Der Veloboom nach Corona fällt aus: Das zeigen die Daten aus den Städten – und das sind die Erklärungen

Das Velo konnte von der Coronakrise nicht profitieren. Bild: Claudio Schwarz / Unsplash

Die Coronakrise sorgte zeitweise für einen Boom des Velofahrens. Jetzt, zweieinhalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie zeigt sich: In der Schweiz war diese Entwicklung nicht nachhaltig. Daten aus den Städten zeigen kein nachhaltiges Wachstum des Veloverkehrs. Das ist nicht erstaunlich, wie die Mobimag-Analyse zeigt.

von Stefan Ehrbar
29. November 2022

Noch nie wurden in der Schweiz so viele Velos und E-Bikes verkauft wie im Jahr 2020. Über eine halbe Million konventionelle Velos wurden abgesetzt. Das Jahr 2021 konnte fast an diesen Rekord anknüpfen, wenn auch Lieferschwierigkeiten das Geschäft ausbremsten. Doch das Velo und E-Bikes, so schien es, erlebt dank der Coronakrise einen echten Boom.

Doch nutzen Menschen aus der Schweiz tatsächlich häufiger das Velo? Hat es Eingang gefunden in die tägliche Verkehrsmittelwahl – und konnten die Zweiräder den Anteil am Modal Split dank dem Corona-Schub nachhaltig vergrössern?

Mobimag hat drei Velo-Zählstellen in den Städten Zürich und Basel analysiert. Ausgewählt wurden einerseits die Wettsteinbrücke in Basel, die in Sachen Velos meistbefahrene der Stadt und eine der Zählstellen mit den höchsten Velofrequenzen der Schweiz. Andererseits wurden die Zähstellen Hardbrücke Süd und Militärbrücke in der Stadt Zürich analysiert. Einerseits handelt es sich dabei um solche mit hohen Frequenzen, andererseits lieferten diese Zählstellen als zwei von wenigen in den letzten vier Jahren durchgehend zuverlässige Resultate, die nicht von externen Faktoren beeinflusst wurden. Aus diesen Gründen konnten beispielsweise die Zählstellen an der Langstrasse oder am Bucheggplatz nicht berücksichtigt werden.

Die Analyse zeigt: Von einem Veloboom ist nicht mehr viel zu merken. Auf der Basler Wettsteinbrücke wurden beispielsweise von Januar bis Oktober in diesem Jahr 2’469’222 Velos gezählt. Das sind nur 3,7 Prozent mehr als in derselben Periode in den Jahren 2018 und 2019. 


Die Zählstelle auf der Wettsteinbrücke ist keine Ausnahme. In den Daten der Stadt Zürich zeigt sich teilweise sogar ein Rückgang der Velofrequenzen.

Bei der Zählstelle Hardbrücke Süd in Zürich fuhren in den ersten zehn Monaten des Jahres 814'282 Velos durch. Das sind 5,1 Prozent mehr als im Jahr 2019 und 6,9 Prozent mehr als im Jahr 2018.

Ein gegenteiliges Bild zeigt sich auf der Militärbrücke in Zürich. Zwischen Januar und Oktober dieses Jahres zählten die Sensoren 267'700 Velos. Das sind 3,2 Prozent weniger als im Jahr 2019 und gar 8,0 Prozent tiefer als im Jahr 2018.

Diese Zahlen sind insofern erstaunlich, als dass der Veloverkehr in den Zahlen vor der Coronakrise bereits kontinuierlich zunahm. Dass es auch 2020, 2021 und 2022 zu einer Zunahme kommt, war also unabhängig von der Coronapandemie zu erwarten. Dazu trägt nur schon das Bevölkerungswachstum bei. 

Dass dieses Wachstum so klein ausgefallen ist (oder gar nicht stattgefunden hat), zeigt, dass das Velo zumindest in den beiden grössten Deutschschweizer Städten nicht Einzug in die tägliche Verkehrsmittelwahl gefunden hat.

Bei der letzten Erhebung im Jahr 2015 hatte das Velo in Basel einen Anteil von 12 Prozent an den zurückgelegten Wegen und in Zürich einen von 8 Prozent. Angesichts der Entwicklung in den letzten beiden Jahren dürfte dieser Anteil zwar erneut gestiegen sein, aber nur noch leicht. Einen nachhaltigen Schub hat die Coronakrise nicht gebracht.

Erstaunlich ist das allerdings nicht. Während viele europäische Städte wie Berlin, Paris oder Barcelona die Coronakrise nutzten, um den Strassenraum umzuverteilen, ist in der Schweiz vergleichsweise wenig geschehen. Auch in Basel und Zürich ist der Veloweg-Ausbau weiterhin in gemächlichem Tempo unterwegs.

Ohne Infrastruktur allerdings wird sich auch der Veloanteil nicht erhöhen. Das zeigt das Beispiel der Niederlande, die seit den 70er-Jahren Milliardensummen in Velowege investieren. Dort kommt das Velo derzeit auf 27 Prozent Anteil an den Fahrten. Davon ist die Schweiz noch weit entfernt. Der Hauptgrund, weshalb veloaffine Menschen in den Städten das Zweirad nicht nutzen, ist der erwartete Stress im Verkehr und die Unsicherheit.

Daran hat auch die Coronakrise nichts geändert. 

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