Seit 14 Jahren stagniert der Anteil des öffentlichen Verkehr an den zurückgelegten Wegen. Das soll sich ändern: Unter anderem mit Parkplatzabbau, neuen Direktzügen und Probe-GA für 50-Jährige. Das schlägt die Branche in einer neuen Studie vor. Doch reicht das aus?
von Stefan Ehrbar
28. Juni 2021
Der Bund will den Anteil des öffentlichen Verkehr bis 2050 verdoppeln. Derzeit liegt er bei 13 Prozent der zurückgelegten Wege und bei 28 Prozent der zurückgelegten Distanzen. Seit Jahren hat sich daran nicht mehr viel geändert – trotz milliardenschweren Investitionen.
Am Freitag hat der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) nun ein Massnahmenpaket vorgestellt, mit dem der ÖV wieder an Beliebtheit gewinnen soll. Ausgearbeitet hat die Studie das Genfer Planungsbüro Citec. Einzeln betrachtet habe jede der 38 Massnahmen einen «mehr oder weniger signifikanten Einfluss», heisst es in einer Mitteilung. Studienleiter Philippe Gasser wird wie folgt zitiert: «Werden die vorgeschlagenen Massnahmen koordiniert, können sie als Ensemble eine Steigerung des ÖV-Modalsplits bewirken. Der Anteil an den mit dem ÖV zurückgelegten Distanzen kann von heute 28 auf über 40 Prozent steigen».
Die Massnahmen mit dem grössten Einfluss auf die Entwicklung des Modalsplit seien die Erhöhung und bessere Erschliessung des Angebots, die Entwicklung neuer Angebote für spezifische Nutzergruppen und Segmente wie etwa den Freizeitverkehr, die Koordination von Raum- und Verkehrsplanung, Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs sowie eine allgemeine Verbesserung des Images des ÖV bei den Benutzerinnen und Benutzern und in der breiten Öffentlichkeit.
Konkret werden in der Studie 38 Massnahmen vorgeschlagen, die in sechs Handlungsfelder unterteilt sind. Mobimag stellt sie im Folgenden detailliert vor. Die erläuternden Texte zu den Massnahmen stammen aus der Studie.
Handlungsfeld 1: Verbesserung des ÖV-Angebot
Dazu gehören diese Massnahmen:
- Erhöhung der Takftrequenz: Verbesserung der Taktfrequenz sowie der Ausdehnung der Betriebszeiten insbesondere in Gebieten mit mittlerer Erschliessungsqualität (Gürtel der grossen Agglomerationen sowie in den intermediären Zentren), wobei die Massnahmen speziell auf die Agglomerationen mit den Erschliessungsniveaus «AB» (das heisst eine Agglomeration mit dem Erschliessungsniveau A im Zentrum und einem Niveau B im weiteren Agglomerationsgebiet, zum Beispiel Neuenburg), «AC» (Olten-Zofingen) oder «BC» ausgerichtet sind.
- Verbesserung der Zugänge zum ÖV-Netz: Erhöhung der Anzahl der Haltestellen und Zugangspunkte zum Netz des öffentlichen Verkehrs, um eine bessere räumliche Abdeckung zu gewährleisten. Die Entfernung zur Haltestelle ist ein sehr empfindlicher Aspekt bei der Wahl des Verkehrsmittels. Es gilt daher, ein Optimum zwischen der Erhöhung der Haltestellenanzahl (bessere Erreichbarkeit) und der Erhöhung der Betriebsgeschwindigkeiten der Linien (höhere Leistung) zu finden. Eine bessere Zugänglichkeit des Netzes beruht zudem auch auf einer Verbesserung der Wegführung zu den Haltestellen, inklusive dem Erstellen von Abkürzungen.
- Priorisierung des öffentlichen Nahverkehrs gegenüber dem motorisierten Individualverkehr: Verbesserung der Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrs: Einrichten von speziellen Busspuren, Massnahmen betreffend Regulierung von Kreuzungen, generelle Priorisierung des öffentlichen Verkehrs auf den Hauptachsen, Beheben von Hindernissen im Busbetrieb.
