Jürg Grossen ist Präsident der Grünliberalen Partei (GLP) und steht dem Branchenverband zur Förderung der Elektromobilität vor. Im Mobimag-Interview sagt er, warum Elektroautos schon heute günstiger sind als Verbrenner, warum der Schweizer Neuwagenpark schlecht abschneidet und warum Plug-In-Hybride psychologisch wichtig sein können.
von Stefan Ehrbar
12. April 2021
Herr Grossen, Sie sind Präsident von Swiss eMobility, einem Verband zur Förderung der Elektromobilität. Was sind ihre wichtigsten Anliegen?
Strom ist der wichtigste und sauberste Energieträger der Schweiz. Mit der Elektromobilität machen wir unsere Mobilität energieeffizienter und ökologischer. Nur mit einer vollständigen Elektrifizierung erreichen wir «netto null». Und dafür braucht es einen starken Branchenverband.
Die Elektromobilität erlebt derzeit einen Boom in der Schweiz, das zeigt die Statistik der Neuzulassungen. Wie erklären Sie sich das?
Die angebotenen Elektroautos sind reif für den Massenmarkt. Sie passen perfekt in den Trend und sind zukunftsfähig. Zudem haben wir zahlreiche Schweizer Unternehmen, welche die Elektromobilität möglich und erfahrbar machen.
Der Boom hat auch seine Schattenseiten. Viele Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge haben nicht unbedingt eine bessere Klimabilanz als herkömmliche Verbrenner, zudem gibt es grosse Zweifel daran, ob die Angaben der Hersteller zum Verbrauch korrekt sind. Wie stehen Sie zu diesem Thema – sehen Sie Plug-In-Hybride als notwendige Übergangstechnologie oder erweisen diese der Sache einen Bärendienst?
Unkorrekte Angaben zum Verbrauch sind kein neues Phänomen. Den Bärendienst am Klima und der Mobilität haben wir mit den Verbrennern schon lange. Die Plug-In-Hybride können den Umstieg zur Elektromobilität psychologisch erleichtern. Aus meiner Sicht ist dieser Umweg jedoch nicht nötig. Ich fahre schon lange rein elektrisch. Und das ohne Mobilitätseinschränkungen.
Die Schweiz fördert im Vergleich zum Ausland die Anschaffung von Elektroautos nur wenig, nur einzelne Kantone kennen etwa eine Subventionierung. Macht die Schweiz zu wenig? Wie könnte eine gute Lösung aussehen?
Elektroautos sind heute in der Gesamtkostenbetrachtung günstiger als Verbrenner. Für den wirtschaftlichen Betrieb sind nicht per se Subventionen nötig. Massnahmen, die den Unterschied beim Kaufpreis minimieren, beschleunigen den Marktanteil natürlich zusätzlich. Wichtig ist, dass Abgaben emissions- und energieeffizienzabhängig erhoben werden. Zudem müssen für die Elektromobilität diskriminierende Bestimmungen schnellstmöglich beseitigt werden, wie beispielsweise die aktuell gültige Dienstwagenbesteuerung. Handlungsbedarf sehen wir vor allem bei den Heimladestationen. Auch Mieter und Stockwerkeigentümer müssen zu Hause laden können. Dafür braucht es tiefere Hürden und eine finanzielle Unterstützung, welche über das neue CO2-Gesetz erfolgt.
Noch immer sind Elektroautos – zumindest grössere – deutlich teurer als vergleichbare Verbrenner. Wann wird sich das ändern?
Wie gesagt, das stimmt nur beim Kauf. Unterhalt und Betrieb sind wesentlich günstiger als bei Verbrennern. Auf die gesamte Haltedauer eines Autos sind Elektrofahrzeuge überlegen, auch grosse. Spätestens in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts werden Elektroautos bereits beim Kauf günstiger sein.
Wegen weniger strengen CO2-Übergangsregeln wird die Behauptung geäussert, dass Hersteller von Elektroautos diese lieber in der EU absetzen als in der Schweiz, was sich negativ auf die Lieferbereitschaft und die Auswahl hierzulande auswirkt. Trifft das zu? Wenn ja, wie könnte dem entgegengewirkt werden?
Es ist offensichtlich und logisch, dass die Verfügbarkeit der Elektroautos je nach Rahmenbedingungen in den verschiedenen Ländern variiert. Die Hersteller berechnen die CO2-Emissionen ihrer Flotten genau und wissen, wo sie beim Verkauf von Verbrennern am wenigsten Bussen zu bezahlen haben. Wir haben in der Schweiz den höchsten CO2-Durchschnitt bei den Neuverkäufen in ganz Europa. Es ist also heute leider noch attraktiv genug, emissionsstarke Fahrzeuge in der Schweiz zu verkaufen. Wir müssen deshalb sicherstellen, dass wir bei den Flottenzielen und den übrigen Massnahmen insgesamt gleich lange Spiesse haben wie in der EU.
Viele Konsumenten haben nach wie vor Vorbehalte gegenüber Elektroautos, etwa zur Reichweite oder zur Sicherheit – Stichwort Garagenbrand. Was entgegnen sie diesen?
Die Vorbehalte stützen sich auf fehlendes Wissen. Keine Statistik und keine Zulassungsbehörde ist zum Schluss gekommen, dass Elektroautos weniger sicher sind oder häufiger brennen. Dies dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass sie keine brennbare Flüssigkeit transportieren. Und die heute verfügbaren Reichweiten sind ausreichend. Wer auf ein Elektroauto umgestiegen ist, wechselt nicht mehr zu einem Verbrenner zurück.
Auch die Rohstoffbeschaffung für die Batterien wird häufig kritisiert. Sehen sie diese als problematisch an? Wie könnte eine Industrie-Lösung aussehen, die sozial und ökologisch verträglich ist?
Leider ist die Rohstoffförderung ohne Schaden am Ökosystem oder unter vollumfänglich humanitären Bedingungen noch nicht überall auf der Welt etabliert und sichergestellt. Mit Abstand am meisten Leid an Mensch und Natur entsteht beim Fördern und Verbrennen von Erdöl. Aber auch die Förderung beim Kobalt muss kritisch betrachtet werden. Es wird intensiv an kobaltfreien Akkus für Smartphones, Laptops und Autos geforscht, es wird immer besser, aber es bleibt noch viel zu tun.
Viele Städte bauen Parkplätze und Strassen ab – nicht nur wegen dem Klima, sondern auch, weil Autos bei der Flächeneffizienz schlecht abschneiden. Daran ändern auch Elektroautos nichts. Haben Autos in den Städten noch eine Zukunft?
Die Verkehrszukunft ist multimodal, vor allem in den Städten. Das Auto wird ein wichtiger Verkehrsträger bleiben, jedoch intelligenter und effizienter genutzt werden können. Entwicklungen bei der Digitalisierung, der Automatisierung, beim Sharing und eben vor allem durch die Elektrifizierung des Antriebes machen dies möglich.
Wie sind Sie selbst unterwegs?
Ich bin schon heute multimodal unterwegs und nutze verschiedene Verkehrsträger. Im Alltag sind dies vor allem Fahrrad, Zug und Elektroauto. Übrigens seit 10 Jahren das gleiche Elektroauto.
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