Lokführer-Präsident: «Werden die Probleme nicht behoben, springen viele wieder ab» (Abo)

«Der Beruf des Lokführers wird unattraktiv», warnt VSLF-Präsident Hubert Giger. Bild: SBB

Hubert Giger ist Präsident des Verband Schweizer Lokomotivführer und Anwärter (VSLF). Die Bahn habe zu viel Geld in digitale Systeme investiert, die den Menschen ersetzen sollten, kritisiert er. Im Interview verrät er, warum neue Züge einen «dauernd schüttelnden Arbeitsplatz bedeuten» und warum er der Personalplanung der SBB nicht traut.

von Stefan Ehrbar
6. Mai 2021


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Herr Giger, der VSLF vertritt die Interessen der Lokführer. Welches sind die derzeit drängendsten Probleme?
Das Missmanagement der vergangenen Jahre führte zu erheblichen Effizienzproblemen. Die permanenten Umstrukturierungen und unbrauchbare Planungstools verursachen nach wie vor Verluste in den Synergien und damit personelle Engpässe, die nur mit viel Flexibilität vom Basispersonal kompensiert werden können. Der jahrelange Unterbestand beim Lokpersonal oder die immer kürzeren Avisierungsfristen der Arbeitszuteilung sind eine direkte Folge davon. Das Bahn-Knowhow schwindet, Fachkompetenzen werden zunehmend isoliert, Schnittstellen nur bewirtschaftet und in der Folge die Verantwortlichkeiten delegiert.

Im letzten Jahr musste die SBB den Fahrplan teils ausdünnen, weil sie zu wenige Lokführer hatte. Wie konnte es zu dieser Situation kommen?
Man investierte zu viel Geld und Zeit in die Finanzierung und Mitentwicklung von digitalen Systemen, die den Menschen mittelfristig ersetzen sollten. Dazu gehört das vermeintlich automatische Planungssystem «Sopre», das mangels Eignung viele Ressourcen vernichtet und mehr Lokpersonalbedarf auslöst. Die Aus- und Weiterbildungen wurden vernachlässigt und seit Jahren über das Budget bestimmt anstatt über den effektiven Bedarf. Diese Investitionen schienen sich nicht mehr zu lohnen, da man sich mit der Automatisierung der Züge einen Ersatz erhoffte, oder zumindest eine Erleichterung, was das Jobprofil angeht. Die SBB war zudem ein grosser Treiber in der medialen Verbreitung ihrer Automatisierungspläne. Dadurch wurden viele potentielle Anwärter abgeschreckt. Vergessen wir nicht, dass im Sommer 2020 infolge Corona sämtlicher Eventverkehr und alle Nacht-S-Bahnen nicht fuhren, und trotzdem konnte die SBB ihren Auftrag nicht erfüllen und musste Züge planmässig stehen lassen.

Mittlerweile spricht die Bahn davon, dass der Sollbestand Mitte Jahr erreicht werde. Sind Sie ebenfalls optimistisch?


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