SBB krempeln ihren grössten Bahnhof um: Diese Läden und Restaurants eröffnen neu – und diese langjährigem Mieter müssen raus

Ich bin auch ein Shoppingcenter: Der Zürcher HB. Bild: Teo Zac/Unsplash

Vor zehn Jahren ging die Zürcher Durchmesserlinie in Betrieb und mit ihr viele neue Läden im Hauptbahnhof. Deren Verträge laufen nun aus. Die Bahn nutzt die Gelegenheit. Sie krempelt das Angebot um. Viele langjährige Mieter müssen den Bahnhof verlassen. Das zeigt die exklusive Liste, die Mobimag vorliegt.

von Stefan Ehrbar
12. August 2024

Fast eine halbe Milliarde Franken Umsatz pro Jahr, 200 Geschäfte, Dienstleister und Restaurants, alle geöffnet an sieben Tagen in der Woche: Der Zürcher Hauptbahnhof ist eines der grössten und beliebtesten Shoppingcenter der Schweiz. Vor zehn Jahren wuchs das Einkaufszentrum mit Gleisanschluss noch einmal. Mit der Eröffnung der Durchmesserlinie und dem dazugehörigen Bahnhofteil gingen neue Ladenpassagen in Betrieb. Viele ihrer Mieter werden nun aber vor die Tür gestellt.

Die SBB krempeln das Angebot in ihrem grössten Bahnhof nämlich um. Die Mieterverträge vieler Läden, die seit 2014 im neuen Teil eingemietet sind, werden nach den ersten zehn Jahren nicht verlängert. Stattdessen setzen die SBB auf mehr Lokalkolorit und Schweizer Premieren.

Mobimag liegt die Liste der Mieterwechsel vor. In den nächsten Wochen und Monaten erwarten die täglich etwa 400’000 Nutzerinnen und Nutzer des Bahnhofs folgende neue Angebote:

  • Der Kioskkonzern Valora muss den letzten im HB verbliebenen Laden des Formats Avec räumen. Zum Zug kommt stattdessen der Reisegastro-Riese SSP aus London, der im HB bereits eine Filiale des Formats Pret a Manger betreibt. Er wird den ersten Schweizer Laden seines Convenience-Formats Point eröffnen, das auf frische Waren und Reisebedarf setzt.
  • Valora schliesst zudem eine Filiale des Kaffeeformats Spettacolino, die durch eine der Zürcher Kaffeekette Miró ersetzt wird.
  • Eine von zwei HB-Filialen des Migros-Format Hitzberger macht dem Take-Away-Konzept Ida & Frida Platz. Dieses SSP-Format kommt ebenfalls erstmals in die Schweiz. Es setzt auf gesunde Verpflegung mit Sandwiches, Wraps und Säften.
  • Der italienische Dessous-Anbieter Intimissimi muss Platz machen. An seiner Stelle zieht die französische Lingerie-Kette Etam in den Hauptbahnhof ein. Intimissimi bleibt mit einem Laden an der Bahnhofstrasse in der Nähe präsent.
  • Die Coop-Filiale kann ihre Fläche vergrössern.
  • Der dänische Schmuckanbieter Pandora wird durch eine Filiale des aargauischen Schmuck-Labels Sidang ersetzt. Pandora eröffnet dafür demnächst einen Laden an der Bahnhofstrasse, wie Mobimag weiss.
  • Der Kuchenladen Cakefriends macht dem Zürcher Getränke-Anbieter The Matcha Club Platz.
  • Die zweifach im HB vertretene, zu Coop gehörende Sushi-Kette Yooji’s gibt einen Standort auf. Stattdessen eröffnet die Zürcher Gastrokette Wiesner die erste Filiale ihres neuen Formats Negishi To Go. Neben klassischen Sushis soll es dort weitere japanische Spezialitäten wie Bento-Boxen oder Nudelsuppen geben, teilt die Firma auf Anfrage mit. Die Sushis würden direkt vor Ort gerollt und seien innert maximal einer Minute servierbereit.
  • Voraussichtlich Ende 2025 wird der US-Sportartikelhersteller Nike im Nordtrakt einen Flagship-Store eröffnen.
  • Vor kurzem eröffnet wurden neue Läden der Schweizer Gastro-Ketten Kaisin, House of Momos und M-Panada.

Die SBB teilt mit, sie wolle mit den Wechseln die Take-Away-Angebote in den stark frequentierten Bereichen konzentrieren und mit Geschäften kombinieren, deren Angebot auf Pendlerinnen und Pendler ausgerichtet sei. In den ruhigeren Passagen würden hingegen vor allem Ladengeschäfte und Dienstleister platziert.

Die neuen Angebote passen zur Strategie der Bahn, in den grossen Bahnhöfen mehr Platz für lokale Anbieter zu schaffen. Die Aufwertung soll aber auch gelingen, in dem an passenden Stellen hochwertige Gastronomie-Angebote geschaffen werden.

Im Südtrakt des Hauptbahnhofs, der vor wenigen Monaten nach einer langjährigen Renovierung wieder eröffnet wurde, mussten die Günstig-Anbieter Burger King und Nordsee weichen. Stattdessen eröffneten ein Fine-Dining-Restaurant, eine Pizzeria, in der eine Pizza Margherita 22.50 Franken kostet, oder ein Burger-Anbieter, der 23 Franken für einen Burger mit Pommes verlangt. Die Menükarte einer neuen Brasserie führte bei der Eröffnung Apéro-Gerichte mit Kaviar für 31 Franken, Rindsfilet für 65 Franken oder als Dessert eine Käseauswahl für 21 Franken auf.

Allerdings dürfte die SBB überschätzt haben, wie viele Leute in den Bahnhöfen bereit sind, solche Preise für ihr Essen zu bezahlen. Die ebenfalls neu im Südtrakt präsente, auf Poulet spezialisierte Restaurant-Kette Yardbird hat in den wenigen Monaten des Bestehens ihrer Bahnhofsfiliale bereits die Preise angepasst und die Öffnungszeiten verkürzt.

Der Chef der neuen Brasserie Valentin Diem wiederum sagte vor kurzem dem Tages-Anzeiger , er habe gemerkt, dass die Leute am Bahnhof «preissensibel» seien. Er habe deshalb das Angebot für sein Restaurant überarbeitet. Ab Ende dieser Woche soll ein neues Menü eingeführt werden. Zumindest im Gastro-Bereich stösst die durch die SBB forcierte Gentrifizierung an ihre Grenzen.

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