Sind SUVs «eine Plage für das Klima und die Städte»? So gehen Städte gegen sie vor

Ein SUV in der Stadt: Nicht alle halten das für eine gute Idee. Bild: Brandon Green / Unsplash

Lausanne will gegen SUVs vorgehen. Der Gemeinderat hat unter anderem einer Petition namens «SUVs – eine Plage für das Klima und die Städte» zugestimmt und trifft damit offenbar einen Nerv. Auch in Zürich könnte es nun für SUV-Fahrer ungemütlich werden.

von Stefan Ehrbar
28. Februar 2022

Der 15. Februar war kein guter Tag für Liebhaber grosser Autos in der Westschweiz. «Lausanne erklärt dem SUV den Krieg», titelte die Zeitung «24 heures» nach der Debatte im Stadtparlament. Der Grund: Der Gemeinderat hatte an diesem Abend drei Resolutionen zugestimmt, welche darauf abzielen, SUVs («Sport Utility Vehicle», also Fahrzeuge mit erhöhter Bodenfreiheit und selbsttragender Karosserie) aus der Stadt zu verbannen.

Auslöser für die Diskussion war eine Interpellation namens «Les SUV, une plaie pour le climat et les villes» («SUV – eine Plage für das Klima und die Städte»), die Alain Hubler vom Linksbündnis Ensemble à Gauche 2019 eingereicht hatte.

Im Text heisst es: «SUV beanspruchen mehr Platz als andere Auto-Typen auf den Strassen und Parkplätzen. In den Städten, wo der Platz beschränkt ist, spielt das eine wichtige Rolle.» Zudem seien SUV wegen ihres Gewichts und ihrer Form gefährlicher für Fussgänger, Velofahrer und Motorradfahrer. Hubler beruft sich auf eine Studie der Internationalen Energie-Agentur, wonach die weltweite Zunahme der SUV von 35 Millionen im Jahr 2010 auf 200 Millionen im Jahr 2018 die zweitgrösste Quelle der angestiegenen CO2-Emissionen seither sind. SUV seien im Vergleich zu anderen Autos stärker motorisiert, schwerer und wegen ihrer Aerodynamik auch weniger effizient.

Die Lausanner Stadtregierung hatte 2020 geantwortet, die Zunahme von SUVs sei zwar tatsächlich problematisch und führe zu einer Reihe von Problemen für Städte. Doch die Besteuerung von Fahrzeugen sei Sache des Kantons, und die Regierung wolle sich auf die Förderung des öffentlichen Verkehrs und die Verlagerung des Verkehrs hin zu umweltfreundlicheren Arten fördern. Tatsächlich blieb Lausanne nicht untätig und hat etwa 2021 als erste Gemeinde der Schweiz nachts generell Tempo 30 eingeführt.

Allerdings reichte das der Mehrheit der Parlamentarier nicht. Sie haben deshalb am 15. Februar Resolutionen zugestimmt. Die Stadtregierung muss nun eine Informationskampagne über die Risiken von Autos des Typs SUV, Crossover und 4×4 mit einem Gewicht von mehr als 1,5 Tonnen starten. Käuferinnen und Käufer sollen davon abgehalten, solche «klimaschädlichen und gefährlichen Fahrzeuge» zu erwerben.

Zudem muss die Stadt die Preise für ihre Parkplätze nach Kategorie und Leergewicht differenzieren. Ariane Morin von den Grünen sagte in der Debatte, es könne gar nicht genug betont werden, wie sehr die Nutzung von SUV in den Stadt eine «Irrfahrt in Bezug auf die Umwelt und Sicherheit» sei. Ihre Bilanz sei «katastrophal»: «Das Ziel ist die Verbannung von SUV aus städtischen Gebieten», wird Morin von «24 heures» zitiert. Dass Xavier de Haller (FDP) davor warnte, dass es Grenzen gebe, die man nicht überschreiten dürfe, nützte da nichts mehr. «Man muss die Vernunft walten lassen. Diese Resolutionen machen keinen Sinn», wehrte sich der Politiker und Präsident der Waadtländer Sektion des Automobil-Clubs der Schweiz.

In der nicht repräsentativen Online-Abstimmung der Zeitung sind die Meinungen gemacht: Nur 36 Prozent von 2100 Teilnehmern sprechen sich für SUV in Lausanne aus, 46% dagegen. 18 Prozent wollen gar keine Autos mehr. Schon 2019 hatte eine Petition gegen SUVs in der Stadt Lausanne in kurzer Zeit hunderte Unterschriften gesammelt. 

Das Thema dürfte bald auch in der restlichen Schweiz auf die Agenda kommen. Denn in der dritten Resolution, welche das Lausanner Parlament überweis, wird die Stadtverwaltung aufgefordert, eine im Nationalrat hängige Motion von Isabelle Pasquier-Eichenberger (Grüne) zu unterstützen, welche den Bundesrat beauftragen will, den Import von SUV und Geländewagen mit einem Leergewicht von zwei Tonnen oder mehr ab 2022 zu verbieten. Ausnahmen sollen möglich sein, wenn ein Bedarf nachgewiesen werden kann. 

Die Stadt Lausanne ist zudem gemäss eigenen Aussagen regelmässig im Kontakt mit anderen Schweizer Städten ähnlicher Grösse, um das Problem zu besprechen.

Lausanne ist denn auch nicht die einzige Schweizer Stadt, in der es für SUV-Fahrer ungemütlich werden könnte. In der Stadt Zürich wurde Anfang Jahr ein Postulat an die Stadtregierung überweisen, in welchem gefordert wird, dass die Stadt der Verordnung Nachachtung verschafft, wonach parkierte Fahrzeuge vollständig innerhalb der Markierung abgestellt werden und nicht mehr in den öffentlichen Raum hinausragen «und so den Platz für den Fuss- und Veloverkehr versperren». Heute nicht mehr normgerecht markierte Parkplätze sollen aufgehoben oder zusammengelegt werden, «wenn ansonsten ein freier und sicherer Durchgang auf dem Trottoir oder der entsprechende Platz für den Veloverkehr nicht gewährleistet werden kann», heisst es im Postulat.

«Bisher wurden die Parkplätze auf Kosten der anderen Verkehrsteilnehmer ausgedehnt. Das soll jetzt nicht mehr gehen: Der MIV soll seinen Flächenverbrauch nicht weiter vergrössern», begründete Gemeinderat Mathias Egloff (SP) sein Anliegen in der Debatte. Das Postulat könnte allerdings in letzter Konsequenz auch dazu führen, dass es sogar grössere, aber dafür weniger Parkplätze gibt, wenn diese zusammengelegt werden. Die FDP schlug im Gegenzug vor, dass kleinere und umweltfreundlichere Autos für das gleiche Geld länger parkieren sollten.

Das zeigt: Den SUV wehrt mittlerweile selbst bis in die politische Mitte hinein ein rauer Wind entgegen – zumindest in den Städten.

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