Zürich sperrt im Sommer mehrere Strassen – Basel will nachziehen, Bern prüft weitere Autofrei-Zonen 🆓

Während fünf Wochen sperrt die Stadt Zürich im Sommer mehrere Quartierstrassen. Der erstmalige Versuch soll die Strassen «bespielbar» machen – etwa für Kinder und Jugendliche, aber auch für Gewerbetreibende. In Bern, wo es solche Projekte schon gibt, könnten die nun ausgeweitet werden – und Basel will ebenfalls nachziehen.

Die Autos sollen weg: Dieser Abschnitt der Zürcher Konradstrasse wird im Sommer autofrei. Bild: Mobimag

von Stefan Ehrbar
22. März 2021

«Brings uf d’Strass» heisst das Projekt, mit dem das Zürcher Tiefbauamt sieben Wochen lang mehrere Quartierstrassen sperrt. Ziel des Projektes ist, dass die Quartierbevölkerung die umgestalteten Strassen sicher nutzen kann, wie Tiefbauamts-Sprecherin Evelyne Richiger sagt. «Darum sind die Strassen während den Sommerferien für den motorisierten Invidivualverkehr nicht befahrbar.»

Die Sommerferien dauern zwar nur fünf Wochen, doch weil je eine Woche für den Auf- und Abbau geplant wird, werden die Strassen für insgesamt sieben Wochen nicht befahrbar sein – mit Ausnahme von Rettungsfahrzeugen, Zubringern, Velofahrenden und Handwerkern. «Auch der Güterumschlag ist nach wie vor möglich», so Richiger.


Ein konkretes Projekt gebe es noch nicht. «Die Idee ist, die Quartierstrassen temporär für den Aufenthalt zu nutzen, zum Beispiel für Kinder und Jugendliche, die ihre Sommerferien in der Stadt verbringen. Das lokale Gewerbe könnte eventuell seine Angebote im öffentlichen Raum sichtbarer machen.» Anwohner und lokale Gewerbetreibende sollen denn auch in die Gestaltung einbezogen werden. Auch Aussenflächen für die Gastronomie seien «eine mögliche Form», so Richiger. «Die konkrete Gestaltung wird im Moment erarbeitet.»

Gesperrt werden Strassen in den Kreisen 1 bis 5, nämlich:

  • Die Zähringerstrasse und Häringstrasse
  • Die Fritschistrasse
  • Die Rotwandstrasse auf dem Abschnitt Zeughaus- bis Lutherstrasse
  • Die Ankerstrasse auf dem Abschnitt Badener- bis Zweierstrasse
  • Die Konradstrasse auf dem Abschnitt Radgasse bis Klingenstrasse

Damit der Verkehr trotzdem fliessen kann, werden dafür auf umliegenden Strassen Einbahnen oder Fahrverbote aufgehoben.

Wie kam die Stadt Zürich auf diese Idee? Richiger sagt: «In Gebieten mit einer hohen oder wachsenden Nutzungsdichte steigt das Bedürfnis nach Orten für den Aufenthalt sowie für Spiel und Begegnung. Mit dem Projekt «Brings uf d’ Strass!» möchte das Tiefbauamt das Wohnumfeld von Anwohnenden, für die wenig öffentlicher Freiraum zur Verfügung steht, und Personen, die ihre Sommerferien in der Stadt Zürich verbringen, aufwerten.»

Wie es nach der ersten Ausgabe des Projekts im Sommer weitergeht, ist noch offen. Das hänge vom Echo und den Erfahrungen ab, so die Tiefbauamts-Chefin.

In den USA sind solche «block partys» schon seit den 70er-Jahren populär – allerdings nur für einzelne Tage, nicht für mehrere Wochen. Auch in der Schweiz gibt es ähnliche Projekte.

In der Stadt Bern gibt es seit 2018 temporäre Strassensperrungen. Im Länggass-Quartier wird die Mittelstrasse jeweils am Donnerstag- und Freitagabend gesperrt, und zwar im Juni bis zu den Sommerferien und zwischen Ende der Sommerferien und Anfang der Herbstferien. Letztes Jahr und 2019 sei zudem die angrenzende Zähringerstrasse jeden Samstagnachmittag verkehrsfrei gemacht worden, sagt Mirjam Messerli von der Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün. Für dieses Jahr seien wieder die Mittel- und Zähringerstrasse vorgesehen.

Doch dabei bleibt es nicht. «Für andere Stadtteile laufen Abklärungen, ob temporäre Sperrungen gewünscht und möglich wären», sagt Messerli. Die Stadt habe mit ihnen gute Erfahrungen gemacht und positive Rückmeldungen aus den Quartieren erhalten.  «Solche Projekte tragen dazu bei, dass der öffentliche Raum von den Bewohnerinnen und Bewohnern sicher zum Spielen, Verweilen, Picknicken und so weiter genutzt werden kann», sagt sie. «Wichtig ist, dass solche Massnahmen aus einem Bedürfnis aus dem Quartier entstehen und mit den dortigen Gewerbetreibenden abgesprochen sind.»


In Basel-Stadt sind Strassensperrungen gar Teil der übergeordneten Mobilitätsstrategie. «Die kürzlich beschlossenen Stossrichtungen dieser Strategie sehen vor, dass wir künftig ausgewählte Strassen temporär oder dauerhaft für Menschen autofrei erlebbar machen und so Potenziale für eine lebenswerte Stadt aufzeigen», sagt Daniel Hofer, Sprecher des Bau- und Verkehrsdepartementes. »Mittelfristig sollen mehr Quartierparkings den Spielraum für solche Massnahmen verbessern.» Unter Quartierparkings versteht Basel-Stadt das Modell, Parkplätze in den Quartieren zugunsten von Parkhäusern in der Nähe abzubauen. Diese sollen auch unterirdisch gebaut werden (Mobimag berichtete).

Zudem arbeite Basel-Stadt «kontinuierlich an fussgängerfreundlichen öffentlichen Räumen» und schaffe bei praktisch jeder Umgestaltung mehr Flächen für Aufenthalt und Fussverkehr, so Hofer. Konkrete Vorhaben gebe es allerdings noch nicht, man beobachte die Idee aber mit Interesse. «Die Umwidmung von Verkehrsflächen für mehr Aufenthalt wird aber gerade in der Politik intensiv diskutiert. Aktuell liegen zum Beispiel zwei Motionen beim Grossen Rat, die für die kommenden Monate mehr Platz für Aussengastronomie durch temporäre Umwidmung von Verkehrsflächen verlangen», sagt Hofer.

Fussballspiele statt Autos, Boulevardcafés statt Parkplätze? Die Ideen sind lanciert. Politisch dürften sie noch zu reden geben.



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