Das Buchen von internationalen Tickets via SBB verspätet sich – dieses Startup springt in die Bresche 🆓

Es ist kompliziert – noch: Das Buchen internationaler Zugtickets. Bild: Deutsche Bahn

Die SBB verspricht seit Jahren die Integration von mehr ausländischen Bahnen in ihren Ticketshop. Jetzt verzögert sich das Projekt erneut. Ein Schweizer Startup will das Buchen von internationalen Zugbilletten nun vereinfachen – und erhält dafür Unterstützung von der Migros.

von Stefan Ehrbar
16. April 2021

Es ist schon fast ein Running Gag. Vor sieben Jahren sagte eine Sprecherin der SBB der «Aargauer Zeitung», die Bahn sehe Handlungsbedarf bei der Buchung internationaler Tickets. Sie versprach: Bis Ende 2017 würden die Verkaufssysteme saniert. Ab dann gebe es diese Billette auch in der App.

Daraus wurde nichts. Eine Integration von internationalen Tickets in die App gibt es nach wie vor nicht. Verbindungen etwa nach Deutschland können zwar mittlerweile online gekauft werden, doch auf dem Handy werden Nutzer dafür auf den nicht optimierten Webshop weitergeleitet. Für Reisen nach Italien oder Frankreich wiederum ist die Ticketbuchung selbst am Computer zuhause oft nur möglich, wenn es sich um eine Direktverbindung handelt. «Das Buchungssystem ist im internationalen Verkehr unsere Achillesferse», sagte SBB-Chef Vincent Ducrot denn auch Ende 2020 der «Schweiz am Wochenende». Bis Frühling 2021 würden Deutschland und Österreich vollständig in die SBB-Systeme eingebunden, versprach er. Bis Ende 2022 solle es mit allen europäischen Ländern soweit sein.

Doch auch daraus wurde nichts. Nun heisst es, alle Nachbarländer sollen bis spätestens Ende 2023 in den Webshop integriert sein, wie CH Media berichtete. Das bedeutet eine erneute Verzögerung von einem Jahr.

Woran liegt das? Die Vertriebssysteme der Bahnen beruhen auf unterschiedlichen Softwares. Hinzu kommt aber auch ein gewisser Protektionismus: Gerade in Italien und Frankreich schotten die Bahngesellschaften ihre eigenen Vertriebssysteme tendenziell gegenüber Dritten ab. Hinzu kommt nun, dass vielen Bahnen wegen der Coronakrise die Mittel fehlen, um IT-Projekte wie eine Anbindung an ausländische Bahnen umzusetzen.

Ein Zürcher Start-Up verspricht nun, internationale Zugtickets unkompliziert und zu tieferen Preisen als bei der SBB zu buchen – sei es für Einzelpersonen, Familien oder grössere Gruppen.

Seit einigen Tagen ist das neue Portal der Firma namens SimpleTrain online. Der Gründer des Portals ist Marius Portmann. Er hat das Unternehmen 2019 aus der Taufe gehoben «mit der Absicht, mein Wissen über die Buchungssysteme der europäischen Bahnen an ein grösseres Publikum zu bringen und damit mehr Menschen von Zugreisen ins Ausland zu überzeugen», sagt er zu Mobimag.

«Bei SimpleTrain streben wir nach einer nachhaltigeren Welt. Wir träumen von einer Trendbewegung zu umweltbewussten Reisen und von dem, ein Vorbild für nachkommende Generationen zu sein», sagt Portmann. «Wir möchten die Bevölkerung dazu bewegen, den Zug wieder als Verkehrsmittel für Auslandsreisen vorzuziehen, indem wir sie für den Weg mit dem Zug inspirieren und begeistern.»

Dank einer Förderung durch den Migros-Pionierfonds, einen Förderfonds der Migros-Gruppe, und einem IT-Team arbeitet SimpleTrain zurzeit an einer bei der Websitenerstellung. Das Team hat sich im Rahmen dieser Förderung Wirkungsziele für das Jahr 2024 gegeben.

Doch wie funktioniert das System?

Interessierte können laut Portmann per Login auf das Buchungsformular zugreifen und alle relevanten Daten eingeben. «Danach werden sie auf eine interne Chatfunktion umgeleitet. Wir werden dann Offerten zusammenstellen, die sie individuell auswählen und direkt online bezahlen können.» Alle Offerten würden vom Team individuell erstellt und die Tickets auch von SimpleTrain gebucht. «Wir laden diese dann im Chat mit den Reiseunterlagen zusammen hoch.» SimpleTrain setze bewusst auf die persönliche Beratung und das manuelle Buchen – auch, weil derzeit die Websites der Bahnen sehr schnell am Ende ihrer Kompetenzen seien.

Das Team hinter SimpleTrain.

In einem ersten Schritt soll das Team mit der Deutschen Bahn zusammenarbeiten, was das Buchen von Zugtickets einfacher gestalten dürfte. «Wir verkaufen internationale Zugtickets von der Schweiz nach ganz Europa. Ziel ist es, uns so viele Reisen wie möglich «Überland» zu bewältigen können», so Portmann. «Das reicht von einfachen Städtereisen wie nach Paris bis hin zur Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn. Zudem sind auch Extrawünsche wie die Mitnahme von Velos, Gruppenreisen oder Zwischenhalte ohne Probleme möglich. Falls auf dem Abschnitt kein Zug fährt, suchen wir auch Fähr- und Busverbindungen.»

Schon im ersten Geschäftsjahr ohne die neue Website habe SimpleTrain recht diverse Reisen gebucht – etwa eine Maturareise nach Nizza oder eine mit dem Schiff nach Albanien.

Doch was bewegt die Migros, ein solches Projekt zu unterstützen? Corinne Grässle, Projektleiterin Kreislaufwirtschaft und Mobilität beim Migros-Pionierfonds, sagt: «Wir fördern SimpleTrain, weil das Projekt die Renaissance des Zugfahrens und damit den Trend zum umweltbewussten Reisen unterstützt.»

Neben SimpleTrain gibt es weitere Firmen, die einfacheres Buchen von Zugtickets versprechen. Die bekannteste davon dürfte die britische Trainline sein. Diese setzt aber nicht auf individuelles Buchen, sondern auf eine automatisierte Plattform. Der Markt dürfte weiter wachsen: «Alle Zeichen stehen auf Pro Eisenbahn», sagte Trainline-Chefin Clare Gilmartin dem «Handelsblatt». Noch würden 60 Prozent aller Tickets in Papierform ausgestellt. Das dürfte sich bald ändern: Der Trend weg vom analogen Fahrkartenkauf an Stationen zum Onlinekauf von Tickets werde sich durch Corona sogar noch verstärken, sagte Gilmartin.

Zumindest im Inland trifft dies zu. Letztes Jahr verkaufte die SBB 61,4 Prozent ihrer Billette über digitale Kanäle – 8,6 Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor und fast siebenmal so viel wie noch 2012.



Ihnen gefällt Mobimag?

Für nur 1.50 Franken erhalten Sie sofort werbefreien Zugriff auf das gesamte Angebot. Sie bleiben auf dieser Seite.



Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren