Neue Unterlagen des Bundesamt für Verkehr (BAV) zum laufenden Ausbau der Bahn zeigen: Von den versprochenen kürzeren Fahrzeiten bleibt wenig übrig – wegen dem Wako-Flop und dem Wegfall der Neigezüge. Dafür gibt es neue Fernverkehrs-Halte und dichtere Takte. Die Übersicht über die Neuerungen.
von Stefan Ehrbar
4. Juni 2024
Fast 13 Milliarden Franken bewilligte das Parlament vor fünf Jahren für den aktuellen Ausbau der Bahn, der bis etwa 2035 fertiggestellt sein sollte. Später beschloss es weitere Projekte. Mittlerweile rechnet der Bund laut CH Media mit Endkosten von 18 Milliarden Franken und einer Umsetzung bis etwa 2040. Doch nur weil es teurer wird, wird es nicht besser. Das zeigen neue Unterlagen des BAV.
Kürzere Fahrzeiten können auf vielen Strecken nicht realisiert werden, weil die SBB wegen technischer Problemen auf die Wako-Technologie in den Doppelstockzügen für den Fernverkehr verzichten, die schnelleres Fahren in Kurven erlaubt hätte. Hinzu kommt, dass die ursprüngliche Planung zu ambitioniert war, wie neue Berechnungen zeigen. Die Fahrzeiten, die ursprünglich für das neue Konzept hinterlegt waren, lassen sich in der Realität nicht mit einem zuverlässigen Betrieb vereinbaren. Derzeit arbeitet das BAV deshalb mit den Kantonen an einer Konsolidierung des Ausbauschritts.
Ende Mai veröffentlichte das Amt erste Resultate. Sie erlauben einen Blick auf neue Angebote, die Reisende etwa ab Mitte der 2030er-Jahre bis 2040 erwarten. Es ist nicht so viel, wie vor wenigen Jahren versprochen wurde.
Fahrzeiten
- Lausanne-Bern: Heute beträgt die Fahrzeit 67 Minuten. Dank Wako-Technologie wurde mit neu 61 Minuten gerechnet. Nun geht der Bund davon aus, dass die Reise künftig gar 68 Minuten dauert – und damit eine Minute länger als heute.
- Zwischen Lausanne und Visp steigt die Fahrzeit von 92 auf 96 Minuten.
- Zwischen Genf und Biel müssen Reisende mit einer Fahrzeit von 95 statt wie bisher 88 Minuten rechnen.
- Länger werden die Fahrzeiten auch auf Strecken wie Winterthur–St. Gallen (37 statt 33 Minuten), Bern–Interlaken Ost (55 statt 52 Minuten) oder Lausanne–Biel (64 statt 60 Minuten).
- Trotz neuem Zimmerberg-Basistunnel II werden die Fahrzeiten zwischen Zürich und Luzern nicht kürzer: Dort werden Reisende künftig 42 statt 41 Minuten unterwegs sein.
- Gegenüber heute kürzer werden dank dem Brüttenertunnel Reisen mit Intercity-Zügen zwischen Zürich und Winterthur (16 statt 24 Minuten bei Fahrt ohne Halt am Flughafen) und mit den Interregios von Zürich nach St. Gallen (69 statt 73 Minuten).
- Die Interregio-Züge von Basel via Brugg nach Zürich sind künftig 70 statt 73 Minuten unterwegs.
- Deutlich schneller wird dank der «ligne directe» die Fahrt zwischen Neuchâtel und La Chaux-de-Fonds: Sie dauert nach ihrer Eröffnung 14 statt 28 Minuten.
Verbesserungen im Fernverkehr
Auf vielen Verbindungen sollen Viertel- oder Halbstundentakte eingeführt werden. Im Fernverkehr sollen beispielsweise diese Verbindungen alle 15 Minuten verkehren:
- Genf-Lausanne
- Bern–Burgdorf (durch Überlagerung von Interregio- und Regio-Express-Zügen, wobei Letztere neu in Bern-Wankdorf halten sollen)
- Bern–Zürich (mit Halt in Aarau alle 30 Minuten)
- Bern-Freiburg
- Aarau–Lenzburg–Zürich
- Aarau–Brugg–Wettingen
- Zürich-Brugg
- Zürich–Zug–Luzern
- Zürich-Rotkreuz
Auf anderen Fernverkehrs-Linien entstehen neue Halbstundentakte, etwa auf diesen Verbindungen:
- Lausanne-St-Maurice
- Lausanne-Biel
- Romont–Lausanne
- Solothurn–Oensingen–Olten
- Basel–Biel (mit Verlängerung nach Genf jede Stunde)
- Basel–Aarau–Zürich
- Bern–Neuchâtel
- Bern–Interlaken Ost
- Bern–Luzern
- Zürich–St. Gallen mit dem Intercity, wobei ein Intercity pro Stunde in Wil halten soll und einer pro Stunde nach St. Margrethen verlängert werden soll.
