Millionenloch bei Bernmobil wegen hohen Strompreisen: So sieht es bei VBZ, VBL, BVB und Co. aus

Bernmobil braucht viel Strom, und der ist teuer. Bild: Bernmobil


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Die Berner Verkehrsbetriebe Bernmobil haben ein Problem: Weil sie Strom täglich im Markt einkaufen, klafft ein Millionenloch in der Kasse. Die Preise an den Strombörsen sind explodiert. Droht anderen Verkehrsbetrieben das gleiche – oder ist Bernmobil ein einsames Beispiel missglückter Spekulation?

von Stefan Ehrbar
4. Oktober 2022

Die Schlagzeilen tönten dramatisch: Bernmobil sei «in Schieflage», titelte SRF am 21. September. «Wären die Berner Verkehrsbetriebe Bernmobil ein normales Unternehmen, wäre es bankrott». Von einem «teuren Fehlschlag» schrieb die «Berner Zeitung», und SP-Nationalrat Eric Nussbaumer vermutete «Manager ohne Gemeinwohlverständnis» bei den Berner Verkehrsbetrieben, wie er auf Twitter schrieb. Was war geschehen?


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Im Jahr 2019 wollte Bernmobil die Strombeschaffung neu ausschreiben. Die Idee war, einen langfristigen Liefervertrag zu fixen Preisen abzuschliessen. Das passte der Stadtberner Regierung, dem Gemeinderat, nicht. Er wollte Bernmobil verpflichten, den Strom vom städtischen Versorger Energie Wasser Bern (EWB) zu beziehen.

Das wiederum rief den Berner SVP-Stadtrat Henri Beuchat auf den Plan. Er informierte die Wettbewerbskommission (Weko) – und diese kam zum Schluss: Die Stadt darf Bernmobil nicht verpflichten, bei ihrem eigenen Versorger einzukaufen. Damit würde sie das Beschaffungsrecht umgehen.

Der Gemeinderat wollte aber um jeden Preis verhindern, dass ein anderer Versorger als EWB zum Zug kommt – und fand ein Schlupfloch, das sich nun als fatal erweist. Wenn nämlich die Ware an einer Börse eingekauft wird, fand der Gemeinderat heraus, könnte Bernmobil den Vertrag weiterhin freihändig an die EWB vergeben. Die Weko winkte diese Lösung durch – unter einer Bedingung: EWB muss den Strom täglich zu aktuellen Preisen an den Strombörsen beschaffen. Einen langjährigen Vertrag mit fixen Preisen darf EWB Bernmobil mit diesem Modell nicht mehr anbieten. 


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Es ist eine Lösung, die die Nachteile des freien Marktes mit jenen des Monopols vereint: Bernmobil ist den Preisschwankungen an den Börsen völlig ausgesetzt und kann erst noch den Versorger nicht wählen. 

Der Strompreis an den Börsen in den letzten Monaten. Bild: swenex.ch

Weil die Preise an den Strombörsen sich in den letzten Monaten vervielfacht haben, steht Bernmobil nun vor einem ernsthaften Problem. Die Reserven wurden nämlich schon im Zug der Coronakrise aufgelöst. Eigenhändig Preise erhöhen kann Bernmobil nicht. «Wir rechnen mit Mehrkosten in Millionenhöhe und haben keine Reserven mehr», sagte Bernmobil-Sprecher Rolf Meyer dem SRF. Wie das Loch gestopft werden soll, ist noch unklar. Meyer spricht von «Kompensationen in anderen Bereichen», die neu zuständige Verkehrsdirektorin Marieke Kruit (SP) liess sich damit zitieren, man müsse beginnen, «in Optionen zu denken». Man werde das Handeln bei der Strompreisbeschaffung «sehr kritisch» hinterfragen.


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Das Beispiel zeigt auch, wie wenig es bringt, wenn Betriebe der öffentlichen Hand zwar eigenständig und ausgegliedert werden, die öffentliche Hand dann aber doch in allen Belangen mitredet. Ähnliche Konstrukte gibt es allerdings in fast allen grösseren Städten, nur in Zürich sind die Verkehrsbetriebe (VBZ) noch immer ein Teil der städtischen Verwaltung. Stehen nun auch andere Verkehrsbetriebe vor ähnlichen Problemen wie Bernmobil? Droht ihnen ein Millionenloch und Pendlern höhere Preise?

Mobimag hat sich bei den VBZ, VBL, Stadtbus Winterthur, den Verkehrsbetrieben Biel und den BVB erkundigt, wie sie den Strom beschaffen und welche Folgen der gestiegene Preis hat.

Fein raus sind die Verkehrsbetriebe Biel. «Wir beziehen unseren Strom von ESB (Energie Service Biel/Bienne) aus der Grundversorgung», sagt Sprecherin Sarah Walter. «Die Preisentwicklung in der Grundversorgung ist stark reguliert und kontrolliert, weshalb wir von starken Preisschwankungen verschont bleiben.»

