Der wöchentliche Blick ins Ausland diese Woche mit folgenden Themen: Die US-Jugend hofft, dass mit Joe Biden die Hochgeschwindigkeits-Züge kommen. In Stockholm dürfen Kinder die Strassen planen. Und in Nordamerika entsteht ein Schienennetz von Kanada bis Mexiko.
von Stefan Ehrbar
27. März 2021
Kommen die US-Hochgeschwindigkeitszüge?
Wenn die Generation Z etwas will, dann gibt sie das auf Twitter bekannt. Daran gemessen, wollen US-Teenager eines ganz dringend: Ein Netz von Hochgeschwindigkeitszügen. Als die Nutzerin «Cara» eine Karte mit einem möglichen Netz von Hochgeschwindigkeitszügen in den USA ins Netz stellte, sammelte sie innert kürzester Zeit fast 200’000 Likes und 50’000 Retweets. Ihr Kommentar zur Karte: «I want her so fucking much».
«So steht es um die Beliebtheit von Hochgeschwindigkeitszügen in den USA», konstantiert das Portal Vox. Die Karte mit der Highspeed-Vision stammt aus dem Jahr 2013 und wurde vom Designer Alfred Twu entiwckelt. Für junge Linke sei sie so etwas wie ein Fixpunkt in ihrer politischen Agenda, schreibt das Magazin. Sie zeigt etwa Verbindungen von Los Angeles nach New York und von Minneapolis nach Miami.
Dabei handelt es sich um keine wissenschaftliche Planbarkeitsstudie, sondern um einen groben Vorschlag. Ein Problem wäre etwa, dass gewisse Strecken durch Stammesgebiet von Indianern führen. Nichtsdestotrotz könne die Karte als Beispiel dessen dienen, was ein Hochgeschwindigkeitsnetz sein könnte.
In den USA spielt die Eisenbahn im Personenverkehr auf längeren Strecken so gut wie keine Rolle. Die einzige Verbindung, die gewissen Hochgeschwindigkeitscharakter hat, ist der Acela Express von Amtrack, der Boston und Washington D.C. verbindet. Er könnte Geschwindigkeiten von über 250 Kilometern pro Stunde erreichen, in der Realität beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit aber nur etwas über 100 Kilometer pro Stunde. Zudem ist das Angebot bescheiden. Am Samstag verkehren etwa nur vier Zugspaare zwischen New York und Washington.
Nun aber ist Joe Biden im Weissen Haus – und der gilt als glühender Verfechter der Eisenbahn. Zudem hat er gerade ein Infrastrukturprojekt von historischer Dimension angekündigt. Drei Billionen US-Dollar soll der Staat in die Infrastruktur investieren. Ein gutes Zeichen für die Hochgeschwindigkeitszüge?
Jein, vermutet das Portal Vox. Denn ein solches Netz würde «einen Willen der Regierung voraussetzen, den wir noch nie gesehen haben». Bisherige Projekte in kleinerem Rahmen scheiterten häufig am Widerstand der Republikaner und Teilen der Wirtschaft. Als Barack Obama 2009 immerhin 8 Milliarden Dollar in neue Zugstrecken investieren wollte, sabotierten republikanische Politiker Projekte in Florida, Ohio und Wisconsin und verhinderten sie. Nur in Kalifornien ist eine Verbindung von Anaheim über Los Angeles nach San Francisco auf gutem Weg und soll 2029 eröffnet werden.
Die USA sind noch immer aufs Auto fixiert. Im Gegensatz zu den Highways, für die der Kongres einen «Highway Trust» aufsetzte und für die der Bund 90 Prozent der Baukosten übernimmt, gibt es für Zugstrecken kein ähnliches System in den USA. Experten bemängeln denn auch, dass es sich hierbei um den «missing link» handle. Es brauche eine Behörde, die in so aufwändigen und langwierigen Infrastrukturprojekten zwischen dem Bund und den Bundesstaaten sowie anderen Akteuren vermittle und die Finanzierung sicherstellen könne.
Sicher ist aber auch: Wenn es eine US-Administration gibt, die sich den Hochgeschwindigkeitszügen annimmt, dann diese. Der neue Transportminister Pete Buttigieg, ein demokratischer Hoffnungsträger, will die USA zur weltweit führenden Grösse in Sachen Hochgewschwindigkeitszüge machen. Präsident Joe Biden sagte schon im Dezember 2019, seine Administration werde «eine grosse Eisenbahnrevolution» herbeiführen und die Infrastruktur für die Zukunft schaffen. So könne der Klimawandel bekämpft werden.
Die Demokraten arbeiten bereits an einer Infrastruktur-Offensive. Auch ist die Administration laut Vox mit mehr qualifiziertem Personal ausgerüstet als vorherige, um ein solches Vorhaben umzusetzen. Allerdings sind auch die Widerstände besonders aus der republikanischen Partei gross. So oder so: Bis in den USA mehr Hochgeschwindigkeitszüge verkehren, werden noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte ins Land ziehen.
In Stockholm planen Kinder Strassen
Anna König Margaretha Jerlmyr (42) ist seit 2018 die Bürgermeisterin von Stockholm. Sie hat ehrgeizige Visionen, wie sie ihre Stadt umbauen will. Das zeigt sich in einem Interview, das sie mit dem «Spiegel» geführt hat. Stockholmern seien Werte wichtiger als ein hohes Gehalt und Boni, sagt sie. «Uns geht es nicht nur darum, Wirtschaftskapital anzuziehen, wir wollen junge Menschen gewinnen, die für wertegetriebene Organisationen arbeiten, auch als Ehrenamtliche.»
Ihre Stadt soll nicht nur klimaneutral werden, sondern sogar klimapositiv. Der Energiekonsum, die Produktion und die Verwertung von Müll und die Reduktion von Emissionen könnten in einem Kreislauf «positiv ineinandergreifen», so Jerlmyr. Stockhom teste das seit fünf Jahren in einem Industriegebiet und habe dort die Emissionen um 70 Prozent und die Schwertransporte um 90 Prozent senken können.
Grüne Werte seien das Zentrum der Transformation ihrer Stadt. So setze Stockholm neue Technologien zur Energieerzeugung ein und wolle mehr Grünflächen schaffen.
Um die Bürger zu mehr Engagement zu motivieren, rekrutiere die Stadt in möglichst vielen diversen Gruppen. Das sei nicht einfach, weil junge Leute lieber in Non-Profit-Organisationen arbeiteten als in Parteien. «Wenn sie aber einmal gewonnen sind, setzen wir ihre Ideen um», so Jerlmyr. «Ein Beispiel ist das Projekt Kinderstrassen, wo wir auch die Kinder einladen, aktiv zu sein. Dann steht plötzlich das Trampolin mitten auf der Strasse oder ein Platz wird zur Skatingstrecke. Beton wird aufgebrochen, Dächer werden begrünt. Die Bedürfnisse von Kindern sind uns wichtig.»
Im Bereich Verkehr rechnet die Politikerin zudem damit, dass ihre Bürger weiterhin Autofahren werden, aber elektrisch und im Carsharing. Der Besitz von eigenen Autos sei nicht nötig. Zudem wolle sie die Benutzungsdichte der Stadt reduzieren. Ein Teil der Bürger könne erst nachmittags ins Büro gehen, andere morgens. Ältere Kinder lernten oft später besser und könnten auch dann erst in die Schule. «Nicht immer alle müssen zur gleichen Zeit unterwegs sein», so Jerlmyr.
Mit ihrer Politik will sie auch neue Einwohner anlocken. «Früher suchte man sich die richtige Firma aus, in der man aufsteigen will», sagt Jerlmyr. «Jetzt sucht man sich die Stadt aus, in der man leben will, und arbeitet von dort digital und weltweit.»
Eine Eisenbahn von Kanada bis Mexiko
Die beiden Güterbahnen Canadian Pacific aus Kanada und die US-amerikanische Kansas City Southern wollen fusionieren. Die börsenkotierte Canadian Pacific hat ein entsprechendes Übernahmegebot in der Höhe von 25 Milliarden US-Dollar für die Kansas City Southern gemacht. Diese Fusion wäre eine der grössten in der Geschichte der Eisenbahn, schreibt die ARD.
Die Canadian Pacific wickle bisher nur Güterverkehr in den Kanada und den USA ab. «Mit dem Zusammenschluss entstünde das erste Bahnnetz, das von Kanada über die Vereinigten Staaten bis nach Mexiko reicht.»
Das neue Unternehmen wolle auch vom neuen Handelsabkommen zwischen Kanada, Mexiko und den USA profitieren, das im vergangenen Jahr abgeschlossen wurde. Die neue Gesellschaft soll Güter zwischen den drei Ländern transportieren.
«Diese Transaktion wird Nordamerika umwälzen und erhebliche positive Wirkung für unsere Angestellten, Kunden, Gemeinden und Aktionäre bringen», soll Canadian-Pacific-Chef Keith Creel laut dem «Manager Magazin» gesagt haben. Bisher seien ähnliche Vorstösse von kanadischen Bahngesellschaften auf Widerstand der Kartellbehörden gestossen.
Gemessen am Umsatz wird das neue Unternehmen allerdings das kleinste der sechs Eisenbahngesellschaften nach der US-Klasse I bleiben. Es wird 20’000 Mitarbeiter beschäftigen und jährlich etwa 8,7 Milliarden US-Dollar umsetzen. Getreide-, Automobil-, Autoteile-, Energie-, Intermodal- und andere Verlader sollen von der gesteigerten Effizienz und Einfachheit des kombinierten Netzwerks profitieren, berichtet das Portal «Railway Age». Die CEOs der beiden Unternehmen begründeten den Zusammenschluss auch damit, dass mit einer wichtigeren Rolle der Bahn die Emissionen gesenkt werden und das Pariser Abkommen eingehalten werden könne – ein Abkommen, dem die USA gerade erst wieder beigetreten sind.
Es werde erwartet, dass mit dem Zusammenschluss auch der Anteil von Lastwagenfahrten sinke. Die Schiene sei viermal kraftstoffeffizienter als der Lkw-Verkehr und ein Zug könne die Ladung von mehr als 300 Lastwagen aufnehmen. Das führe zu 75 Prozent weniger Treibhausgasemissionen. Es wären wohl noch mehr, wenn die Strecken in den USA auch elektrifiziert wären, doch der grösste Teil der Netze muss mit Diesellokomotiven befahren werden.
Die Netze der beiden Gesellschaften finden in Kansas City zusammen.
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