Fünfeinhalb Stunden Stau pro Tag an der Schweizer Grenze: Das sind die aktuellen Stau-Hotspots auf Autobahnen

Letztes Jahr nahm der Stau wieder deutlich zu. Bild: Tim Bernhard / Unsplash

An der Grenze zu Italien staute sich der Verkehr letztes Jahr 5,5 Stunden pro Tag. Die Region Zürich bleibt ein Stauschwerpunkt. Pendler, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, sind selbst zu Stosszeiten nicht primär für den stockenden Verkehr verantwortlich, sondern jene, die in der Freizeit unterwegs sind. 

von Stefan Ehrbar
9. August 2022

Die Jahre 2019 und 2020 waren eine Anomalie in der Geschichte der Schweizer Autobahnen: Erstmals seit Jahren sank damals die Zahl der Staustunden. Das lag an der Coronakrise, die zu mehr Homeoffice und damit weniger Pendel-Verkehr sowie dank «Bleiben Sie Zuhause»-Losungen auch zu weniger Freizeitverkehr führte. Doch schon 2021 stockte der Verkehr wieder deutlich häufiger, wie neue Daten des Bundesamt für Strassen (Astra) zeigen. Mobimag hat sie ausgewertet.

Absoluter Spitzenreiter war letztes Jahr die A2 in Chiasso beim Grenzübergang in Richtung Italien. Während 2’000 Stunden staute sich der Verkehr auf diesem Abschnitt – fast 5,5 Stunden täglich. Im Jahr zuvor waren es nicht einmal halb so viele Staustunden gewesen.

Die starke Zunahme führt das Astra auf die Zunahme des Pendlerverkehrs durch Grenzgänger zurück – aber auch auf den Ferienreise- und Freizeitverkehr. Dass dieser deutlich zugenommen hat, zeigt sich auf der ganzen Strecke der Autobahn A2. Der Abschnitt vor dem Gotthard-Nordportal in Richtung Tessin schaffte es letztes Jahr mit etwa 1500 Staustunden in die Top 5 der staureichsten Abschnitte. Hier macht der Pendelverkehr nur einen sehr kleinen Anteil aus – und die Staustunden fokussieren sich auf wenige Tage rund um Ferienbeginn und Feiertage.

Folgende Grafik zeigt die Anzahl der jährlichen Staustunden auf den 20 meist betroffenen Abschnitten für die Jahre 2018 bis 2021:

Wie aus den Daten hervorgeht, ist einerseits die Nord-Süd-Achse mit ihrem hohen Grenzgänger- und Freizeitverkehr ein Stau-Hotspot, andererseits aber auch das Autobahnnetz rund um Zürich. Unter den meistbelasteten 10 Abschnitten finden sich fünf aus der Region Zürich. Auf der A3 vor der Verzweigung Limmattal in Richtung Basel staute es letztes Jahr etwa während 1700 Stunden – das sind durchschnittlich über 4,5 Stunden täglich. Zurückzuführen ist das hauptsächlich auf Baustellen im Bereich des Limmattaler Kreuzes. Die Rückstaus von der Nordumfahrung der A1 auf die A3 hätten dort wieder «spürbar zugelegt», so das Astra.

Auch auf dem Nordring staute sich der Verkehr in dieser Grössenordnung und wieder häufiger als im Jahr zuvor. In Fahrtrichtung Bern entspannte sich die Lage zwar teilweise: Auf den Abschnitten rund um den Stelzen-Tunnel löste sich der Stau letztes Jahr etwa fast auf, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass die Nordumfahrung bis auf den Gubristtunnel seit Mitte 2020 durchgehend sechsspurig befahrbar ist. In Gegenrichtung trifft das allerdings nicht zu. «Eine grössere Zunahme der Staustunden ist in Richtung Osten ab Wallisellen zurück bis zum Stelzen-Tunnel feststellbar», schreibt das Astra dazu.