- Einrichten von mehr Direktverbindungen: Planung von neuen Linien (insbesondere tangentiale Verbindungen) und Verbesserung der Anschlüsse, um Wartezeiten zu reduzieren. Tatsächlich ist eine direkte Fahrt (ohne Umsteigen) für die Fahrgäste manchmal wichtiger als die Gesamtreisezeit inklusive Umsteigens. Gewissen Beobachtungen der SBB zufolge bedeutet zusätzliches Umsteigen einen Kundenverlust von 20 Prozent.
- Verbesserung des Informationszugangs und der Benutzerfreundlichkeit: Digitale Verbreitung der Gesamtheit der Informationen: Vereinfachung und bessere Zugänglichkeit der Informationen betreffend den öffentlichen Verkehr (Fahrplan, Zugang, Störungen und mögliche Alternativen), einschliesslich der aktuellen Betriebslage, mit dem Ziel, die Zuverlässigkeit des öV zu verbessern und diesen gleichzeitig flexibler zu gestalten. Dank Daten der Telefonanbieter besteht die Möglichkeit, aktuelle Informationen über die Kapazität und die Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel und damit über die Verkehrsströme zu erhalten. Die Übermittlung soll freiwillig sein und im Gegenzug gezielte Informationen für die Benutzer bereitstellen.
- Verbesserung des Angebots dank neuer Technologien: Einsatz von selbstfahrenden Fahrzeugen (sobald einsatzbereit) im öffentlichen Verkehr zur Ergänzung des öV in Gebieten mit geringer Dichte oder zu Nebenverkehrszeiten. Diese Vorschläge eignen sich besonders für Agglomerationen für die Anbindung von Bahnhöfen, oder für ausgedehnte Areale mit geringer Dichte (Spitäler, Ausbildungszentren, Freizeitzentren).
- Erhöhung der Fahrzeug- und Streckenkapazität: Einsatz von Fahrzeugen mit höherer Kapazität, Verbesserung der Steuerungs- und Sicherungssysteme zur Erhöhung der Kapazität der Knotenpunkte (Bahnhöfe) bei gleichbleibender Infrastruktur.
- Ausbau des ÖV-Liniennetzes: Ausbau bestehender sowie Bau neuer Linien sowohl auf regionaler Ebene als auch auf Ebene der Agglomerationen.
Handlungsfeld 2: Entwicklung neuer Transportprodukte
- Entwicklung eines flexiblen, kurzfristigen Angebots für den Freizeitverkehr: Erarbeiten eines flexiblen Angebotsmodells, bei dem beispielsweise zu Beginn jeder Woche abhängig von der Wettervorhersage entschieden wird, ob eine Leistung erbracht wird, oder nicht. Die Attraktivität gewisser Ziele ist stark wetterabhängig, insbesondere in der Zwischensaison. Es ist daher sehr kostspielig und nicht unbedingt sinnvoll, ein fixes Angebot bereitzustellen. Die vorgeschlagene adaptive Lösung hingegen ermöglicht bei gleichbleibenden Kosten, den Einsatz der Ressourcen sowie die Attraktivität des öV-Angebots für den Freizeitverkehr zu verbessern. Es ist zu kostspielig, bestimmte Leistungen in den Bergen oder zu bestimmten Zielen (Sportdestinationen) ganzjährig zu betreiben. Anderseits ist es möglich, die schönen Wochenenden zu nutzen. Angenommen es würde fünf Tage vor dem jeweiligen Wochenende – abhängig von der Wetterprognose – ein Zusatzangebot beschlossen und dieses dann unabhängig vom tatsächlichen Wetter für das Wochenende aufrechterhalten, so wäre es möglich, Ausflugs- oder Freizeitziele an Wochenenden zu bedienen, für welche die Saison zu unsicher ist, um das Angebot ein Jahr im Voraus zu planen.
- Entwicklung von kombinierten Angeboten für Einkaufswege: Entwicklung von neuen Produkten, die es den Benutzerinnen und Benutzern ermöglichen, die Einkaufsmobilität zu verändern und die damit aufzeigen, dass Einkaufswege in den meisten Fällen sehr gut mit dem öV realisierbar sind. Diese Produkte (auf bestimmte Zeiträume des Jahres oder bestimmte Erzeuger ausgerichtete Angebote) können mit den in den meisten Einkaufszentren bereits existierenden Heimlieferdiensten koordiniert werden, oder von speziellen Plattformen angeboten werden. Ziel ist die Förderung neuer Einkaufspraktiken, die darin bestehen, Einkaufs- und Konsumorte aufzusuchen, ohne die Waren dann systematisch selbst zu transportieren.
- Entwicklung von kombinierten Angeboten für den Freizeitverkehr: Entwickeln spezifischer öV-Angebote im Freizeitverkehr: Gästekarten für Touristen, die den Aufenthalt und die öV-Nutzung miteinander verknüpfen, zum Beispiel in Form von Tageskarten, die den Gästen in bestimmten touristischen oder städtischen Regionen angeboten werden (entsprechend der Anzahl Hotelübernachtungen), oder in Form von kombinierten Angeboten. Ausserdem sollen Freizeitaktivitäten gefördert werden, die zu einer stärkeren Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel beitragen. Es geht darum, in touristischen Regionen Nischenprodukte rund um das Radfahren zu etablieren. An Wochenenden könnten auf bestimmten Strecken Züge mit erhöhter Velotransportkapazität eingesetzt werden. Des Weiteren könnte vermehrt für Wanderrouten mit unterschiedlichen Start- und Zielorten geworben werden, die sich gut mit dem öffentlichen Verkehr organisieren lassen.
- Entwicklung von Spezialaktionen für Tageszeiten mit geringer Auslastung des ÖV: Anbieten zusätzlicher Sonderangebote zu Zeiten mit geringer Auslastung mit dem Ziel, dank anreizgenerierendem Mobility Pricing die Nutzernachfrage steigern zu können, ohne das Verkehrsangebot erhöhen zu müssen.
- Bereitstellen von ÖV-Probeangeboten für bestimmte Nutzergruppen: Einführen eines gezielten -öV-Probeabosystems, um bestimmte Gruppen zu ermutigen, ein GA auszuprobieren (zum Beispiel Angebot eines einmonatigen Probe-GAs). Dabei soll den Menschen die Reisefreiheit bewusst werden, die ein solches Ticket bietet. Die Idee dabei ist, Angebote für junge Menschen zu entwickeln, die sich in einem Alter befinden, in dem sie überlegen, ob sie ihre Fahrprüfung machen und ein Auto kaufen sollen. Das Ziel dabei ist, diesen Menschen eine konkrete Vorstellung über die Vorteile der autofreien Mobilität zu vermitteln. Dabei gilt es, diesen Ansatz in den sozialen Netzwerken zu begleiten und den Austausch von Erfahrungen, die zur Nachahmung anregen, zu fördern. Ähnliche Angebote bieten sich für jene Personen an, die sich in den Ruhestand begeben und die die Vorteile des öV als Transportmittel für neue Freizeitaktivitäten nutzen können.
- Bereitstellen von Angeboten und Diensten zur Förderung der Multimodalität: Entwicklung von Angeboten, Produkten und Serviceleistungen, um die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel während jenen Reisen zu fördern, bei denen eine oder mehrere Etappen der Wege mit dem öV realisiert werden. Ziel ist es, den Nutzerinnen und Nutzern die Integration des öffentlichen Verkehrs zu erleichtern sowie diese spontaner zu gestalten. Ausserdem soll das Reisen zuverlässiger und komfortabler werden (Wahl des Verkehrsmittels je nach Wetterbedingungen, Bedürfnissen). Diese Massnahme impliziert eine Zentralisierung und Standardisierung der Informationen über das Angebot aller Verkehrsträger und ein zentrales System zur Übermittlung dieser Informationen an die Nutzerinnen und Nutzer (App).
