Mehr Elektrobusse und Freizeit-Reisende, aber keine Verbesserungen der S-Bahn: Das plant der ZVV bis 2027

Wie geht der ZVV in die Zukunft? Bild: Pascal Meier / Unsplash

Der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) hat eine neue Strategie für die Jahre 2024 bis 2027. Wieso es bei der S-Bahn bis auf Weiteres keine Ausbauten geben wird, wie sich die Preise entwickeln sollen – und warum der Kantonsrat dem ZVV gegenüber der SBB den Rücken stärken will.

von Stefan Ehrbar
8. März 2022

Im ZVV sind zu normalen Zeiten fast 600 Millionen Fahrgäste pro Jahr unterwegs. Das ist ein Viertel aller ÖV-Fahrgäste der Schweiz. Der ZVV ist damit einer der wichtigsten Akteure des Systems – und hat nun eine neue Strategie für die Jahre 2024 bis 2027.

Der Zürcher Kantonsrat hat diese am 21. Februar mit einigen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Version genehmigt. Mobimag zeigt auf, wie der ZVV sich in den kommenden Jahren entwickeln soll.

  • Kostendeckungsgrad: Im ersten Pandemiejahr 2020 betrug der Kostendeckungsgrad des ZVV 62 Prozent. Die Werte für das Jahr 2021 stehen noch aus. Bis im Jahr 2026 soll er nicht unter 60 Prozent fallen, heisst es in der neuen Strategie. Das ist deutlich tiefer als vor der Krise, als der Kostendeckungsgrad 69 Prozent betrug – aber immer noch höher als in grossen Teilen der Schweiz. «Der einst sehr hohe Kostendeckungsgrad von 70% wird sich nicht so schnell erholen», sagte die zuständige Regierungsrätin Carmen Walker-Späh (FDP) in der Kantonsratsdebatte.
  • Preise: Trotz tieferem Kostendeckungsgrad sollen die Tarife nicht erhöht werden. «Um die Erholung der Nachfrage und damit auch der Verkehrserträge nicht zu gefährden, sind vorerst keine Preiserhöhungen vorgesehen», heisst es in der Strategie.
  • Ausbauten Tram: In den kommenden Jahren stehen im Tramnetz vor allem das Tram Affoltern in der Stadt Zürich vom Radiostudio nach Affoltern und die Verlängerung der Glattalbahn vom Flughafen Zürich nach Kloten Industrie im Vordergrund. Derzeit laufen die Projektierungsarbeiten. «Im Falle der gesicherten Finanzierung durch den Bund können die Projekte nach der Fertigstellung der Infrastruktur voraussichtlich 2028 und 2029 in Betrieb genommen werden», steht in der neuen Strategie.
  • Ausbauten S-Bahn: Bei der S-Bahn sind vor dem nächsten Ausbauschritt 2035 mit dem Brüttener Tunnel und dem vierten Gleis im Bahnhof Stadelhofen keine grossen Ausbauten mehr zu erwarten. «Im Bereich der Kernleistungen (Netz, Takt und Reisezeit) kann sich die Qualität nur beschränkt verbessern, da Ausbauten im Kernnetz der S-Bahn nicht möglich sind», beschreibt die ZVV-Strategie das Dilemma. «Da ab 2025 wieder mit steigenden Passagierzahlen zu rechnen ist, setzt sich der ZVV weiterhin dafür ein, gezielte Massnahmen bereits vor dem Bahnausbauschritt 2035 umzusetzen. Im Vordergrund stehen insbesondere Perronverlängerungen, die den Einsatz längerer Züge ermöglichen. Im Einzugsgebiet der SZU erfordert die starke Siedlungs- und Arbeitsplatzentwicklung umfangreiche Massnahmen. Der Betrieb soll mit gezielten Infrastrukturausbauten und leistungsfähigem Rollmaterial stabilisiert werden.»
  • Ausbau Bus: «Die Aufwertung nachfragestarker Buslinien in Stadtlandschaften und urbanen Wohnlandschaften wird vorangetrieben (Eigentrassierung, dichter Takt). Wo es die Nachfrage erlaubt oder erfordert, werden auf den übrigen Buslinien schrittweise Taktlücken geschlossen oder die Betriebszeiten angepasst», heisst es in der neuen ZVV-Strategie. Eingestellt wird dafür der Ticketverkauf in Regionalbussen.
