Wegen Abbau der Schalter: Im Kanton Zürich können ÖV-Nutzer ihre Tickets bald am Telefon kaufen

ZVV-Tickets soll es bald via Telefon geben. Bild: Jan Huber / Unsplash

Im Gebiet des Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) gibt es immer weniger bediente Schalter. Das hat die Politik auf den Plan gerufen. Der ZVV reagiert mit dem Ticketverkauf übers Telefon. Schon nächstes Jahr könnte es soweit sein. Ist das Projekt ein Vorbild für die ganze Schweiz?

von Stefan Ehrbar
23. November 2021

Aller Protest nützte nichts: Vor drei Jahren schloss der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) die von den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) betriebenen Verkaufsstellen am Goldbrunnen- und Schwamendingerplatz in der Stadt Zürich. Neben den SBB-Schaltern bleiben in der grössten Schweizer Stadt noch die VBZ-Beratungsstellen am Albisriederplatz, am Bellevue, am Paradeplatz und der ZVV-Schalter im Hauptbahnhof für den Ticketkauf bestehen.

Drei Kantonsräte wehrten sich damals mit einem Postulat gegen die Schliessung. Doch der ZVV blieb hart: Der Trend gehe sowieso in Richtung selbstbedienter Ticketverkauf, die Verkaufszahlen an den bedienten Verkaufsstellen dürften künftig weiter rückläufig sein, argumentierte der Zürcher Regierungsrat Ende 2020

Die Sorge ist allerdings vorhanden, dass es nicht bei der Schliessung der beiden Schaltern in der Stadt Zürich bleibt, sondern dass in den nächsten Monaten weitere ZVV-Verkaufsstellen und SBB-Schalter geschlossen werden. Trotzdem beantragt auch die zuständige Kommission im Kantonsrat, das Postulat abzuschreiben – und zwar, weil der ZVV eine Alternative präsentierte: Den Ticketverkauf per Telefon.

Menschen, die mit dem selbständigen Ticketkauf am Automaten, in der App oder im Internet Mühe haben, sollen künftig per Telefon ein Ticket kaufen können – und zwar auch Einzeltickets. Damit erfüllt der ZVV laut dem Bericht der Kommission die Vorgabe, dass «dafür gesorgt werden muss, dass alle Tickets einfach und ohne die insbesondere an SBB-Schaltern oft langen Wartezeiten erstanden werden können». Dabei gehe es um die «Versorgung mit Tickets für die weniger technikaffinen Teile der Bevölkerung».

Wie ZVV-Sprecher Thomas Kellenberger gegenüber Mobimag ausführt, setzt die Einführung des telefonischen Ticketverkaufs Anpassungen an den technischen Systemen und Prozessen der ÖV-Branche voraus. Entsprechende Machbarkeitsanalysen seien zurzeit im Gang. «Falls die Signale auf Grün stehen, ist eine Pilotierung möglich», so Kellenberger.

Ein Pilotprojekt könne ab Ende 2022 starten. Der geplante Ticketverkauf per Telefon werde zunächst den Besitz eines Swisspass voraussetzen. «Dadurch ist die erforderliche Identifikation gewährleistet», so Kellenberger. Das Ticket werde umgehend nach dem Kauf auf den Swisspass referenziert.

Der Dienst werde vom Kundendienst ZVV-Contact erbracht. Es werde eine Zusammenarbeit mit Dienstleistern im Bereich der Rechnungsstellung geben, Zuschläge fallen keine an. «Das System ist für Menschen gedacht, welche die digitalen Kanäle nicht nutzen können oder wollen. Insofern gehen wir von einem geringen Volumen aus», so Kellenberger.

Der neue Kanal könnte auch für andere ÖV-Unternehmen interessant werden. Zwar steigt die Quote der Kundinnen und Kunden, welche ihre Tickets selbständig erwerben. Im Jahr 2020 betrug sie bei der SBB bereits 93,4 Prozent. 61,5 Prozent aller Tickets wurden im vergangenen Jahr digital gekauft. Dabei handelt es sich um Käufe in der App, auf der Website oder um Fahrten mit der Check-In-Funktion. Zum Vergleich: Noch 2016 hatte diese Quote 26,4 Prozent betragen.

Die Verkäufe an den SBB-Schaltern nehmen hingegen seit Jahren ab und lagen 2020 auf einem historischen Tief von 6,0 Millionen, was einem Anteil von 6,7 Prozent entspricht. Im Jahr 2019, als die Coronapandemie die Zahlen noch nicht beeinflusst hatte, waren es 11,5 Millionen Tickets, was einem Anteil von damals 9,3 Prozent entsprach.

Es gibt also trotz allem weiterhin eine nicht zu vernachlässigende Kundengruppe, die ihre Tickets nicht selbständig oder online erwerben möchte oder kann. Sie trifft auf immer weniger bediente Schalter. Ende 2020 waren es bei der SBB noch 720 sogenannte Verkaufspunkte, wozu aber auch nicht von der SBB betriebene Schalter von sogenannten Agenturen zählen. Die Zahl der von der SBB betriebenen Schalter sank zwischen 2016 und 2020 von 170 auf 144.

Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei fast allen Schweizer ÖV-Betrieben. Der Test im ZVV dürfte deshalb aufmerksam beobachtet werden – und künftig vielleicht zum Argument werden, warum noch mehr Schalter aufgegeben werden können.

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