
Mit seinem Entscheid, die Verlängerung der Glattalbahn vom Flughafen Zürich nach Kloten nicht im Rahmen des Agglomerationsprogramms mitfinanzieren zu wollen, verärgerte der Bund den Kanton Zürich. Nun erklärt das zuständige Bundesamt, wo das Problem liegt. Der Kanton will sich wehren.
von Stefan Ehrbar
5. September 2022
Damit hatte der Kanton Zürich nicht gerechnet: Anfang Juni gab der Bund bekannt, welche Projekte in der ganzen Schweiz im Rahmen des Agglomerationsprogramms der vierten Generation finanziell unterstützt werden sollen. Die 3,3 Kilometer lange Verlängerung der Glattalbahn vom Flughafen Zürich nach Kloten ist nicht dabei (Informationen zum Projekt).
Von einem «völlig unerwarteten Entscheid» sprach die Zürcher Kantonsregierung in einer Mitteilung. «Das Projekt ist für die Flughafenregion und den gesamten Kanton Zürich von grosser Wichtigkeit», heisst es dort. «Wegen den steigenden Mobilitätsbedürfnissen kommt das Glattal mit seinem Verkehrssystem an seine Grenzen. Eine effiziente, leistungsfähige und umweltverträgliche Verkehrsinfrastruktur ist unverzichtbar.»
Tatsächlich mutet der Entscheid auf den ersten Blick seltsam an. Viel näher an eine klassische Agglomeration im Sinn eines dicht besiedelten Raums zwischen Land und Stadt kommt wohl kaum eine Region in der Schweiz wie jene rund um den Flughafen. Dass ein neuer Perronzugang im Bahnhof Seewen, die Umgestaltung der Ortsdurchfahrt in Birsfelden oder die Sanierung des Schwänlikreisels in Herisau Geld aus einem Agglomerationsprogramm erhalten sollen, aber eine Tramverbindung zwischen dem grössten Schweizer Flughafen und seiner Standortgemeinde mit 20’000 Einwohnerinnen und Einwohnern und fast 40’000 Arbeitsplätzen nicht, kann durchaus hinterfragt werden.
Einigermassen erstaunlich ist auch die Begründung des zuständigen Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) – vor allem in Hinblick auf die empfohlene Alternative. «Die spezifische Schwierigkeit beim Projekt der Glatttalbahn-Verlängerung ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis», schreibt ARE-Kommunikationschef Michael Furger auf Anfrage von Mobimag. «Die Siedlungsentwicklung im Steinacker ist zwar geplant aber noch nicht realisiert. Zudem wird im Agglomerationsprogramm nicht gezeigt, ob eine Erschliessung mit einer günstigeren Busalternative dem Nachfragepotential nicht nachkommen könnte.»
Genau in die Karten blicken lassen will sich das ARE nicht: Den Prüfbericht gibt das Amt nicht heraus. Er sei «vertraulich», so Furger. Sowieso sei zu beachten, dass das Agglomerationsprogramm keine Subvention sei, auf die ein Anspruch geltend gemacht werden könne, wenn gewisse Bedingungen erfüllt seien. «Die beschränkten finanziellen Mittel werden auf jene Projekte verteilt, welche die Kriterien am besten erfüllen und am dringlichsten sind», so Furger. Gemäss der Vernehmlassungsvorlage sei zudem das Agglomerationsprogramm Zürich-Glattal mit einem Bundesbeitrag von 245 Millionen Franken das am stärksten unterstützte Programm der vierten Generation. Und der Bund schlage die Mitfinanzierung der Tramverlängerung in der Stadt Zürich von der Haltestelle Radiostudio nach Affoltern vor. Dort seien die Dringlichkeit und das Kosten-Nutzen-Verhältnis gegeben.
Der Bund macht dem Kanton Zürich also schmackhaft, zwischen dem Flughafen und Kloten einfach Busse statt Trams fahren zu lassen. Dass dieses Verkehrsmittel nicht im gleichen Umfang zu einer Verlagerung auf den ÖV führt und deutlich weniger Kapazitäten bei schlechterer Fahrplanstabilität bereitzustellen vermag, dürfte den Planern des Bundes bekannt sein. Doch sowieso ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Am 9. September läuft die Vernehmlassung ab. Das ARE wertet dann die Rückmeldungen aus und wird dem Bundesrat allfällige Anpassungen unterbreiten. Dieser behandelt das Geschäft voraussichtlich im ersten Halbjahr und wird es dann zu Händen des Parlaments verabschieden. «Dieses entscheidet in letzter Instanz über das Agglomerationsprogramm», so Michael Furger vom ARE. «Es ist möglich, dass das Parlament per Mehrheitsentscheid die Vorlage verändern kann, sprich: die finanzielle Unterstützung von einzelnen Projekten streichen oder neu hinzufügen kann.»
Wie Mobimag weiss, wird sich der Kanton Zürich in seiner Vernehmlassungsantwort dringend für die Aufnahme der Glattalbahn-Verlängerung ins 4. Agglomerationsprogramm aussprechen. Auch auf politischer Ebene dürfte die zuständige Regierungsrätin Carmen Walker-Späh (FDP) Hebel in Bewegung gesetzt haben, wie sie zuletzt an öffentlichen Auftritten durchblicken liess. Im Nationalrat stellt der Kanton Zürich mit 35 Mitgliedern immerhin die grösste Fraktion. Noch will sich der Kanton aber nicht zur Thematik äussern. Er werde «zu gegebener Zeit informieren», sagt Sprecher Nico Menzato von der Volkswirtschaftsdirektion nur.
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