Der Blick ins Ausland (9): Die Innenstadt der Zukunft, Billig-Züge in Frankreich 🆓

So stellt sich Utrecht seine künftige Innenstadt vor. Bild: Gemeinde Utrecht

Jeden Samstag wirft Mobimag einen Blick auf aktuelle Ereignisse im Ausland. Diese Woche zeigt die niederländische Stadt Utrecht, wie sie ihre Innenstadt radikal umbauen will, die SNCF plant eine neue Billig-Linie und in Deutschland geht die Elektrifizierung viel zu langsam voran.

6. März 2021

Das Vorbild für die Innenstädte?

Mit seinen etwa 360’000 Einwohnern ist Utrecht nur wenig kleiner als Zürich. Die viertgrösste Stadt der Niederlande ist mit ihrer Altstadt und den Grachten als «kleines Amsterdam» auch bei Touristen beliebt.

Nun legt die Stadtregierung eine Vision für die Entwicklung der Innenstadt auf, wie sie vorbildlich für andere Städte sein könnte. Bis Ende April können sich die Bürger dazu äussern, im Herbst wird die Stadtregierung über die Umsetzung entscheiden.

Der Grundgedanke hinter der Vision ist, dass die Innenstadt der Ort bleiben soll, an dem verschiedene Funktionen aufeinandertreffen: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Studieren und Ausgehen.


Gerade die Coronakrise zeige, wie wichtig solche Treffpunkte seien und was uns fehle, wenn wir nicht mehr aufeinandertreffen könnten, schreibt die Regierung in der Vorlage. Sie glaubt deshalb nicht, dass die Innenstadt nach Corona verödet – im Gegenteil.

Zu den Plänen, die bis 2040 umgesetzt werden sollen, gehören etwa:

  • Mehr Grünflächen: Innenhöfe und Gassen sollen mehr Pflanzen erhalten, gleichzeitig soll es weniger versiegelte Flächen geben. Das hat neben der Steigerung der Aufenthalts- und Lebensqualität auch klimatische Gründe: Dieser Untergrund könne Wasser besser aufnehmen, argumentiert die Stadt – und mit dem Klimawandel würden stärkere Schauer häufiger. Hinzu kommt: Bäume spenden Schatten und sorgen für eine Abkühlung der Innenstadt.
  • Die Gebäude in der Innenstadt sollen mit erneuerbarer Energie versorgt werden. Die entsprechenden Vorrichtungen sollen im Untergrund eingebaut werden.
  • Die Menschen sollen sich in der Innenstadt zu Fuss oder mit dem Velo fortbewegen.
  • Auch der öffentliche Verkehr, Taxis oder Mitfahrgelegenheiten sind im Stadtzentrum willkommen, nicht zuletzt als Alternative für jene, die etwa körperlich beeinträchtigt sind.
  • Autos und Busse sollen das Strassenbild aber nicht mehr dominieren, das Tempo im Stadtzentrum soll jenes der Fussgänger und Velofahrer sein. «Andere Verkehrsträger passen sich dem an oder fahren rund um das Stadtzentrum.»
  • Autoparkplätze sollen künftig auf Tiefgaragen, Privatgrundstücke und Flächen ausserhalb des Stadtzentrums konzentriert sein.
  • Die Logistik soll zu einem grösseren Teil über das Wasser und mit emissionsfreien Verkehrsmitteln abgewickelt werden.
  • Neue Brücken über die Kanäle sollen es Menschen ermöglichen, die Innenstadt bequemer zu Fuss zu erreichen.

Ein Erklärvideo zur Vision 2040 auf Niederländisch:

Illusionen macht sich die Stadt keine. Das Nachtleben werde noch immer für Konflikte sorgen. Obwohl man ihre Situation verbessern wolle, würden auch Obdachlose weiter zur Stadt gehören. Velofahrer und Fussgänger würden sich auch in Zukunft in Quere kommen. Die Lebendigkeit der Stadt sieht Utrecht als wichtig an: Die Innenstadt solle sich 2040 nicht wie ein Museum anfühlen, aber auch nicht wie eine Touristenenklave oder ein normales Wohngebiet, sondern «ein lebendiges Viertel, in dem sich Menschen begegnen».

Theorie und Praxis sind auch in den Niederlanden zwei unterschiedliche Dinge. Nichtsdestotrotz lohnt sich der Blick in die Unterlagen der Stadtregierung. Sie zeigen auf, wohin die Reise auch in der Schweiz gehen könnte.

Plant die SNCF eine neue Billiglinie?

Die Zeitung «Les Echos» berichtet mit Verweis auf den Newsletter «Mobilettre», dass die französische Staatsbahn SNCF die Lancierung einer neuen Ultra-Billigmarke plane. Sie soll schon ab nächstem Jahr täglich die Strecke Paris-Lyon-Marseille bedienen, ab 2023 zudem Strecken von Paris in den Westen, etwa nach Rennes, Nantes oder Bordeaux.

Es wäre bereits die dritte Marke der SNCF. Neben dem Premiumprodukt TGV führt die SNCF auch die Marke «Ouigo». Diese nutzt ebenfalls TGV-Züge, bietet aber günstigere Tarife – etwa, weil es keine 1. Klasse gibt, weil nur wenig Gepäck mitgenommen werden darf oder weil Tickets nur online und mindestens vier Stunden im Voraus gekauft werden müssen.