- Entwicklung von Begleitmassnahmen, die auf «Wendepunkte» im Lebensverlauf zugeschnitten sind: Entwickeln von strukturierten Begleitmassnahmen zum Autoverzicht, in Form einer Prämie oder eines öV-Langzeitabonnements. Des Weiteren geht es darum, Bauträger (insbesondere die öffentliche Hand und Genossenschaften) zu ermutigen, verstärkt autofreie Wohnangebote zu verwirklichen, was im Falle einer guten ÖV-Erschliessung umsetzbar ist. In einem Kontext, in dem die Akteure (Bewohnerinnen und Bewohner, Kooperativen) zunehmend über alternative Wohn- und Mobilitätslösungen nachdenken, besteht die Idee darin, aktive Unterstützungsmassnahmen der lokalen Behörden zu definieren (Information, Pilotversuche, Unterstützung der Bewohnerinnen und Bewohner durch die Umsetzung spezifischer Serviceleistungen). Mittels dieser sollen Initiativen, die auf eine Reduzierung des Gebrauchs des PW ausgerichtet sind, und damit auf die Verkehrsverlagerung, gefördert werden können.
Handlungsfeld 3: Einflussnahme auf die Raumentwicklung
- Entwicklung eines öV-freundlichen, raumplanerischen Modells: Etablieren einer koordinierten Raumentwicklung mit Prinzipien, die den öffentlichen Verkehr begünstigen: Bodenpolitik (Verdichten in der Nähe von Bahnhöfen), Mischnutzungen, Zugang zu Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs sowie Siedlungsentwicklung ausschliesslich in den Korridoren des öffentlichen Verkehrs.
- Zusätzliche Fernverkehrshalte in den Agglomerationen: Reduzieren der ausgeprägten Polarität bestimmter Agglomerationen in Bezug auf den Schienenfernverkehr durch zusätzliche Haltepunkte, um die Konzentration der Verkehrsströme in den Hauptbahnhöfen zu verringern und einen Teil der Umsteigevorgänge zu reduzieren. Der Vorteil solcher Mehrfachknotenpunkte ist die bessere Verteilung der Verkehrsströme in den grossen Städten und die Reduktion des Umsteigens zwischen dem Schienenfernverkehr und dem Nahverkehr unter Beanspruchung der Stadtnetze oder des auf einen Bahnhof konzentrierten Regionalverkehrs. Diese Vision ist komplementär zum Konzept der Bahn 2000. Sie verwandelt die strategischen Verkehrsknotenpunkte in bipolare Zentren zur Erschliessung der grossen Kerngebiete.
- Ausgleichen der Pendlerströme: Umsetzung von Raumplanungsprinzipien, die einseitige Pendlerströme zu den Hauptverkehrszeiten vermeiden. Die Strategie besteht darin, die mit dem öffentlichen Verkehr gut erschlossenen «sekundären» Zentren zu stärken, um die Konzentration von Funktionen und Verkehrsströmen in den Hauptzentren der Schweiz zu begrenzen.
- Verbesserung der Zugänge zu den öV-Haltestellen: Verbesserung der Zugänge zu Haltestellen und Bahnhöfen: Einrichten von Abkürzungen, durchgehenden, direkten, sicheren und komfortablen Wegen und damit Reduktion der tatsächlichen und wahrgenommenen Entfernungen zu den öV-Knotenpunkten.
