«Bedauerlich»: Der Bund verhindert den Markteintritt von Flixtrain & Co. – und lässt ein Hintertürchen offen

Kein Einlass: Der Bund will keine Anbieter wie Flixtrain in der Schweiz. Bild: Flixtrain

Der Bund will keinen Wettbewerb im internationalen Personenverkehr. Alleine die SBB soll ins Ausland fahren dürfen. Damit versperrt er den Weg für private Anbieter wie Flixtrain. Dieser gibt sich enttäuscht. Doch eine kleine Chance haben die privaten Konkurrenten noch.

von Stefan Ehrbar
26. Juli 2021

Während Anbieter wie Flixtrain oder Regiojet in Europa den Markt aufmischen, zieht die Schweiz die Mauern hoch. Mit einer kürzlich veröffentlichten Analyse zur Zukunft des Fernverkehrs macht das Bundesamt für Verkehr (BAV) klar: Wettbewerb auf internationalen Zügen wird es auf Verbindungen aus und in die Schweiz nicht geben. In der Schweiz ist die SBB alleinige Betreiberin von internationalen Verkehren», heisst es im Papier. Für die Abschnitte im Ausland soll die SBB weiterhin mit ausländischen Bahnen kooperieren.


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Dabei sieht das BAV in einer Öffnung des internationalen Verkehrs durchaus Vorteile. Im Bericht werden folgende aufgelistet:

  • Bessere Einbindung der Schweiz dank neuen Angeboten
  • Qualitätsdruck für bestehende Anbieter
  • Marktzugang für Schweizer Eisenbahnverkehrsunternehmen in der EU mit dem Hauptzweck der grenzüberschreitenden Personenbeförderung.

Allerdings sieht das BAV auch Nachteile wie Qualitätsrisiken, mehr Trassenkonflikte, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Sozialstandards oder eine geringe Wirkung. Allerdings räumt die Behörde selbst ein, dass die Schweiz mit den Instrumenten zur Trassensicherung «starke Steuerungsmechanismen hat, um das schweizerische Taktsystem ausreichend und diskriminierungsfrei zu schützen.»

Die Marktöffnung im Jahr 2010 in der EU habe aber die angestrebten Vorteile verfehlt. Noch immer seien Kooperationen mit wenigen Ausnahmen die Regel. Zudem könnten ausländische Bahnen der SBB lukrative internationale Strecken streitig machen. «Für die Schweizer Bahnkunden können daraus Unsicherheiten bei der Benutzung von internationalen Zügen im nationalen Verkehr entstehen, da sich Unterschiede im Tarifniveau oder bei der Reservationspflicht ergeben. Entsprechend erwartet der Bundesrat als Eigner von der SBB, dass sie ihre Marktstellung im internationalen Personenfernverkehr insbesondere durch Kooperationen stärken soll. So können ohne Anpassungen des rechtlichen Rahmens schnell Verbesserungen in der internationalen Anbindung der Schweiz erreicht werden.» Zudem gebe es mit Projekten wie TEE 2.0 des deutschen Verkehrsministeriums sowieso schon Konzepte, wie der Schienenverkehr in Europa gestärkt werden soll


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Die Schweiz bleibt damit ihrer Linie treu, auf Wettbewerb so gut es geht zu verzichten. Auch im nationalen Fernverkehr soll die SBB automatisch die Konzession für das ganze Netz erhalten, wie der Bericht ebenfalls festhält. Im Regionalen Personenverkehr sollen Instrumente wie Ausschreibungen zudem ebenfalls nicht stärker eingesetzt werden.

Damit sperrt die Schweiz aber auch Anbieter wie Flixtrain oder Regiojet aus, die derzeit stark expandieren. So will Flixtrain 60 Züge mit vier bis zehn neuen Wagen bestellen (Mobimag berichtete). Der Anbieter ist zurzeit in Deutschland und Schweden aktiv und bietet dort zwar nicht schnellere, aber deutlich günstigere Verbindungen an, die ihr Publikum finden. Im Expansionsmodus ist auch die tschechische Regiojet. Das Unternehmen fährt mit eigenen Zügen unter anderem zwischen Wien und Budapest und will ab nächstem Jahr eine Nachtzugverbindung von Prag über Dresden und Berlin nach Amsterdam und Brüssel in betreiben.

Über den Entscheid des BAV ist Flixtrain nicht glücklich. «Für Schweizer Reisende ist es bedauerlich, dass sich die Schweiz für einen anderen Weg entschieden hat», sagt eine Sprecherin. «Wir sehen in ganz Europa einen grossen Bedarf nach erschwinglicher und umweltfreundlicher Mobilität. Der Blick nach Schweden, Italien, Tschechien oder Deutschland zeigt deutlich, dass mehr Auswahl an attraktiven Angeboten auch zu mehr Zugreisenden führt.»

Für eine grüne Mobilitätswende müssten Menschen von ökologischen Reiseoptionen überzeugt werden. «Neben dem Fernbus zählt dazu auch der Zug.» Mit dem BAV habe Flixtrain grundsätzlich einen sehr guten Austausch. «Es gelten jedoch sehr strikte Regularien.»


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«Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die SBB ihr internationales Angebot insbesondere mittels Kooperationen ausbauen soll», sagt BAV-Sprecher Michael Müller. So könnten ohne Anpassungen des rechtlichen Rahmens schnell Verbesserungen in der internationalen Anbindung der Schweiz erreicht werden.

Mit der vorgeschlagenen Lösung «können die Kräfte gebündelt und Reformen zur Vereinfachung und Harmonisierung von technischen und organisatorischen Lösungen im grenzüberschreitenden Schienenpersonenfernverkehr effizient unterstützt werden».

Für private Anbieter lässt das BAV eine Lücke offen. «Für Flixtrain oder Regiojet, die sich in erster Linie für den internationalen Schienenfernverkehr interessieren dürften, heisst das, dass sie mit der SBB eine Kooperationspartnerschaft suchen sollen, wenn sie Interesse an entsprechenden Verbindungen haben», sagt Müller.

Allzu realistisch dürfte dieses Szenario allerdings kaum sein.



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