Auf der A1 in der Region Zürich war die Staumenge im Jahr 2021 noch 11,5 Prozent tiefer als 2019. In der Region Basel haben die Staustunden auf der A2 in Fahrtrichtung Süd zwischen Wiese, Hagnau und Augst das Niveau von vor Corona bereits wieder erreicht. In der Region Luzern hingegen lag das Stauniveau 2021 noch immer etwa ein Drittel unter jenem des Jahres 2019, in der Region Bern/Solothurn gar über einen Drittel tiefer. In der Region Lémanique stiegen die Staustunden in der zweiten Jahreshälfte wieder auf das Niveau von 2019 an, in der Region Gotthard lagen sie über das ganze Jahr gesehen 5,2 Prozent über dem Niveau von 2019 und im Tessin gab es auf einzelnen Abschnitten eine «ausserordentlich hohe» Zunahme.

In der Rangliste der am meisten von Staustunden betroffenen Regionen führt weiterhin Zürich vor dem Tessin und der Region Basel.

Ein Trend, der bereits seit Jahren zu beobachten ist, setzt sich zudem fort: Die Ausdehnung der typischen Stauzeiten. «Insbesondere an der Morgenspitze war zu beobachten, dass sich die Spitzenlast immer öfter auf zwei oder sogar drei Stunden ausgedehnt hat. Dabei kam es v.a. zu einer Verschiebung in die früheren Morgenstunden», schreibt das Astra. Das zeige sich vor allem in Agglomerationen. «Eine gleichartige Verschiebung zeigte sich auch in der Abendspitze, wobei diese aufgrund der Überlagerung des Pendler- mit dem Einkaufs- und dem Freizeitverkehr «traditionell» schon immer etwas abgeflachter, aber meist auf einem höheren Niveau war als am Morgen. Die Verschiebung am Abend schien ebenfalls in frühere Stunden zu erfolgen.» Ein Teil der Verkehrsteilnehmenden weiche den Spitzenstunden aus.

Für den Stau zu Stosszeiten verantwortlich sind übrigens nicht primär jene, die mit dem Auto zur Arbeit pendeln. Dieser Verkehrszweck macht nur in den frühen Morgenstunden eine Mehrheit der Fahrzeuge auf den Autobahnen aus. Selbst in den abendlichen Stosszeiten beträgt sein Anteil nur noch 30 Prozent, während des Tages entfallen zwischen 20 und 90 Prozent des Verkehrsaufkommens auf Einkaufs- und Freizeitverkehr und andere Zwecke. Mit 29 Prozent der Staustunden an Werktagen ist der Freizeitverkehr mittlerweile für die Staubildung nahezu gleich bedeutend wie der Arbeitsverkehr, wobei hier Fahrten für den Einkauf noch nicht einmal eingerechnet sind. An Wochenenden liegt die Stauursache sogar hauptsächlich beim Freizeitverkehr.

Über die Woche betrachtet überwiegt der Freizeitverkehr laut dem Astra mit einem Anteil von 35,7% an den Staustunden. Der Arbeitsverkehr war für 28,9 % der Staustunden verantwortlich. An dritter Stelle folgte der Einkaufsverkehr mit einem Anteil von 14,2 %. Der Freizeitverkehr sei der mit Abstand wichtigste «Stautreiber», schreibt das Astra. Wer also demnächst wieder einmal warten muss auf der Autobahn: An den Arbeitspendlern liegt das nicht. Wären zu Stosszeiten nur sie unterwegs, liefe der Verkehr wohl selbst dann flüssig.

1 Kommentar

  1. Die Autofahrer blockieren den Verkehr zwei Mal täglich obwohl sicher mindestens die Hälfte auch den ÖV nutzen könnte. Das kratzt niemanden. Dass die Critical Mass ein Mal pro Monat gewisse Strassen blockiert, lässt aber alle durchdrehen.

Diesen Artikel kommentieren