig, dass der Skilift läuft, während man die Kinder nicht mit einem Elektroauto zu den Grosseltern bringen darf.

Die Energiefrage wird intensiv diskutiert. Ist die Schweiz vorbereitet für die vollständige Elektrifizierung des Strassenverkehrs?
Nein. Die vollständige Elektrifizierung wird nicht von heute auf morgen vollzogen. Aber sie wird früher Tatsache sein, als viele denken. Wir gehören wie gesagt nicht zu den Schnellsten und das eingeschlagene Tempo bei der Vorbereitung wird noch für viel Frustration und hohen Mehrkosten führen. Beispielsweise die Digitalisierung der Stromnetze haben wir komplett verschlafen. Die Vollelektrifizierung wird kommen, egal ob wir dazu bereit sind oder nicht.

Rechnen Sie mit Einschränkungen für Elektroautos in kommenden Wintern?
Der Vorschlag mit der Einschränkungen wurde von allen Seiten kritisiert. Deshalb gehe ich davon aus, dass der Bundesrat von solchen Massnahmen absehen wird.

Unter den hierzulande best verkauften Elektroauto-Modellen sind viele schwere, grosse Autos wie das Tesla Model Y oder der der Skoda Enyaq. Kritiker sagen: Damit werden die Verkehrsprobleme nicht gelöst – im Gegenteil. Solche Autos bieten keine Verbesserung in Sachen Sicherheit und Verschleiss der Infrastruktur. Was entgegnen sie?
Der Trend zu grossen und schweren Autos ist bei allen Antrieben feststellbar. Die Schweiz liebt seit jeher schwere und stark motorisierte Autos, dies ist mit dem Elektroauto nicht anders. Das eCarsharing wird wohl der stärkste Treiber für den Einsatz von leichteren und noch energieeffizienteren Fahrzeugen sein.

Auch bei Elektroautos ist dieser Trend in Richtung schwerer, grösser, stärker motorisiert zu beobachten. Halten Sie dies für problematisch??
Wie gesagt, dieser Trend ist antriebsunabhängig und trifft nicht nur auf Elektroautos zu. Aufgrund von Batteriepreis und -gewicht erfolgte der Markteintritt der Elektroautos vor allem über die schweren Fahrzeuge. Mittlerweile sind Stromer aber in allen Fahrzeugklassen mit attraktiven Produkten vertreten.

Die Elektromobilität wird häufig als emissionsfrei vermarktet, ist es aber nicht. Laut Zahlen des PSI verursacht etwa das Tesla Model Y bei durchschnittlicher Nutzung über die ganze Lebensdauer 32 Tonnen CO2. Wie tief können diese Zahlen in Zukunft sinken?
Die Autobranche musste früher nur Rechenschaft für die Emissionen im Betrieb ablegen. Es liegt daher auf der Hand, dass man deshalb das Elektroauto mit der Aufschrift «zero emission» verkaufte. Erst seit der Elektromobilität stellt man sich der Frage, wie viele Emissionen bei der Bereitstellung der Energie anfallen. Noch vor wenigen Jahren musste dieser Wert nur beim Elektroauto auf der Energieetikette angegeben werden. Erst seit kurzer Zeit werden die verschiedenen Antriebe miteinander verglichen und die grossen Vorteile des Elektroautos werden ersichtlich. Gemäss dem Paul Scherrer Institut werden die Treibhausgasemissionen von Elektroautos in der gesamten Wirkungskette bis 2040 von 122.2 auf 101.4g CO2-Äquivalent/km sinken. Zum Vergleich: beim Benziner sind es von 293.7 auf 194.8g, beim Auto mit Brennstoffzelle und Wasserstoff von 186.6 auf 155.3g.

Eine zum Teil schlechtere CO2-Bilanz als Verbrenner haben oft Plug-In-Hybride. Braucht es diese Technologie aus ihrer Sicht noch oder sollte sich die Branche auf vollelektrische Fahrzeuge konzentrieren?
In vertrauenswürdigen Studie weissen die Plug-In-Hybride bessere CO2-Werte auf als Verbrenner. Anderslautende Aussagen beziehen sich auf ein spezifisches Szenario oder sind Behauptungen. Die Zukunft gehört aber klar dem rein elektrischen Auto, die Plug-In-Hybride sind eine Übergangstechnologie.

Kritisiert wird oft auch die Beschaffung von Rohstoffen für die Batterien – etwa, weil für die Förderung von Lithium sehr viel Wasser benötigt wird. Kobalt wiederum wird zum Teil unter katastrophalen Bedingungen gefördert. Wie kann dieses Problem gelöst werden?
Die Menschheit tut sich mit der Förderung von Rohstoffen seit jeher schwer. Lithium und Kobalt werden nicht erst seit der Elektromobilität benötigt. Jede und jeder hat Mobiltelefon und Laptop. Dies reichte jedoch nicht aus, um genug Druck für faire und möglichst umweltfreundliche Abbaubedingungen zu schaffen. Die Förderung von Rohöl hat seit einem Jahrhundert katastrophale Folgen für Mensch und Umwelt. Es gibt verschiedene Bestrebungen, beispielsweise werden in Batterien zukünftig weniger Kobalt benötigt. Es bleibt viel zu tun. Ich empfehle zu dieser Thematik den Film «Rausch Hour» (bei Play Suisse der SRG gratis schauen).

Viele Städte setzen in ihrer Verkehrspolitik auf den Fussverkehr, das Velo und den ÖV, weil diese platzsparender und sicherer sind. Wie positioniert sich ihr Verband in der Frage, wie der Strassenraum in Städten künftig aufgeteilt werden soll?
Swiss eMobility setzt sich für die Elektrifizierung des Antriebes ein, nicht nur beim Auto. In den Städten gibt es für viele Anwendungszwecke bessere Lösungen als das Auto im Privatbesitz.

Wie bewegen Sie sich selbst fort?
Ich bin mit meiner Familie multimodal unterwegs. Wir benutzen vom ÖV übers Velo bis zum Lastenrad verschiedene Verkehrsmittel und nutzen auch Sharing-Angebote. Wenn ich motorisiert unterwegs bin, dann natürlich ausschliesslich elektrisch.

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