Die neue Marke soll nun auch Ouigo preislich noch einmal deutlich unterbieben. Möglich ist das, weil deren Züge nicht auf Hochgeschwindigkeitsstrecken fahren sollen. Für diese müssen hohe Trassengebühren bezahlt werden. Zudem sollen die Züge mit lokbespannten Kompositionen mit den teils 40-jährigen Corail-Wagen geführt werden.


Die Züge der neuen Billigmarke wären damit deutlich langsamer unterwegs als die bisherigen Zugverbindungen. Allerdings zielen sie auch auf eine Kundschaft, der Zeitersparnisse weniger wichtig sind als ein günstiger Tarif.

Der Eisenbahn-Journalist Vernon Baseley analysiert in seinem Blog denn auch, dass die SNCF damit einerseits auf die Kundschaft der Fernbusse zielt, die auch in Frankreich der Bahn Kunden abgejagt haben. Andererseits könnte sich die SNCF damit aber auch auf einen Markteintritt des deutschen Mobilitätsanbieters Flixbus mit seiner Zugmarke Flixtrain vorbereiten.

Die Flixtrain-Züge verkehren ebenfalls mit älterem Wagenmaterial und einer längeren Fahrzeit, aber zu deutlich tieferen Preisen. Flixtrain hatte einen Markteintritt in Frankreich angekündigt, hat die Pläne zuletzt aber nicht weiterverfolgt. Laut Baseley könne die SNCF aber auch auf die neue Kundschaft zielen, die sich mit dem Verbot von Kurzstreckenflügen in Frankreich ergibt. Auf Strecken, auf denen es auch Zugverbindungen mit maximal zweieinhalb Stunden Fahrzeit gibt, sollen diese in Frankreich nach dem Willen der Regierung künftig verboten werden.

Elektrisierung im Kriechgang

In Deutschland sind noch immer 39 Prozent der Schienenkilometer nicht elektrifiziert. Wie die «Allianz pro Schiene» nun berechnet hat, müsste sich das Tempo der Elektrifizierung mehr als verachtfachen, damit die Bundesregierung ihre Ziele erreicht. Diese will bis 2025 auf 70 Prozent elektrifizierte Strecken kommen. Doch im vergangenen Jahr wurden nur gerade 65 Kilometer neu elektrifiziert. Nötig wären ab jetzt rund 570 Kilometer pro Jahr, um das Ziel zu erreichen.

Um bis auf 75 Prozent im Jahr 2030 zu gelangen, müsssten ab 2025 mindestens 330 Kilometer jährlich elektrifiziert werden – rund fünfmal so viele wie bisher.

Die «Allianz pro Schiene» kritisiert aber auch die Förderpolitik Deutschlands für Schienenfahrzeuge, die auf nicht elektrifizierten Strecken verkehren. So kann der Staat 40 bis 60 Prozent der Zusatzkosten übernehmen, die bei der Beschaffung von Schienenfahrzeugen mit alternativen Antrieben entstehen. Bei den Bussen hingegen betrage diese Förderquote bis 80 Prozent – eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung.

Der Stand der Elektrifizierung in Deutschland. Bild: Allianz pro Schiene

Auch sei noch unklar, ob sogenannte Zweikraftlokomotiven, die mit Diesel, aber auch elektrisch fahren können, gefördert werden könnten. Anders sei das bei Diesel-Lkw, deren Anschaffung finanziell gefördert werde.

Ein Beispiel für solche Fahrzeuge ist etwa der Brennstoffzellen-Zug, der ab dem 1. Mai in Baden-Württemberg im regulären Betrieb in den Netzen der Zollernalbbahn im Raum Tübingen fährt. Er hat laut «IWR» eine Reichweite von 1000 Kilometern und ist der weltweit erste zugelassene Personen-Regionalzug mit Brennstoffzellen zur Umwandlung von Wasserstoff und Sauerstoff in Elektrizität. Hergestellt wird er von Alstom.

Neue «Supersprinter»-Züge in Deutschland

Die Deutsche Bahn will Flughäfen besser anbinden und innerdeutschen Flügen mehr Konkurrenz machen. Wie die «Bild» berichtet, will sie neue «Supersprinter»-Züge einsetzen. Diese sollen die Strecke Düsseldorf – Köln – Frankfurt Flughafen – München 30 Minuten schneller zurücklegen als bisher. Die zwei täglichen Zugpaare auf dieser Strecke sollen etwa zwischen München und Köln weniger als 4 Stunden Fahrzeit benötigen. Auf dieser Strecke will die Deutsche Bahn mit der Lufthansa zusammenarbeiten.


Im Rahmen der neuen «Supersprinter»-Offensive sollem zudem Züge auf der Strecke Hamburg-Hannover-Frankfurt an den Flughafen Frankfurt verlängert werden und für die gesamte Strecke noch 3h 45 Minuten benötigen, 10 Minuten weniger als heute. Auf der Strecke Bonn/Köln – Berlin wiederum sollen drei Zugpaare täglich ohne Zwischenhalt verkehren. Reisezeit Köln-Berlin: Unter 4 Stunden und damit 25 Minuten weniger als heute.



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