Welches Verkehrsmittel hat in einer monetären Betrachtung die beste Bilanz? Eine neue Studie aus München ergänzt die bisherigen aus der Schweiz bekannten Daten für den Stadtverkehr – und zeigt: Der elektrisch betriebene öffentliche Verkehr schneidet am besten ab. Das Velo könnte aufholen, beim Auto bringt selbst die Elektrifizierung wenig.
von Stefan Ehrbar
30. Januar 2023
Welches Verkehrsmittel soll wie viel Platz auf den Strasse erhalten, welches soll gefördert werden, welches eingeschränkt? Es sind die grossen Fragen der Verkehrspolitik. Um sie beantworten zu können, sind die Experten auf Zahlen angewiesen, mit denen sich der Nutzen und die Kosten von einzelnen Verkehrsmitteln quantifizieren lassen.
Die populärste Methode dafür ist die Berechnung von externen Kosten. In dieser Betrachtung werden die Kosten, die ein Verkehrsmittel verursacht – etwa durch Lärm, Schadstoffe, Platzverbrauch oder Unfallkosten – dem Nutzen gegenübergestellt, etwa dem Gesundheitsnutzen des Veloverkehrs. So lässt sich berechnen, wie viel Geld ein mit einem Verkehrsmittel zurückgelegter Kilometer die Allgemeinheit kostet. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den internen Kosten um jene, die von den Nutzern selbst bezahlt werden – etwa Treibstoffkosten, Fahrzeugsteuern oder die Kosten für die Anschaffung eines Velos oder ÖV-Abos.
Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) berechnet in regelmässigen Abständen die externen Kosten für verschiedene Verkehrsmittel in der Schweiz (Mobimag berichtete). Im Jahr 2019 betrugen diese über alle Verkehrsmittel hinweg 14 Milliarden Franken.
Am besten schneidet laut dem ARE hierzulande das zu Fuss gehen mit einem externen Nutzen von 9,5 Rappen pro Kilometer ab. Es folgen der öffentliche Schienenverkehr mit externen Kosten von 3,4 Rappen pro Kilometer, das Velo (4,1 Rappen pro Kilometer), der öffentliche Strassenverkehr (6,5 Rappen pro Kilometer) und das private Auto mit 7,8 Rappen pro Personenkilometer.
Das Problem an dieser Betrachtung ist, dass sie relativ undifferenziert verschiedene ÖV-Arten vermischt. So wird etwa kein Unterschied gemacht zwischen einem Tram, einem Trolleybus oder einem Dieselbus – und auch unterschiedliche Auslastungen auf dem Land und in der Stadt werden nicht berücksichtigt. Diese haben aber das Potenzial, die Rechnung deutlich zu verändern.
In diese Lücke stösst nun eine neue Studie, die Mitte November im Journal «Research in Transportation Economics» veröffentlicht wurde. Die Autoren um Daniel Schröder von der TU München haben am Beispiel der Stadt München die externen Kosten verschiedener Verkehrsmittel untersucht. Ihre Analyse erlaubt eine deutlich detailliertere Auflistung der Kosten für im Stadtverkehr relevante Verkehrsmittel, als es bei den ARE-Zahlen der Fall ist. Zudem ist München gut vergleichbar etwa mit Zürich, wenn auch der Anteil des ÖV tiefer und jener des Autos höher ist.
Für die Studie wurden die externen Kosten von verschiedenen ÖV-Arten (Dieselbus, Tram, Metro, Regionalzug), verschiedenen individuellen Transportmitteln (Auto aufgeschlüsselt nach Antriebsart, Motorrad, Moped), verschiedenen geteilten Verkehrsmitteln sowie dem Fuss- und Veloverkehr untersucht. Die Resultate sind erstaunlich.
