In sechs Minuten mit dem Extrabus von Zürich nach Bern: Das steckt hinter einem seltsamen Reisevorschlag in der SBB-App

Wo geht es nach Bern? Reisende im Zürcher HB. Bild: Tomek Baginski/Unsplash

Ein Datenfehler in der SBB-App sorgte am Wochenende vor einer Woche dafür, dass Reisende zwischen Zürich und Bern zum Teil auf einen Extrabus gelenkt wurden, der mit gut 1600 Kilometern pro Stunde hätte von Wetzikon nach Münsingen fahren sollen. Die SBB mussten extra Personal aufbieten. Das steckt dahinter.

von Stefan Ehrbar
4. Juni 2024

Die SBB-App ist eine der meist heruntergeladenen der Schweiz. Millionenfach ist sie auf Smartphones zu finden. Nicht nur Reisende aus der Schweiz, auch Touristinnen und Touristen nutzen die App, um den Fahrplan zu konsultieren oder Tickets zu kaufen.

Umso grösser ist der Schaden, wenn die Daten in der App fehlerhaft sind. Das mussten am Wochenende vor einer Woche mehrere Reisende zwischen Zürich und Bern erfahren. Die SBB-App schickte sie auf eine seltsame Reise.

Wer um kurz nach 13 Uhr von Zürich HB nach Bern reisen wollte, erhielt in der App eine einzigartige Verbindung angezeigt: Zunächst mit der Zürcher S5 nach Wetzikon ZH, von dort in einem Extrabus nach Münsingen BE, Kapellenweg, dann mit einem regulären Bus an den Bahnhof Münsingen und von dort mit der Berner S1 nach Bern.

Die Reisedauer wurde mit einer Stunde und 19 Minuten angegeben. Wegen Bauarbeiten zwischen Zürich und Bern war dies teilweise sogar die schnellste Verbindung. Nur: Natürlich verkehrte kein Extrabus von Wetzikon nach Münsingen – und ein Bus könnte diese etwa 160 Kilometer lange Strecke auch nicht in sechs Minuten zurücklegen, wie es in der App behauptet wurde. Mit einem solchen Tempo hätte der Bus gar die Schallmauer durchbrochen.

Vor allem Touristinnen und Touristen, die mit der Geografie der Schweiz nicht vertraut sind, konnten das aber nicht ahnen und wollten im Zürcher Hauptbahnhof am Samstag und Sonntag die S5 in die falsche Richtung besteigen, um so nach Bern zu gelangen. Die SBB mussten reagieren, indem sie auf den Bildschirmen Informationen anbrachten und Personal zu den S-Bahnen schickten, das die in die Irre geleiteten Reisenden vom Betreten der S5 abhielt und sie zum richtigen Zug brachte.

Dabei dürfte es sich um Dutzende Reisende gehandelt haben, darunter viele Touristinnen und Touristen aus Asien. Doch wie kam es zum Datenfehler – und weshalb konnte dieser zumindest für den Sonntag nicht behoben werden?

Schuld hätten nicht die SBB, sagt Sprecherin Sabrina Schellenberg. Der Fehler liege im Zürcher Oberland. Zum Problem sei es gekommen, weil die Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland (VZO) fehlerhafte Echtzeitdaten für Bahnersatzbusse geliefert hätten.

Bei der Erfassung der Daten für die Fahrplansysteme wurde dort nämlich ein Haltestellencode verwechselt: Statt der Nummer 8507908, die für den Bahnhof Kempten ZH steht, wählten die VZO-Leute die Nummer 8579087, hinter der sich die Haltestelle Münsingen, Kapellenweg verbirgt. Statt über die Zürcher Gemeinde fuhren die so erfassten Busse deshalb zumindest virtuell einen Umweg über die Berner Gemeinde.

Schellenberg sagt, leider könnten Echtzeitmeldungen nicht aus dem System entfernt, unterdrückt oder korrigiert werden. Die SBB hätten die VZO am Samstag über den Fehler informiert und im Online-Fahrplan eine Meldung aufgeschaltet, die auf den Fehler hingewiesen habe. An den betroffenen Bahnhöfen seien regelmässig Durchsagen gemacht worden und am Sonntag seien verschiedene Kundenlenkerinnen und Kundenlenker im Einsatz gestanden.

Seit Montag hat der Spuk wieder ein Ende – und bei den VZO dürfte man künftig ganz genau darauf achten, welche Zahl man eintippt.

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