  • Tempo 30: Der ZVV und Volkswirtschaftsdirektorin Walker-Späh vertreten eine kritische Haltung gegenüber Tempo 30 auf Hauptverkehrsstrassen, die vom Kantonsrat in der neuen Strategie bestätigt wurde. «Eine wesentliche Voraussetzung für einen attraktiven ÖV ist, dass er möglichst behinderungsfrei fahren kann und beispielsweise nicht durch zusätzliche Temporeduktionen verzögert und folglich gegenüber anderen Mobilitätsanbietern unattraktiver wird. Als Gegenmassnahmen stehen dabei zusätzliche Busspuren und Busbevorzugungen an Lichtsignalanlagen im Vordergrund. Der ZVV setzt sich bei den zuständigen Stellen mit Nachdruck dafür ein, dass Problemstellen, an denen Verlustzeiten entstehen, durch sinnvolle Lösungen behoben werden. Zudem soll auf Achsen des öffentlichen Verkehrs, wenn immer möglich, auf Massnahmen verzichtet werden, welche die Zuverlässigkeit des Betriebsablaufs mindern (z.B. Begegnungszonen, Tempo 30 oder Mischverkehrsflächen).»
  • Elektrifizierung: Der Busverkehr im ZVV soll bis 2040 keine Treibhausgasemissionen mehr verursachen. Bis 2035 sollen die Emissionen halbiert werden. Zunächst stehen für die Elektrifizierung die Städte im Vordergrund.
  • Freizeitverkehr: Der ZVV will künftig im Freizeitverkehr stärker wachsen, auch weil in Randzeiten die Belegung tief ist und keine Kapazitätsengpässe vorhanden sind. «Der Fokus der Marktbearbeitung in dieser Strategieperiode liegt auf dem Freizeitverkehr und damit verbunden auf einer besseren Auslastung der freien Kapazitäten in den Nebenverkehrszeiten», heisst es in der Strategie. «In diesem Bereich liegt grosses Potenzial, denn bereits heute macht der Freizeitverkehr rund die Hälfte der Gesamtmobilität im Kanton Zürich aus.»
  • Neue Mobilitätsformen: Auf Antrag der Verkehrskommission müssen die ÖV-Akteure auch mit Privaten zusammenarbeiten, um neue Mobilitätsformen zu testen. 
  • Mehr Sitzplätze: Der Kantonsrat ist unzufrieden mit den Kapazitäten, welche teilweise in der S-Bahn zur Verfügung stehen. Auf Anraten der Kommission hat er deshalb in der neuen Strategie verankert, dass die Belegung der Zürcher S-Bahn systematisch erfasst wird und zusätzliche Kompositionen bedarfsgerecht eingesetzt werden. Damit soll dem ZVV gegenüber der SBB der Rücken gestärkt werden, sagte Kommissionssprecher Alex Gantner (FDP). SP-Kantonsrat Felix Hoesch sagte: «Leider kommt es auch ausserhalb der typischen Stosszeiten vor, dass kurze S-Bahnen so stark genützt werden, dass Fahrgäste stehen müssen. Das ist uns unverständlich, vor allem in Pandemiezeiten. Wir fordern den ZVV auf, sich bei der SBB stark zu machen, die Belegung der S-Bahnen systematisch zu erfassen und zusätzliche Kompositionen bedarfsgerecht einzusetzen.» (Zum Mobimag-Interview mit Felix Hoesch)

Der Kantonsrat stimmte der neuen Strategie ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung zu.

Die gesamte Strategie als PDF-Dokument finden Sie hier (externer Link).

1 Comment

  1. Der ZVV soll endlich mal begreifen, dass Tempo 30 über alles auch eine Beschleunigung sein kann. In der Stosszeit verbessert die Reduktion der Maximalgeschwindigkeit den Verkehrsfluss, da scharfe Bremsmanöver weniger werden und es darum weniger Domino-Bremsen gibt.

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