Anders sieht es bei den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) aus. Der aktuelle Vertrag mit dem Versorger IWB laufe per 31.12.2022 aus, sagt Sprecher Benjamin Schmid. «Der Strombedarf für die Jahre 2023 – 2027 für die Verbrauchsstellen am freien Markt wurde dieses Jahr gemäss Beschaffungsgesetz öffentlich ausgeschrieben. Zuschlagempfängerin ist IWB.» Die BVB beziehen den Strom im «Tranchenmodell», bei dem sich die Preisbildung am Börsenpreis zum Zeitpunkt des jeweiligen Tranchenkaufs orientiert.

Das hat Folgen: «Mehrkosten können aufgrund der Volatilität der Börse nicht abschliessend beziffert werden. Aktuell zeigen unsere Hochrechnungen Mehrkosten im Millionen-Bereich», sagt Schmid. Wie diese Mehrkosten kompensiert werden können, darüber befinden sich die BVB «seit längerer Zeit in engem Austausch mit unserem Eigner, dem Kanton Basel-Stadt». Ob es Ende 2023 eine Preiserhöhung brauche, könne noch nicht gesagt werden.

Auf ein ähnliches Modell setzen die Verkehrsbetriebe Luzern (VBL). «Die VBL AG kauft den Fahrstrom auf dem freien Strommarkt mit Fixpreisen und nicht spontan an der täglichen Strombörse ein. Den Fahrstrom beziehen wir zu 100 Prozent bei der Firma EWL Energie Wasser Luzern», sagt Sprecher Sämi Deubelbeiss. «Für das Jahr 2022 haben wir den Strom bereits seit längerem eingekauft und werden daher im laufenden Jahr keinen Mehraufwand haben. Für das Jahr 2023 haben wir die Hälfte und für das Jahr 2024 rund einen Drittel des Strombedarfs bereits günstig eingekauft. Den restlichen Bedarf werden wir voraussichtlich zu deutlich höheren Preisen einkaufen müssen, was in den Jahren 2023 und 2024 zu einem Mehraufwand von mehreren Millionen Franken führen würde.»

Für das Jahr 2023 habe die VBL die Offerte beim Verkehrsverbund Luzern VVL jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit tieferen Strompreisen eingereicht. «Aktuell klären wir ab, ob wir die Offerte 2023 noch einmal mit den höheren Strompreisen eingeben dürfen, damit wir nicht einen vorhersehbaren Millionenverlust einfahren werden. Einen solchen Verlust müsste die VBL AG über die Spezialreserven decken.» Über eine allgemeine Preiserhöhung entscheide schlussendlich die gesamte öV-Branche.

Anders gelöst ist das Problem steigender Energiepreise im Zürcher Verkehrsverbund (ZVV). Dort werden in diesem Bereich die effektiven Kosten nachkalkuliert und betreffen darum vor allem den Verbund, nicht die Betriebe direkt. Dass es Mehrkosten gibt, ist klar: Der ZVV hat bereits 25 Millionen Franken mehr für nächstes Jahr einkalkuliert, eine Preiserhöhung wird laut Sprecher Thomas Kellenberger wieder zum Thema (Mobimag berichtete).

Zu den Betrieben im ZVV, die viel Strom einkaufen, gehört Stadtbus Winterthur (SBW). Der Betrieb beschafft den Strom im Markt. «Für 2022 wurde der Strom frühzeitig gesichert», sagt Sprecherin Marlen Schellmann. Es entstünden deshalb keine wesentlichen Mehrkosten. «Ab 2023 sind aber deutlich höhere Stromkosten zu erwarten.» Mit Sparanstrengungen könne nur ein kleiner Teil kompensiert werden.

Ein Spezialfall sind die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), die anders als die meisten städtischen Verkehrsbetriebe nie aus der städtischen Verwaltung ausgegliedert wurden. Die Strombeschaffung geschehe somit stadtintern seit Jahrzehnten über die Elektrizitätswerke der Stadt (EWZ), sagt Sprecherin Daniela Tobler. Zudem produzierten die VBZ selbst Solarstrom.

Für Haltestellen und Gebäude beziehen die VBZ den Strom aus der Grundversorgung, deren Tarife das EWZ per 2023 nur geringfügig erhöht. Beim Traktionsstrom für Tram und Trolleybus geht es laut Tobler hingegen um grosse Energiemengen. Für diesen Bereich gelte seit 2020 ein verwaltungsinterner Vertrag mit dem EWZ. Die Preise orientierten sich am Markt. Der Mechanismus sieht eine jährliche Preisanpassung vor, die jeweils am 1. April für das Folgejahr festgelegt wird. Die konkreten Preise, die die VBZ für das Jahr 2022 bezahlen müssen, wurden demnach bereits am 1.4.2021 definiert. «Das Niveau liegt nur leicht über demjenigen des Vorjahres», sagt Tobler. «Die extremen Peaks an den Spotmärkten in den vergangenen Monaten haben also nicht durchgeschlagen.» Sie würden sich dank dieses Mechanismus auch 2023 «nur gedämpft auswirken».


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