Die Bahn will künftig an Wochenenden rund um die Uhr Züge zwischen den verschiedenen Landesteilen fahren lassen. In Olten soll in alle Richtungen umgestiegen werden können. Wann es so weit ist und welche Etappe bereits im Dezember umgesetzt wird, zeigt ein Einblick von Mobimag in die «Vision 2027».
von Stefan Ehrbar
7. Oktober 2024
Wenn Jugendliche aus Chur mit dem öffentlichen Verkehr nach Zürich in den Ausgang gehen, müssen sie bereits kurz nach Mitternacht den Zug nach Hause erwischen – oder die Nacht durchfeiern. Berner, die einen der ersten Flüge ab dem Basler Euroairport besteigen wollen, schaffen das nur, wenn sie mitten in der Nacht über zwei Stunden am Basler Bahnhof warten. Und wer in Solothurn wohnt und samstags frühmorgens in Zürich arbeiten muss, ist auf das Auto angewiesen. Nun will die SBB Abhilfe schaffen.
Sie planen, künftig in den Wochenendnächten grosse Teile der Schweiz rund um die Uhr miteinander zu verbinden. So steht es in der «Vision 2027» für ein landesweites Nachtnetz, in welche Mobimag Einblick hatte.
In der Präsentation heisst es, das Netz soll die Metropolitanräume Basel, Zürich und das Genferseebecken miteinander verbinden. «Aus allen relevanten Korridoren» sollen zudem Frühverbindungen an die drei Flughäfen ermöglicht werden, mit dem Zug oder in Basel mit dem Bus ab dem SBB-Bahnhof. Alle grossen Zentren sollen an das Netz angebunden werden, entweder mit einem Intercity-Zug, der direkt zu einem der Flughäfen respektive nach Basel fährt, oder mit guten Anschlüssen von Nacht-S-Bahnen.
Das Angebot soll modulartig aufgebaut werden. Im ersten Modul soll der Fokus auf der West-Ost-Achse liegen. Voraussichtlich ab Ende 2026 sollen in den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag Nacht-Intercitys zwischen Zürich und Genf und umgekehrt verkehren.
Ein Vorläufer wird bereits in den nächsten Monaten umgesetzt. An acht Wochenenden im Winter 2024/25 und im Herbst 2025 verkehren je zwei Nacht-Intercitys von Zürich nach Bern und umgekehrt mit Abfahrt jeweils um 2 und 3 Uhr, wobei der Zug mit Abfahrt um 3 Uhr in Bern bis an den Flughafen Zürich verlängert wird. Dort trifft er um 4.16 Uhr ein und ermöglicht es damit, auch die ersten Flüge am Morgen zu erwischen. In beiden Richtungen werden die Züge in Olten halten.
Das ist kein Zufall: In Olten soll der Umsteige-Hub des Nachtnetzes entstehen. Jeweils etwa um 2.30 und 3.30 Uhr soll dort im Endausbau der Vision eine Umsteigemöglichkeit von allen Richtungen in alle Richtungen angeboten werden. Hinzu kommen dann auch Züge auf den Abschnitten von Olten via Jurasüdfuss nach Lausanne, Olten–Basel, Bern–Thun, Lausanne–Sion und Chur–Zürich. Die Achse Zürich–St.Gallen wird schon heute mit Nacht-S-Bahnen bedient.
Ebenfalls bereits heute fahren zudem in den Wochenendnächten Regio-Express-Züge zwischen Lausanne und Genf sowie Zürich und Luzern. Hinzu kommen Nacht-S-Bahnen in den Regionen Zürich, Basel, der Zentral- und Ostschweiz sowie in der Westschweiz. Anders als im Fernverkehr werden diese Angebote von der SBB nicht auf eigene Kosten angeboten, sondern von den Kantonen bestellt und zusammen mit dem Bund finanziert.
Weitere Ausbauten sind geplant: Ab dem Fahrplanwechsel am 15. Dezember werden die Nacht-S-Bahnen von Luzern nach Sursee nach Olten verlängert und zwei neue Nacht-S-Bahnen pro Nacht von Winterthur via Zürich nach Olten und umgekehrt eingeführt. In der Ostschweiz wird das Angebot an nächtlichen S-Bahnen ebenfalls erweitert.
Der Kanton Bern will im Hinblick auf das Angebot für die Jahre 2027 bis 2030 ebenfalls die Einführung von Nacht-S-Bahnen an den Wochenenden prüfen. Das gab er Anfang Jahr bekannt. Das würde zeitlich mit der geplanten Einführung des landesweiten Nachtnetzes der SBB übereinstimmen – und könnte in Bern abgestimmte Anschlüsse ermöglichen.
Ob der Rund-um-die-Uhr-Betrieb dereinst auch unter der Woche angeboten werden soll, lässt die SBB offen. Die Bahn entwickle den Taktfahrplan «entlang den Kundenbedürfnissen» schrittweise weiter, sagt Sprecherin Sabrina Schellenberg. Kundinnen und Kunden seien vermehrt auch nachts unterwegs. Wenn eine Kulturveranstaltung spät ende, die Party in eine andere Stadt weiterziehe oder der allererste Flug erwischt werden soll, wolle die SBB eine Alternative zum Auto anbieten.
Wochentags ist die SBB allerdings eher zurückhaltend, was neue Verbindungen in der Nacht angeht. Der Kanton Aargau setzt sich etwa seit Jahren dafür ein, dass der letzte Zug von Zürich via Fricktal nach Basel um 00.36 statt 23.36 Uhr abfährt – ein Ansinnen, das die SBB stets wegen zu tiefer Nachfrage ablehnten.
Einige Kantone nehmen hingegen selbst Geld in die Hand für den 24/7-Betrieb. Ab Ende Jahr fahren gewisse Linien des Genfer S-Bahn-Systems Léman Express an sieben Tagen rund um die Uhr. Die städtischen Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) sowie der kantonale Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) prüfen, ob Potenzial für ein wochentägliches Nachtnetz vorhanden wäre. Erste Resultate deuten darauf hin, dass dies der Fall ist. Andere Kantone wie Basel-Stadt oder Bern schliessen einen 24/7-Betrieb mit Verweis auf die geringe Nachfrage derzeit hingegen aus.
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