
Die Krise beschäftigt die Schweizer Flughäfen seit mittlerweile eineinhalb Jahren. Nicht allen geht es gleich schlecht: Am Basler Euroairport erholen sich die Passagierzahlen schneller als in Zürich oder Genf. Warum ist das so – und wie entwickeln sich die Zahlen in Zukunft?
von Stefan Ehrbar
16. August 2021
Die Bilder von Schweizer Flughäfen, die in den letzten Wochen durch die Medien gingen, täuschen. Obwohl es vielerorts zu langen Schlangen kam und sich eindrückliche Menschenmassen vor den Check-Ins drängelten, ist der Zustand vor der Krise noch weit entfernt. Im Hochsommer dieses Jahres zählten Schweizer Flughäfen etwa die Hälfte der Passagiere des Sommers 2019.
Doch nicht alle der drei grossen Flughäfen leiden gleich. Das zeigt eine exklusive Mobimag-Auswertung der Passagierzahlen seit Januar 2019. In absoluten Zahlen ist der Flughafen Zürich weiterhin mit grossem Abstand der grösste des Landes. Doch wenn die Entwicklung seit Anfang 2019 indexiert betrachtet wird, zeigt sich: Der Euroairport in Basel scheint sich in Sachen Passagiere deutlich schneller zu erholen als sein Zürcher Pendant.
Ein möglicher Grund dafür ist, dass Basel kein Hub ist, an dem eine Airline viele Kurzstreckenflüge zusammenführt, um ihr Langstreckennetz zu füttern. Das ist etwa in Zürich der Fall, wo die Swiss ihr Drehkreuz betreibt. Momentan leiden Hub-Flughafen stärker, weil der wichtige Interkontinentalverkehr mit den USA und Asien aufgrund von Einreiseregeln fast nicht existent ist. US-Amerikaner dürfen etwa in die Schweiz einreisen, doch Menschen aus dem Schengen-Raum nur in seltenen Ausnahmefällen in die USA. Dabei ist das Geschäft mit den Nordamerika-Passagieren im Langstreckenverkehr in der Regel das wichtigste für europäische Airlines.
Flughäfen wie Basel hingegen setzen auf Punkt-zu-Punkt-Verbindungen innerhalb Europas. Diese erholen sich deutlich schneller. Zudem hat gerade Basel einen hohen Anteil an sogenannt ethnischem Verkehr. Darunter wird etwa die grosse Diaspora aus Ländern wie Albanien, dem Kosovo oder Serbien verstanden, die hierzulande lebt und Heimatreisen mit dem Flugzeug unternimmt. Die meisten Flüge aus der Schweiz nach Pristina etwa heben am Basler Flughafen ab, nicht in Zürich – auch, weil in Basel der Anteil der Billigflieger höher ist als in Zürich. Easyjet ist in Basel der Platzhirsch, gleichzeitig wird der Flughafen im Gegensatz zu Zürich auch von den noch günstigeren Carriern Ryanair und Wizz Air angeflogen.
Das kann aber nicht alles erklären. Denn auch der Flughafen Genf ähnelt von der Struktur her eher dem Basler Euroairport als dem Flughafen Zürich. Was also macht Basel besser?
«Wir gehen davon aus, dass das darauf zurückzuführen ist, dass ab Basel hauptsächlich Kurzstreckendestinationen von Punkt zu Punkt angeflogen werden mit Schwerpunkt Privatreisen», sagt Bettina Kunz, Sprecherin des Flughafen Zürich. «In Zürich haben wir einen Hub-Betrieb, der durch Transferpassagiere alimentiert wird.» Das Langstreckenangebot erhole sich vor allem in Richtung Nordamerika und Asien nicht gleich schnell wie die Eruopaflüge.
Über die Sommerferien rechne der Flughafen mit rund 50 Prozent des Passagiervolumens von vor der Krise. Darüber hinaus sei eine Prognose nur schwierig möglich. Mittelfristig könne das Wachstum in Zürich «aufgrund des bereits höheren Volumen in Zürich» langsamer ausfallen, so Kunz. Raum für Wachstum sei aber grundsätzlich vorhanden.
Befinden sich die beiden Flughäfen in Konkurrenz zueinander? «Wir haben in Bezug auf Einzugsgebiet und angebotene Destinationen gewisse Überschneidungen», sagt Kunz. «Als interkontinentales Drehkreuz bieten wir ein anderes Destinationsportfolio an.»
Claire Freudenberger, Sprecherin des Basler Euroaiport, begründet das starke Abschneiden ihres Flughafens mit dem Angebot. Im Gegensatz zu Zürich ist das Flugangebot ab dem EuroAirport hauptsächlich auf europäische Punkt-zu-Punkt-Verbindungen aufgebaut und hat keine Drehkreuzfunktion mit Langstreckenverbindungen», sagt sie. «Die Strecken nach europäischen Destinationen erholen sich in der COVID-Krise schneller als die Langstrecken, weshalb sich der Verkehr am Euroairport etwas schneller erholt.»
Für die Zeit nach der Pandemie werde erwartet, dass als erstes Reisen im Bereich der Besuche von Freunden und Familien stattfinden, gefolgt von Urlaubsreisen und Städtetrips. Der Geschäftsreiseverkehr werde länger brauchen, um sich zu erholen. Im Jahr 2021 will der Basler Flughafen gut drei Millionen Passagiere abfertigen – nach über 9 Millionen im Jahr 2019. Die Erholung werde wohl mehrere Jahre dauern, sagt Freudenberger.
Immerhin: Mit der gesunkenen Nachfrage sinkt auch das Bedürfnis nach teuren Investitionen. Der Verwaltungsrat des Euroairport hat aufgrund der Auswirkungen der COVID-19 Krise auf den Luftverkehr im Dezember 2020 das Projekt zur Modernisierung der Terminalinfrastruktur («MIT») abgebrochen», sagt Freudenberger. «In den nächsten Jahren braucht es keine konkreten Ausbauten.»
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