In einem Überblick haben die Autoren die externen Kosten verschiedener Transportmittel berechnet. Am besten schneidet das zu Fuss gehen mit 0,7 Cent pro Kilometer ab, die ausschliesslich auf Unfallkosten zurückzuführen sind. Danach folgen die U-Bahn mit 3,99 Cent pro Kilometer, der Regionalzug mit 4,62 Cent pro Kilometer, das Velo mit 6,72 Cent und das Tram mit 8,01 Cent. Am schlechtesten schneiden wegen sehr hoher Unfallkosten E-Scooter von Verleihanbietern ab (19,21 Cent pro Personenkilometer), gefolgt von Diesel-Autos (16,97 Cent/Kilometer) und Motorrädern (16,56 Cent). Auch benzinbetriebene Autos schneiden mit 15,90 Cent pro Kilometer schlecht ab.
Nach den E-Scootern hätten Diesel-Autos die höchsten externen Kosten wegen ihrem hohen Anteil an der Luftverschmutzung und Klimaschäden, die sie verursachen, so die Autoren. Motorräder wiederum schneiden schlecht ab wegen ihren hohen Unfall- und Lärmkosten.
Die externen Kosten des Veloverkehrs sind laut den Autoren übrigens nur zu einem kleinen Teil auf Unfälle mit Autos zurückzuführen: «Der Anteil von Unfällen zwischen Velofahrern untereinander oder Velofahrern und zu Fuss Gehenden ist hoch», schreiben sie. Nichtsdestotrotz könnte die Zahl der Unfälle bei jedem aktiven Verkehrsmittel um über 50 Prozent reduziert werden, wenn der Autoanteil gesenkt würde.
Diesel- und Benzin-Autos verursachen in München 79 Prozent aller externen Kosten des Verkehrs – und zwar, weil es viele Fahrzeuge gibt und weil sie hohe externe Kosten pro Kilometer aufweisen. Das geht auf den hohen Flächenverbrauch und Zeitverluste durch Staus zurück. Diese werden ebenfalls negativ bewertet.
Wichtig anzumerken ist, dass sowohl das zu Fuss gehen als auch das Velofahren in dieser Übersicht zu schlecht bewertet werden. Der externe Gesundheitsnutzen wurde nämlich nicht berücksichtigt. Die Autoren begründen das mit einer schlechten Vergleichbarkeit, schreiben aber auch, dass der Nutzen bei beiden Verkehrsarten höher sein dürfte als die Kosten. Das Velo und das zu Fuss Gehen würden also in einer Rechnung unter Berücksichtigung dieses Nutzens deutlich besser abschneiden – wohl auch deutlich besser als der ÖV.
Die Studie lässt sich nicht 1:1 auf die Schweiz und ihre Städte übersetzen, kann aber dennoch interessante Ansatzpunkte liefern. Gründe, weshalb sich die Situation in der Schweiz anders präsentiert, sind etwa:
- Elektrisch betriebene Trolleybusse wurden nicht berücksichtigt. Diese dürften wegen ihres im Vergleich zum Tram geringeren Flächenverbrauchs relativ gut abschneiden.
- Externe Kosten durch Staus sind in München möglicherweise höher als in Schweizer Städten, was hierzulande die Bilanz der Autos etwas verbessern würde. Allerdings sind in der Schweiz viele Autos grossräumig und schwer, was sich wiederum negativ auswirkt.
- Dasselbe gilt für Staueffekte, die dem Tram zugerechnet werden. Ob es diese in dieser Form in der Schweiz gibt, wäre zu diskutieren.
Die Studie zeigt: Der Aktiv- und öffentliche Verkehr schneiden bei den externen Kosten am besten ab. Würde die Zahl der Autos reduziert und die Infrastruktur für die Velofahrenden verbessert, würden die Unfallkosten sinken, was die externen Kosten des Velofahrens positiv beeinflussen würde. Beim Auto hingegen führt selbst die Elektrifizierung nicht dazu, dass das Verkehrsmittel in Sachen externe Kosten auch nur annähernd mit den anderen konkurrenzieren kann.
Die Studie gibt es im Volltext kostenlos auf sciencedirect.com (in Englisch)
Hochspannend, genau für solche Artikel bezahle ich sehr gerne! ❤
Ich glaube teilweise fehlt etwas Genauigkeit. „Land use“ ist beim ÖV immer gleich. Die U-Bahn braucht aber ganz sicher weniger Platz als der Regionalzug. In der Studie selbst habe ich dazu auch keine weiteren Informationen gefunden.