Das neue Entry/Exit-System der EU ist seit kurzem in Betrieb. Der Flughafen Zürich will deshalb noch mehr Automaten und Schalter aufstellen – aber rechnet auch mit technischen Problemen zu Beginn. Verschärft das neue System die Probleme an den Flughäfen?
von Stefan Ehrbar
16. August 2022
Die Einreise in den Schengen-Raum für Drittstaatenangehörige – also etwa Menschen aus den USA, Grossbritannien oder Japan, soll unkomplizierter werden. Das ist eines der Ziele des «Smart Borders»-Programm der EU. Ein Unterprogramm davon ist das «Entry/Exit-System» (EES). Doch der Weg zum effizienteren System könnte erst einmal mit einer Verschlechterung einher gehen.
Das EES dient der elektronischen Erfassung der Ein- und Ausreisen und der Berechnung der Aufenthaltsdauer im Schengen-Raum, die für diese Personengruppen limitiert ist. Das System soll es ermöglichen, «Overstayers» einfacher zu entdecken. Zudem sollen dank dem Gesichtsbild und den Abdrücken von vier Fingern einer Hand, die bei der Einreise erfasst werden, undokumentierte Reisende bei Kontrollen innerhalb des Schengenraums identifiziert werden können. Für jeden Einreisenden wird ein digitales Dossier angelegt, auf das die Sicherheitsbehörden zugreifen können. Dafür mussten die Schalter an den Flughäfen aufgerüstet werden. Der Flughafen Zürich investierte dafür fast 50 Millionen Franken.
Doch nicht nur für die Sicherheitsbehörden, auch für die Reisenden soll das System Vorteile bieten. Denn Reisende mit biometrischem Pass können die Dokumentenkontrolle damit bei der Ein- und Ausreise automatisiert vornehmen und müssen nicht mehr am Schalter anstehen. Dafür werden sogenannte e-Gates aufgestellt.
Von dieser Automatisierungs-Möglichkeit verspricht sich der Flughafen Zürich eine «raschere, wirksame Grenzkontrolle und eine wirtschaftliche Raumnutzung», wie er während der Vernehmlassung für den entsprechenden Bundesbeschluss bekanntgab. Solche e-Gates gibt es am Flughafen Zürich im Ankunftsbereich bereits seit einiger Zeit. Seit kurzem gibt es solche auch bei der Ausreise. Der Flughafen will weitere Automaten aufstellen, wie ein neues Dokument zeigt. Und er rechnet mit Problemen.
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) hat dem Flughafen Ende Mai erlaubt, im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des EES-Systems weitere e-Gates aufzustellen. Sie sollen im Bereich der Einreise 7 im Dock B zu stehen kommen. Dafür wird ein bestehender Raum aufgehoben und der Eingang des Transferhotels verschoben.
Der Flughafen will aber auch bis zu sechs neue mobile Passkontrollschalter aufstellen. Auch dieses Vorhaben wurde Ende Mai vom Bazl genehmigt. Der Flughafen begründet seinen Plan mit «erwartetem Mehraufkommen an Passagieren durch die neue Passkontrolle EES». Mit den mobilen Schaltern soll ein «zusätzlicher Überlauf erstellt werden, um die Passkontrollen speditiv abfertigen zu können». Damit soll langen Wartezeiten entgegengewirkt werden. Dafür gibt der Flughafen etwa 200’000 Franken aus.
Doch die neuen Schalter könnten auch noch einen anderen Zweck haben, nämlich technische Probleme abzufedern. «Der Flughafen Zürich unterstreicht, dass es zunächst (in den ersten Monaten oder Jahren) zu Verzögerungen und Komplikationen bei der Grenzkontrolle kommen werde», heisst es im 2018 veröffentlichten Bericht zur Vernehmlassung zum Bundesbeschluss über das EES-System. Der Flughafen beruft sich bei dieser Prognose auf «Erfahrungen in Zürich bei Schweizer und europäischen Reisenden sowie in Frankfurt».
Das EES-System musste gemäss den Vorgaben der EU spätestens per Mai in Betrieb sein. Diesen Sommer dürfte die Hauptprobe anstehen, kommen doch erstmals seit zwei Jahren wieder viele Touristen von ausserhalb des Schengen-Raums in die Schweiz. Das Timing könnte sich nun als unglücklich erweisen und das Chaos an den Flughäfen verstärken, die schon mit Personalmangel und höherem Aufwand wegen Covid-Dokumentenkontrollen zu kämpfen haben. Zu hoffen bleibt, dass der Flughafen Zürich mit seiner Prognose zu technischen Problemen falsch liegt – und das EES-System mit Kinderkrankheiten nicht auch noch seinen Teil zu einem Chaos-Sommer beiträgt.
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