
Seit Anfang April fährt der deutsche Anbieter Pinkbus im Zweistundentakt und für 16 Franken von Zürich nach München und konnte dafür einen der wichtigsten Buspartner von Flixbus abwerben. Der Pionier will nicht untätig bleiben – und auch die SBB erhofft sich dank Ausbauten eine bessere Position.
von Stefan Ehrbar
11. April 2022
Bis zu 76 Mal pro Woche fährt der deutsche Fernbus-Anbieter Pinkbus seit dem 1. April zwischen Zürich und München und umgekehrt – und zwar ohne Zwischenhalt und in 3 Stunden und 40 Minuten. Es ist die erste grosse Erweiterung des Netzes des Kölner Unternehmens seit Lockerung der Corona-Massnahmen – und ein Frontalangriff auf Flixbus und die SBB.
Den Marktleader Flixbus dürfte das neue Angebot besonders hart treffen, weil Pinkbus nicht nur auf einer der bisherigen Paradestrecken Passagiere abgreift, sondern mit Dr. Richard gleich auch noch den Buspartner abgeworben hat. Das österreichische Busunternehmen, bisher einer der grössten Flixbus-Partner, wird auf dieser Strecke nun exklusiv für Pinkbus unterwegs sein. Dr. Richard soll Pinkbus auch beim weiteren Ausbau des Netzes unterstützen.
Die Tickets für die Strecke Zürich-München werden ab 16 Franken pro Weg angeboten, inklusive Gratis-WLAN, Gepäcktransport und kostenloser Umbuchung. Preislich bewegt sich Pinkbus damit in der gleichen Grössenordnung wie Flixbus.
Das Angebot von Pinkbus besticht zudem mit einem gut merkbaren Zweistundentakt mit Abfahrten zur vollen Stunde ab 8 bis 18 Uhr.
Eingesetzt werden Doppelstock-Busse des Modells Futura FDD2-141 des niederländischen Busherstellers VDL mit 77 Plätzen. Über die Preise und den Takt entscheidet laut einer Mitteilung der Betriebspartner Dr. Richard.
Dass sich Dr. Richard von Flixbus abgewendet hat, zeigt sich auch am Angebot von Flixbus. Die früher mehrmals täglich verkehrenden Express-Busse zwischen Zürich und München verkehren nur noch an bestimmten Tagen. Stattdessen sind Fahrten mit vielen Zwischenstopps im Angebot, die für die Strecke 4 Stunden 50 Minuten und damit deutlich länger benötigen. Flixbus sollte aber nicht abgeschrieben werden: Das Unternehmen arbeitet mit dutzenden Buspartnern zusammen und dürfte schnell Ersatz finden. Zudem ist es Kundinnen und Kunden viel bekannter als Pinkbus.
In den kommenden Wochen dürfte das Flixbus-Angebot denn auch wieder ausgebaut werden. So sind etwa für die dritte April-Woche teilweise wieder bis zu vier Express-Busse auf der Strecke im Fahrplan hinterlegt. Gegenüber CH Media betont Flixbus, dass das Angebot in die Schweiz mit der Rückkehr der Nachfrage wieder ausgebaut werde. Von Dr. Richard habe man sich im gegenseitigen Einvernehmen getrennt.
Auf der Strecke Zürich-München bieten mit Flixbus, Pinkbus und Regiojet derzeit drei Fernbus-Anbieter Linienfahrten an. Die Strecke gilt wegen der vergleichsweise kurzen Distanz mit Fahrzeiten unter vier Stunden und der Verbindung der Wirtschaftszentren der Schweiz und Bayerns mit engen Verflechtungen als lukrativ. Geholfen hat in der Vergangenheit auch das wenig attraktive Angebot der Bahn: Bis im Dezember 2021 benötigte die schnellste Direktverbindung vier Stunden und damit länger als der Fernbus. Danach sank die Fahrzeit mit der Bahn auf dreieinhalb Stunden, aber nur auf drei täglichen Verbindungen. Bei den restlichen drei musste in St. Margrethen umgestiegen.
Seit heute hat die Bahn aber wieder ein besseres Angebot vorzuweisen. Weil endlich genügend Astoro-Züge zur Verfügung stehen, die mit dem Zugbeeinflussungssystem ETCS Baseline 3 ausgerüstet sind, das einen schnellen Grenzübertritt ermöglicht, können wieder alle sechs täglichen Verbindungen als Direktfahrten angeboten werden – und zwar in dreieinhalb Stunden und damit schneller als der Fernbus.
Auch preislich braucht sich die Bahn nicht zu verstecken. Eine einfache Fahrt gibt es mit einem Sparangebot teils schon für 32 Franken. Es dürfte kein Zufall sein, dass Fernbus-Anbieter die Preise bei etwa der Hälfte davon angesetzt haben. Denn wenn die SBB, DB und ÖBB den Zugsbetrieb pünktlich organisieren können, dürfte die Bahn deutlich attraktiver wahrgenommen werden als der Fernbus. In den vergangenen Wochen war die Zuverlässigkeit auf dieser Strecke schlecht. Etwas Geduld müssen Bahnreisende allerdings wohl noch aufbringen: Erst im Juni wird auf dem österreichischen Streckenteil eine Baustelle abgeschlossen, was zu einem stabileren Fahrplan führen sollte.
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