- Entwicklung neuer Quartiere mit gleichzeitiger Entwicklung eines effizienten öV-Angebots: Umsetzen grosser Stadtprojekte mit strukturierender Wirkung unter Einbezug der öV-Infrastruktur (Abstimmung mit den strukturierenden Verkehrsnetzen, insbesondere des Fernverkehrs, Bau neuer Linien oder neuer Bahnhöfe), Umsetzen einer entsprechenden Siedlungsentwicklung.
Handlungsfeld 4: Einflussnahme auf zeitliche Aspekte der Alltagsmobilität
- Allgemeines Einführen des gestaffelten Unterrichtsbeginns in grossen Schulen: Reduktion der Belegung der Fahrzeuge während den Stosszeiten, insbesondere durch Glätten der Verkehrsspitzen der Ausbildungswege.
- Förderung flexibler Arbeitszeiten im Tertiärsektor: Reduktion der Belegung der Fahrzeuge während den Stosszeiten, insbesondere durch Glätten der Verkehrsspitzen der Arbeitswege.
- Optimieren von Homeoffice und Smart Working: Anreizstiftende und unterstützende Massnahmen für Telearbeit und/oder nicht standortgebundenes Arbeiten zur Reduzierung der Pendelströme zu den Hauptverkehrszeiten.
Handlungsfeld 5: Stärkung der Akzeptanz des öffentlichen Verkehrs
- Förderung eines autofreien Lebensstils: Massnahmen, die darauf abzielen, den privaten Autobesitz aufzuschieben: Anreize (Ausprobieren des öV) oder Abschreckung (Besteuerung).
- Verbesserung der Wahrnehmung der Zuverlässigkeit des öV: Verbessern der Informationen über die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des öV; Weiterentwicklung der Dienstleistungen, des Informationsangebots sowie der Unterstützung von Nutzerinnen und Nutzern bei Verspätungen oder Betriebsstörungen.
- Entwicklung und Aufwertung von öV-ergänzenden Serviceleistungen: Entwickeln von Services, die auf gelegentlich auftretende Bedürfnisse ausgerichtet sind (Gepäcktransport, Begleitung, aussergewöhnliche Transporte.), für die der öffentliche Verkehr nicht sehr effizient ist und die ansonsten den Kauf eines persönlichen Fahrzeugs rechtfertigen können.
- Sensibilisierung für die Vorteile des ÖV durch Ausprobieren: Gezielt bestimmte Zielgruppen ansprechen und Probemöglichkeiten schaffen, um für die Vorteile des öV zu sensibilisieren. Ziel ist, zu zeigen, dass der öV neue Freiheiten und ungeahnte Möglichkeiten bietet, während er gleichzeitig dem Bedürfnis nach Flexibilität der Nutzerinnen und Nutzer gerecht wird.
- ÖV-Schulungen für bestimmte Zielgruppen: Schulungen zur Förderung einer stärker auf den öV ausgerichteten Mobilität (für junge Menschen, für Seniorinnen und Senioren, für Neuzugezogene einer Gemeinde oder neue Mitarbeitende am Arbeitsplatz).
- Aufbau eines positiven Images des ÖV mittels Kommunikation: Unterstützen von künstlerischen und marketingbezogenen Initiativen zur Förderung eines wünschenswerten Images des öV durch Aktionen, die auf Haltestellen, Linien und Umsteigepunkte ausgerichtet sind. Ziel ist es, die öffentlichen Verkehrsmittel aufzuwerten, ein positives kollektives Verständnis zu fördern und das Liniennetz im Stadtraum sichtbarer zu machen.
Handlungsfeld 6: Reduktion der Attraktivität des privaten Personenwagens
- Begrenzen des Parkplatzangebots in gewissen strategischen Zonen: Starke Reduktion von Parkplätzen in Gebieten mit guter öV-Erschliessung, um die Attraktivität des PW zu senken (mit Wirkung auf Lebensstilentscheidungen aber
auch auf Entscheidungen zur Alltagsmobilität). - Generelle Reduktion der Verkehrsgeschwindigkeiten: Herabsetzen der Tempolimits für PW, insbesondere in den Städten. Diese Geschwindigkeitsreduktionen begünstigen die gemeinsame Nutzung des Strassenraums der verschiedenen Verkehrsträger und den Fussverkehr, der eine Ergänzung des öV ist.