- Zürich–Zürich Flughafen–Frauenfeld und Zürich–Frauenfeld ohne Halt am Flughafen. Durch die Kombination entsteht zwischen Zürich und Frauenfeld etwa ein Viertelstundentakt.
- Weinfelden-Konstanz
Verbesserungen im Regionalverkehr
Im Regionalverkehr entstehen ebenfalls neue 15-Minuten-Takte, beispielsweise auf folgenden Strecken:
- Bern-Münsingen
- Basel-Aesch
- Olten–Zofingen
- Zürich–Horgen Oberdorf
- Zürich-Kloten
- Zürich–Zürich Flughafen via Zürich Wipkingen
- Zürich–Winterthur via Wallisellen
- Zürich-Bülach
- Zürich–Regensdorf–Watt
- Zürich–Stettbach–Uster (langsame S-Bahn mit Halt an allen Stationen)
- Zürich-Stäfa
Auf anderen Strecken im Regionalverkehr werden neue Halbstundentakte eingeführt, beispielsweise:
- zwischen Muri AG und Othmarsingen
- zwischen Schwanden und Linthal im Glarnerland
- zwischen Zürich und Uster via Zürich Oerlikon mit Halt nur in Wallisellen und Oerlikon
Verbesserungen für einzelne Bahnhöfe
Daneben gibt es Verbesserungen, die einzelne Orte betreffen:
- In Egerkingen SO, Ebikon LU und Cham ZG sollen künftig Fernverkehrs-Züge halten.
- Neu sollen alle halbstündlich verkehrenden Fernverkehrs-Züge zwischen Zürich und Schaffhausen in Zürich Oerlikon und Bülach Halt machen statt wie bisher nur jeder zweite.
Was zu scheitern droht
Nicht alle vor einigen Jahren versprochenen neuen Angebote können umgesetzt werden – oder zumindest nicht mit Sicherheit. Das betrifft etwa folgende Verbindungen:
- Baar–Rotkreuz: Ob der Viertelstundentakt im Fernverkehr eingeführt werden kann, wird noch geprüft. Dasselbe gilt für den Viertelstundentakt zwischen Luzern und Rotkreuz.
- Nicht umgesetzt werden können laut dem BAV neue Fernverkehrs-Halte in Horgen und Zürich Enge. Denn gemäss aktuellem Planungsstand hätten die betreffenden Züge dann in Landquart und Chur keine Anschlüsse auf die Rhätische Bahn. Dieser Wegfall werde durch S-Bahnen kompensiert.
- Ob und wie eine neue schnelle S-Bahn von Dietikon nach Zürich eingeführt wird, ist noch offen.
- Noch nicht entschieden wurde im Fernverkehr über den Halbstundentakt des Regio-Express Olten–Luzern. Im Regionalverkehr wurde noch kein Entscheid gefällt über die Halbstundentakte Luzern–Engelberg und Luzern–Lungern sowie Viertelstundentakte etwa zwischen Täsch und Zermatt, Solothurn und Flumenthal oder Frauenfeld und Wil. Noch offen sind auch künftige Angebote auf den Netzen der Bahnen RBS und SZU um Bern respektive Zürich.
Nun will das BAV mit den Kantonen letzte offene Punkte regeln. Das Amt wird auch noch einmal Geld beantragen müssen, denn die Ausbauten werden noch einmal teurer, und es müssen zusätzliche Bahnhöfe ausgebaut werden. Das führt dazu, dass im nächsten Ausbauschritt weniger Geld für neue Grossprojekte wie den Luzerner Tiefbahnhof oder das Basler Herzstück verfügbar ist. Eine weitere Verzögerung ist deshalb realistisch.
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