Die Absenzen-Misere bei VBZ, BVB und Co. könnte Monate dauern – wegen unzufriedenen Mitarbeitenden?

Nicht alle Trams in Zürich fahren zurzeit. Bild: vale / Unsplash

In Zürich, Basel und Genf fehlt den Verkehrsbetrieben so viel Personal, dass das Angebot reduziert werden muss. Daran wird sich so schnell nichts ändern, wie eine Umfrage von Mobimag zeigt – mit einer Ausnahme. Welche Rolle spielen unzufriedene Mitarbeitende bei den hohen Absenzenquote, die sich die Betriebe nicht erklären können? 

von Stefan Ehrbar
5. Dezember 2022


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Immer wieder trifft es das Tram der Linie 15: Am 8. Oktober haben die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) erneut den Betrieb der Linie eingestellt – und den Takt der Buslinie 83 halbiert. Die Verantwortlichen begründeten das mit einer hohen Absenzenquote beim Personal.


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Die Zürcher sind damit nicht alleine. Auch bei den Basler Verkehrsbetrieben (BVB) oder den Verkehrsbetrieben von Genf (TPG) fallen derzeit immer wieder Kurse aus oder wurde das Angebot temporär reduziert. In beiden Fällen lautete die Begründung: Die Absenzenquoten beim Personal sind hoch.


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Woran das genau liegt, können die Betriebe nicht sagen. Möglich ist, dass noch immer viele an Corona erkranken oder an Langzeitschäden leiden. Ebenfalls denkbar ist, dass das Personal mittlerweile sensibilisierter auf das Arbeiten in krankem Zustand ist und sich deshalb häufiger abmeldet. Eine weitere Erklärung ist, dass das Personal unter Motivationsproblemen leidet und unzufrieden ist.

Auch dafür gibt es Indizien. So kritisierten etwa Wagenführer der BVB das neue Dienstmodell: Es sei eine «Verschlimmbesserung», sagten sie gegenüber der «bz basel». Die Gewerkschaft VPOD kritisierte die Arbeitszeiten gar als «gesundheitsgefährdend». In Zürich wiederum verliessen ganze Ausbildungsklassen die VBZ wieder, berichtete die «NZZ am Sonntag» (Gegenüber Mobimag teilen die VBZ allerdings mit, dass dies nicht zutreffe, Anm. vom 6.12.). Kritisiert werde etwa der spät erstellte Arbeitsplan. Schlecht komme bei neuen Fahrerinnen und Fahrern auch an, dass sie zunächst auf Abruf arbeiten müssen und ihre Einsatzzeiten erst einen Tag im voraus erfahren. Dieses System wollten die VBZ nun ändern – aber nicht zum Vorteil aller. «Um Absenzen aufzufangen, sollen fortan alle Fahrer drei bis fünf Tage im Monat auf Abruf arbeiten», heisst es im Artikel.

Welchen Einfluss solche Kritik und Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen auf die Absenzenquote hat, kann nicht mit Sicherheit eruiert werden. Klar ist aber: Schnell wird sich die Situation nicht normalisieren. Das zeigt eine Umfrage von Mobimag.

Die VBZ bereiten die Kundinnen und Kunden gar auf weitere Angebotsausdünnungen vor. «Die Personalsituation bei den VBZ bleibt angespannt und bis auf Weiteres müssen die getroffenen Massnahmen in Kraft bleiben, damit wir einen zuverlässigen Betrieb unserer übrigen Linien gewährleisten können», sagt Sprecher Leo Herrmann. «Es ist leider absehbar, dass unser Angebot auch in den kommenden Monaten reduziert bleibt. Sollten die Absenzen weiter zunehmen, sind weitere Massnahmen zudem nicht auszuschliessen.»

Zum jetzigen Zeitpunkt sei völlig offen, wann etwa der 15er wieder fährt. Wie viel Geld die VBZ dank der Einstellung der Linie sparen, will Herrmann nicht sagen. «Die Massnahmen dienen dazu, eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Krankheitsausfällen zu bewältigen und ungeplante Kursausfälle zu verhindern. Die betroffenen Linien haben wir nach dem Kriterium gewählt, unsere Fahrgäste so wenig wie möglich einzuschränken.»

Mit dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), der die Aufwände der VBZ finanziert, sei man bezüglich Einstellung der Linie 15 «im Austausch». Immerhin: Eine dauerhafte Einstellung der Tramlinie 15 sei nicht geplant, so Herrmann.

Zukunftsbild verspätet sich
Ein Tramtunnel zwischen Zürich-Altstetten und Zürich-Oerlikon, zwei Tram-Ringe und neue Mobilitätshubs: Als die VBZ im Jahr 2021 ihr «Zukunftsbild 2050» vorstellten, klang vieles futuristisch. In ein konkreteres Konzept sollen die Pläne mit der Netzentwicklungsstrategie 2040 gegossen werden. Diese wollten die VBZ gemäss ihrer ursprünglichen Kommunikation noch dieses Jahr präsentieren. Daraus wird nichts, sagt nun Sprecher Leo Herrmann. Die Strategie könne voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2023 präsentiert werden.

Ähnlich tönt es in Basel. «Die Zahl der Krankheitsfälle ist bei den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) nach wie vor relativ hoch. Die Lage ist sehr volatil, das heisst. die Zahl der Krankheitsfälle schwankt auf relativ hohem Niveau», sagt BVB-Sprecher Matthias Steiger. «Wir versuchen stets, auch in dieser schwierigen Situation, Kursausfälle zu vermeiden. Trotzdem kommt es aktuell zu einzelnen Kursausfällen pro Tag.»

Man könne nicht abschätzen, wann sich diese aussergewöhnliche Lage normalisieren wird, sagt Steiger. «Wir behalten die Situation aber im Auge. Mehrere Abteilungen arbeiten hier zusammen, damit der gesamte öV-Betrieb möglichst reibungslos abläuft.»

Immerhin: Aus der Westschweiz kommen positive Nachrichten. Bei den Genfer Verkehrsbetrieben TPG fehlten im September und Oktober teils bis zu 10 Prozent des Personals. Seit dem 31. Oktober ist das Angebot deshalb um etwa 3 Prozent der Kilometer reduziert, wobei die Massnahme ausschliesslich Zusatzkurse zu Stosszeiten betrifft. Trams und regionale Buslinien fahren unverändert. Nun zeichnet sich eine Besserung ab. 

«In den letzten Wochen haben wir einen Rückgang der Absenzenquote verzeichnet», sagt TPG-Sprecher François Mutter. Man wolle sichergehen, dass dieser positive Trend langfristig anhalte, aber schon per Fahrplanwechsel am 11. Dezember soll die Hälfte der gestrichenen Verstärkungskurse wieder eingeführt werden. Ab dem Jahreswechsel soll wieder das gesamte Angebot gefahren werden. 


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1 Kommentar

  1. Üblicherweise haben solche Probleme mehrere Ursachen. Hat man wirklich Freude an den Arbeitsbedingungen, nutzt man nicht jede Chance, mit Arbeitszeugnis zuhause zu bleiben. Ich arbeite Schicht, würde ich den Schichtplan immer im letzten Moment bekommen, würde ich immer so lange zuhause bleiben wie das Arztzeugnis erlaubt. Die Einschränkungen im Leben durch einen kurzfristigen Schichtplan sind immens.

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