- Priorisieren des Logistik- und Serviceverkehrs und Einschränken des Pendelverkehrs: Angesichts der Verkehrsüberlastung in den Städten sind Massnahmen erforderlich, die darauf abzielen, den «nützlichen» motorisierten Verkehr (Lieferungen, Dienstleistungen, Zufahrtsberechtigte, etc.) zu begünstigen. Einführen von Zufahrtsbeschränkungen in bestimmten Gebieten und Begrenzung der (Pendel-)Ströme, die mit anderen Verkehrsträgern leichter bewältigt werden können.
- Schaffen von mehr Preistransparenz betreffend die Fahrkosten mit dem PW: Massnahmen zur Besteuerung der privaten Personenwagen (Erhöhung) und/oder zur Veranschaulichung der realen Kosten (pro Kilometer), Integration der Kosten, die von der Allgemeinheit (externe Kosten) und nicht von den Verbraucherinnen und Verbrauchern getragen werden. Kommunikationsmassnahmen mit Informationen zum Vergleich der Kosten der mit dem öV und mit dem privaten PW zurückgelegten Wege.
- Entkopplung von Parkplatz- und Wohnungsangebot: Trennen der Vermietung oder Nutzung eines Parkplatzes von derjenigen einer Wohnung. Aktives Unterstützen von Bewohnerinnen und Bewohnern, die auf ihr Auto verzichten möchten.
- Verknüpfen von Infrastrukturverbesserungen für den MIV mit gleichwertigen Verbesserungen zugunsten alternativer Verkehrsträger: Systematisches Begleiten jeglicher für notwendig erachteten Strassenausbaumassnahmen durch alternative Mobilitätsmassnahmen im Sinne einer Logik des Nachholens (oder Vorwegnehmens).
- Anpassung der Parkgebühren für bestimmte Verkehrserzeuger: Abschaffen des kostenlosen Parkplatzangebots für bestimmte Verkehrsverursacher, wie zum Beispiel Einkaufs- oder Freizeitzentren, auch ausserhalb dicht besiedelter Gebiete.
Doch reichen diese Massnahmen tatsächlich aus, um den Anteil des ÖV stark zu steigern – und können sie überhaupt umgesetzt werden? Daran gibt es Zweifel. Die Studie sei zu stark aus Sicht des klassischen ÖV gedacht, sagt etwa der Verkehrsforscher Thomas Sauter-Servaes von der ZHAW den Zeitungen von CH Media. Das Auto entwickle sich aktuell zu einem «Smartphone auf Rädern» und ermögliche damit neue Geschäftsmodelle. Es werde mit der Elektrifizierung auch wieder zu einem anderen Statussymbol. «Wie will man einen wettbewerbsfähigen ÖV kreieren, ohne die Trends und Dynamiken des mächtigen Konkurrenten Auto zu beachten?», so der Leiter des Studiengang Verkehrssysteme.
«Es geht um eine tiefgreifende Umgestaltung unseres Verkehrssystem, das jahrzehntelang autozentriert gedacht und zementiert wurde», sagt Sauter-Servaes. «Das werden wir nicht erreichen, indem wir einfach nur mehr von dem bestehenden ÖV-Angebot offerieren.» Ein guter Ansatz seien etwa Abo-Pakete mit Zeitguthaben für verschiedene Arten der Fortbewegung wie E-Trottinette, Velos oder Carsharing-Angebote. Mit Yumuv oder der SBB Green Class gebe es schon vielversprechende erste Projekte, so Sauter-Servaes. Auf dem Land müssten die Guthaben-Kombinationen dabei anders aussehen als in der Stadt. Die richtige Mischung zu finden, werde die grosse Herausforderung.
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