Rheintalsperre in Deutschland: So funktioniert der Güterzug-Shuttle über alte Trassen im Elsass – die Reportage 🆓

Während der Rheintalsperre zwischen dem 9. und 30. August 2024 wird eine der wichtigsten europäischen Schienengüterverkehrskorridore und die wichtigste Versorgungslinie in die Schweiz stillgelegt. Diese Vollsperrung wurde notwendig um den südlichen Anschluss des Rastatter Tunnels fertigzustellen.

von Peider Trippi
12. August 2024


Sie möchten werbefrei lesen? Jetzt kostenlos testen!

SBB Cargo International hat zusammen mit Captrain France, DB InfraGO und SNCF Réseau ein Umleitungskonzept über drei Jahre erarbeitet. Dabei wurde auf einen Diesel-Shuttle auf der Strecke Wörth-Offenburg über das Elsass gesetzt.

Ein Personalpool von rund achtzig speziell ausgebildeten Triebfahrzeugführenden musste bereitgestellt werden. Diese führten die Güterzüge teilweise in doppelter Besatzung über die Grenze.

Für den Einsatz auf der nicht elektrifizierten Strecke durch Frankreich konnte Captrain France mit Unterstützung von Fret SNCF elf Diesellokomotiven vom Typ 75100 organisieren, die über eine Zulassung in Deutschland wie auch Frankreich verfügen.

Die Entwicklung dieses Konzeptes erforderte eine intensive Zusammenarbeit aller beteiligten Unternehmen.

Herausforderungen auf allen Ebenen

Die Herausforderungen waren gross. Zuerst musste auf französischer Seite ein Partner gefunden werden, der die notwendigen Ressourcen stellen kann. Und das auf einer Strecke, auf welcher ansonsten wenig bis kein Güterverkehr stattfindet.

Schnell wurden jedoch die grossen Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland deutlich. Die Kommunikation in zwei verschiedenen Sprachen mit zwei verschiedenen Eisenbahnmentalitäten und zwei verschiedenen Regelwerken ist und bleibt eine der grössten Herausforderungen. Dies gilt insbesondere für die Zusammenarbeit der beiden nationalen Infrastrukturen, die auf diesem Grenzabschnitt keine derart grossen Güterverkehrsströme kennen.

An unzähligen Meetings wurden Sicherheitsverantwortungen, betriebliche und technische Schnittstellen, Ressourcenplanung, Zugsparameter und Regelwerke diskutiert und harmonisiert. Dankenswerterweise hat die DB InfraGO den Mehraufwand des gesamten Projektes für die EVU erkannt und unterstützte es nicht nur inhaltlich, sondern auch finanziell.

Ausbau Personenverkehr wegen veralteter Trasse verunmöglicht, Gefahrengutzüge erlaubt

Weil der Trassenzustand in schlechter Verfassung ist, wurde der Region einen Ausbau des Schienenpersonenverkehrs durch SNCF Réseau vor zwei Jahren verweigert.

Ein Antrag einer betroffenen Gemeinde gegen die Aufnahme des Güterumleitungsverkehr wegen der achtzigjährigen, teils schlecht gewarteten Trasse, unbewachten Fussgänger-Übergänge und Häusern unmittelbar an der Bahnlinie wurde vom Gericht mit Beschluss vom 29. Juli 2024 abgelehnt.

Damit wurde der Weg frei für die rund vierzig Güterzüge pro Tag, teils mit chemischen Gefahrengut und Güterwagen mit Treibstoff.

Widerstände sind einprogrammiert

Die Forderung der Bahnbranche und der Schweizerischen Politik nach einer dauerhaften Umfahrungsmöglichkeit der Rheintalstrecke durch das Elsass ab 2030 bekommt wieder Auftrieb. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates (KVF-S) unterstützt den Ausbau des linksrheinischen Neat-Zubringers (Motion 24.3389 Ausbau linksrheinischer Neat-Zubringer im Interesse der Verlagerung vorantreiben) mit 9 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung.

Aus den siebzehn betroffenen Ortschaften in Deutschland und Frankreich ist mit Widerständen zu rechnen: Die geforderte Einführung des Nachtfahrbetriebs, die möglichen Aufhebungen von Bahnübergängen und bis zu 60 Güterzug-Frequenzen pro Tag (und Nacht) dürften zu Einsprachen von Bürgern und Gemeinden führen. Bei vier Dörfern führt die Linie durch den Dorfkern und bei weiteren acht führt die Trasse entlang von Wohnquartieren. Rund 60 Bahnübergänge müssten ertüchtigt respektive aufgehoben werden.

Eine Mitfinanzierung zur Streckenertüchtigung durch die Schweiz steht im Raum, da diese Strecke von besonderem Interesse für die Umsetzung der schweizerischen Verlagerungspolitik ist.

Gefahrengut-Güterzüge durchfahren Richtung Schweiz während des Umleiterverkehrs durch die Ortschaft Herrlisheim im Elsass. Bild: P. Trippi
Streckenertüchtigung im Bahnhof Lauterbourg Gleis 2 mittels Schraubzwingen – hier verkehren täglich schwere Güterzüge, teils mit Gefahrengut. Bild: P. Trippi
Während der Rheintalsperre werden Güterzüge mit Dieselloks durch das Elsass gezogen. Die Signalisierung im Dorf Lauterbourg erfolgt mit durch Seilzüge gesteuerte Formsignale. Bild: P. Trippi

Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren