Die Rhätische Bahn muss per 11. März das Angebot drastisch kürzen, obwohl bereits per Dezember Angebote eingestellt wurden. Zum Teil werden ganze Strecken auf Busse umgestellt. Denn die Absenzen nehmen weiter zu. Auch in Zürich ist die Lage angespannt. Anderswo hingegen will man von Personalmangel nichts wissen, zeigt die Umfrage.
von Stefan Ehrbar
30. Januar 2024
Die Rhätische Bahn (RhB) fährt durch die schönsten Regionen der Schweiz. Das ist auch ihrem Direktor Renato Fasciati bewusst. «Das sind Tage, an denen man bezahlen müsste, um zu arbeiten», sagte er kürzlich in einem SRF-Beitrag zu einem seiner Lokführer, der Videos aus dem Führerstand auf Social Media teilt. «Da beneide ich unsere Lokführenden.»
Nur: Verträumte Winterlandschaften und ein imposantes Bergpanorama reichen nicht mehr aus, um die Mitarbeitenden zufriedenzustellen. Die RhB kämpft mit einem Personalmangel. Bereits per Dezember 2022 dünnte die Bahn ihr Angebot aus. Betroffen waren allerdings nur Spezialfahrten wie Vollmond- oder Dampffahrten. Das ändert sich nun.
Per 11. März muss die Bahn zu einem Streichkonzert ansetzen. Rund drei Prozent der Leistungen werden abgebaut. Die Regio-Express-Züge von Landquart nach Scuol fahren nur noch bis Saglians, wobei einzelne Direktverbindungen erhalten bleiben. Die S-Bahn-Züge der Linien S1 und S2 von Thusis respektive Rhäzüns via Chur nach Schiers enden bereits in Landquart. Und zwischen Davos Platz und Filisur werden die Regionalzüge bis am 10. Mai und dann wieder vom 28. Oktober bis 14. Dezember ganz gestrichen und durch Busse ersetzt. Die Fahrzeit verlängert sich dadurch von 25 auf 51 Minuten.
Ebenfalls wird ein Zugpaar des Regio-Express Ilanz-Disentis am Abend durch einen Bus ersetzt, ebenso wie Zusatzzüge zwischen Chur und Arosa in der Sommersaison. Ganzjährig fallen auch die Randzeitenzüge morgens bis 6 Uhr und abends ab 20 Uhr zwischen Chur und Arosa aus. Sie werden mit Bussen ersetzt. Alle Änderungen sind im Online-Fahrplan bereits aufgeschaltet.
Die RhB begründet die Massnahmen mit einem Unterbestand von rund 15 Lokführerinnen und –führern. Weil heute mehr Züge unterwegs sind als früher, brauche es mehr Lokführer, aber auch mehr Bauarbeiten, ein Mangel an ausgebildetem Lokpersonal, mehr Fluktuation, erhöhte Krankheitsabsenzen und mehr Langzeitausfälle verschärften die Situation.
Dabei helfen bereits heute externe Lokführer der «Kleinen Roten» aus: Am Vereina fahren derzeit drei Mitarbeitende der Deutsche-Bahn-Tochter DB Cargo Schweiz gewisse Autoverladzüge, in den nächsten Wochen soll auch Personal der Berner Bahn BLS Dienste übernehmen. Diese Gespräche sind allerdings noch nicht final abgeschlossen. Die BLS hat in der Vergangenheit genügend Personal ausgebildet, um nun einspringen zu können. Daneben ist die RhB mit weiteren Anbietern für den Personalverleih im Gespräch.
Die RhB ist nicht der einzige Verkehrsbetrieb, dem Mitarbeitende fehlen – aber der einzige, der nun schon zum zweiten Mal das Angebot ausdünnen muss. Ebenfalls zu wenig Leute haben die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ). In der grössten Schweizer Stadt sind deshalb seit Dezember 2023 die Trams und Busse ab 20.30 Uhr nur noch im Viertelstundentakt unterwegs statt wie bisher alle 10 Minuten. Die Massnahme ist vorerst auf ein Jahr befristet. Damit werden werktags etwa drei Prozent der Dienste eingespart.
VBZ-Sprecher Leo Herrmann sagt, die Personalsituation sei und bleibe angespannt. Fürs Erste aber scheinen die Massnahmen Wirkung zu zeigen: Weitere Reduktionen seien im Moment nicht geplant. «Wir gehen davon aus, dass wir Ende dieses Jahres zum gewohnten Angebot zurückkehren können», sagt Herrmann. «Wir rechnen mit einer Besserung der Situation im Lauf des Jahres». Ungeplante Ausfälle könne es aber weiterhin geben – neben Krankheitsausfällen auch wegen Kollisionen, Blockierungen oder sonstigen externen Behinderungen.
In anderen Städten hingegen wird das normale Angebot gefahren. Bei den Basler Verkehrs-Betrieben heisst es, die Situation habe sich «weitestgehend entspannt». «Aktuell verzeichnen wir praktisch keine Kursausfälle mehr aufgrund von Personalmangel», sagt Sprecher Matthias Steiger. Der Abwesenheitsstand beim Fahrpersonal sei seit dem Jahreswechsel gesunken und habe sich auf einem – im Vergleich zur Situation vor der Corona-Krise – erhöhten Stand eingependelt.
Bei den Berner Verkehrsbetrieben Bernmobil heisst es, die Situation sei «weiterhin stabil». Laut Sprecherin Tanja Flühmann habe Bernmobil in der Vergangenheit immer das komplette Angebot fahren können und es gebe keine Anzeichen, dass sich das in naher Zukunft ändern werde.
Die Absenzen bewegten sich für die aktuelle Jahreszeit im normalen Durchschnitt und bei um die 30 Personen pro Tag. «Wir haben sehr wenige Kursausfälle, die sich im Promillebereich bewegen», sagt Flühmann. Im ganzen Monat Dezember seien nur acht Kurse bei Bernmobil ausgefallen. Ähnlich tönt es bei den SBB. Sie haben derzeit keinen Personalmangel, wie Sprecher Martin Meier sagt: «Die Personalsituation ist derzeit stabil, sodass der Bahnbetrieb normal produziert werden kann».
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