
Die Coronakrise hat den Einkaufscentern zugesetzt. Doch mittlerweile haben sich die Umsätze in vielen erholt, einige schreiben wieder Rekordumsätze. Davon profitiert auch die SBB, die ihre Bahnhöfe zu Shopping-Tempeln umbaut. Besonders in Zürich und in Luzern läuft das Geschäft wieder sehr gut – anders als in Bern.
von Stefan Ehrbar
7. Mai 2024
Wenn ein Mieter von Rageth Clavadetscher seine Ladenfläche kündigt, stehen potenzielle Nachfolger Schlange. In einer so komfortablen Situation wie der Chef des Einkaufszentrums Glatt im zürcherischen Wallisellen befinden sich nicht alle Verantwortlichen der hiesigen Shopping-Tempel. Doch neue Zahlen zeigen: Die oft totgesagten Center halten sich erstaunlich gut.
Mobimag hat die Umsätze der zehn grössten Einkaufszentren für das Jahr 2023 ermittelt. Nicht alle veröffentlichen Zahlen. In diesen Fällen wurden die Zahlen geschätzt – mithilfe von Fachleuten, Eindrücken vor Ort und der finanziellen Berichterstattung der Eigentümer. Abweichungen sind möglich.
Gegen 600 Millionen Franken dürften im Glatt in Wallisellen ZH umgesetzt worden sein, was etwa dem Stand von vor der Coronakrise entspricht. Von einem «sehr erfolgreichen Jahr» spricht Zentrumsleiter Clavadetscher. Die Umsätze und die Frequenzen seien im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Im vergangenen Jahr konnte er den ersten von Nike betriebenen Flagship-Store der Schweiz in seinem Zentrum begrüssen. Neue Mieter sollen auch in den kommenden Monaten für mehr Frequenzen und Umsätze sorgen: Zu einer McDonald’s-Filiale gesellt sich Konkurrent Burger King, zudem wird die Kosmetikkette Sephora einen Flagship-Store eröffnen. Dasselbe plant die Kleiderkette Mango. Es wird ihr erster Vorzeige-Laden in der Schweiz – und festigt den Status des Glatt als erste Adresse für internationale Marken. So betreiben auch Lego und der chinesische Elektronikhersteller Xiaomi ihre einzigen hiesigen Läden dort. Die grössten Sprünge beim Umsatz machten vergangenes Jahr aber andere. Die Geschäfte im Zürcher Hauptbahnhof setzten geschätzt 470 Millionen Franken um.
Ein Teil der Flächen wird von der Stadt Zürich vermietet, der grössere Teil von den SBB. In diesem stiegen die Umsätze um 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieses Jahr könnte die Marke von 500 Millionen Franken Umsatz, die schon vor Corona erreicht wurde, wieder geknackt werden. Mit 400’000 Menschen pro Werktag ist der Hauptbahnhof der mit Abstand meistfrequentierte Ort der Schweiz – und dieses Jahr dürfte die Zahl erneut steigen, da die Nachfrage im öffentlichen Verkehr wächst.
Sein Status als Einkaufszentrum soll weiter gefestigt werden: Voraussichtlich 2025 wird Nike auf der Fläche des bisherigen SBB-Reisezentrums einen grossen Laden eröffnen. Im Untergeschoss stehen zudem mehrere Mieterwechsel an, auch neue Konzepte dürften einziehen.
Dass Umbauten den Umsatz beeinflussen können, zeigten die SBB zuletzt im Bahnhof Luzern. Ende 2022 wurde dort eine neue Markthalle mit verschiedenen Gastroangeboten eröffnet. Der Umsatz ist 2023 wohl auch dank dieser gegenüber dem Vorjahr um 11,1 Prozent auf 163 Millionen Franken gestiegen. Das ist mehr als 2019. Und mehr als bei den anderen Bahnhöfen: Insgesamt sind die Drittumsätze in den 31 grössten Bahnhöfen der SBB im vergangenen Jahr «nur» um 6,6 Prozent gestiegen – auf knapp 1,8 Milliarden Franken.
Der Detailhändler Coop betreibt im Bahnhof Luzern gar seine schweizweit meistfrequentierte Filiale, die jedes Jahr von 2,8 Millionen Menschen besucht wird. Zwar schaffte es der Bahnhof Luzern nicht in die Top Ten, dürfte aber ein Anwärter sein – und möglicherweise bald den Bahnhof Bern überholen, der letztes Jahr auf 190 Millionen Franken Umsatz kam (+4,4 Prozent), aber noch jahrelang von Baustellen geprägt sein wird.
Ladenflächen in Bahnhöfen und Flughäfen sind begehrt: Die Frequenzen sind hoch. Gleichzeitig können die Läden auch sonntags Personal beschäftigen. Hinzu kommen lange Öffnungszeiten. Von denselben Ausnahmeregeln profitiert auch der Flughafen Zürich.
Letztes Jahr wurden im öffentlich zugänglichen Teil des Flughafens und in der Überbauung The Circle 270 Millionen Franken umgesetzt. Zusammen mit den Restaurants und Läden nach der Sicherheitskontrolle, die nur mit Flugticket genutzt werden können, waren es 609 Millionen Franken und damit mehr als 2019. Die Zahl dürfte weiter zunehmen: Erstens wächst die Zahl der Flugpassagiere, aber auch die Bevölkerung der Region um den Flughafen stark an. Zweitens baut der Flughafen aus. Im Jahr 2027 soll ein Drittel mehr Fläche für den Detailhandel zur Verfügung stehen, wie Immobilienchefin Lydia Naef kürzlich zu CH Media sagte.
Wieder über den Werten von 2019 lag vergangenes Jahr auch das mit 78’000 Quadratmetern flächenmässig grösste Einkaufszentrum der Schweiz, das Shoppi Tivoli im aargauischen Spreitenbach. Centerleiter Patrick Stäuble sagt, er sei «sehr zufrieden». Die Frequenzen seien um 11 Prozent, der Umsatz um 2 Prozent gegenüber Vorjahr gestiegen. «Wenn die Kundinnen und Kunden shoppen gehen, werden die grossen Center mit einem grossen und breiten Angebot bevorzugt». Geholfen habe auch die neue Limmattalbahn. Die Ende 2022 eröffnete Tramlinie verbindet das Einkaufszentrum direkt mit der Stadt Zürich.
Gut lief es auch den Einkaufszentren Balexert in Vernier bei Genf oder der St.Galler Shopping Arena, die gar einen Umsatzrekord vermeldete. In den Top Ten findet sich auch das Seedamm-Center in Pfäffikon SZ, das laut Centerleiter Stefan Jenny dieses Jahr mit weiterem Wachstum rechnet. Gemäss Einschätzungen von Mobimag leicht unter dem Vorkrisenstand lag 2023 das Shoppyland in Schönbühl bei Bern. Die Eigentümerin, die Migros Aare, kommuniziert keine Zahlen und teilt mit, ein «seriöser Vergleich» sei nicht möglich.
Nicht verlässlich geschätzt werden kann der Umsatz der Mall of Switzerland in Ebikon LU. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Der Umsatz der Mall dürfte zwischen 200 und 250 Millionen Franken liegen. In der Branche unbestritten ist, dass sie mit 65’000 Quadratmetern Fläche zu gross gebaut wurde.
Erwartet wird aber auch, dass die Umsätze in der Mall wieder anziehen. Das liegt vor allem daran, dass der spanische Modekonzern Inditex mehrere Flächen gemietet hat. Bereits eröffnet wurde das Geschäft von Pull & Bear, noch dieses Jahr folgen sollen Läden der Inditex-Marken Zara und Stradivarius. Zudem soll es zwei neue Angebote im Sportbereich geben. Ein Platz in den Top Ten dürfte künftig drinliegen.
Möglich ist ein solcher auch für das Einkaufszentrum Zugerland in Steinhausen ZG, das vergangenes Jahr umgebaut wurde. Sicher ist die Top-Ten-Platzierung dem Sihlcity in Zürich, das letztes Jahr mehr Umsatz verzeichnete und das im Sommer wieder ein Hotel erhält. Zudem kündigt eine Sprecherin neue Konzepte im Bereich Mode an. Das Ende der Shoppingcenter wird noch einmal verschoben.
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