Die Passagierzahlen an den Schweizer Flughäfen steigen zwar nach dem Corona-Loch weiter an, aber nur noch langsam. Ein Minus von 10 bis 20 Prozent hält sich hartnäckig. Liegt das an Video-Konferenzen? Mobimag hat die Daten aus Zürich, Basel und Genf analysiert und mit Flughäfen im Ausland verglichen.
von Stefan Ehrbar
27. Februar 2023
Bis im Jahr 2025 will der Flughafen Zürich wieder die Passagierzahlen des Jahres 2019 und damit vor der Coronakrise erreichen. Dieter Vranckx, Chef der Airline Swiss, rechnete kürzlich in einem Interview mit CH Media mit einem ähnlichen Zeithorizont: «2025 werden wir hoffentlich auf oder sogar leicht über dem Vorkrisenniveau sein.» Für dieses Jahr rechnet die Swiss damit, eine Kapazität von 80 bis 85 Prozent des Jahres 2019 anbieten zu können.
Wieso dauert es so lange, bis die Passagierzahlen wieder auf dem Stand von vor der Krise sind – und wie schneiden die Flughäfen Basel, Bern und Genf ab? Mobimag hat die Zahlen analysiert und sich auf die Suche nach den Ursachen gemacht.
Werden die Schweizer Flughäfen betrachtet, zeigt sich, dass wie schon bei der letzten Analyse aus dem Oktober 2022 der Flughafen Genf in Sachen Passagierzahlen am besten dasteht.
Das Minus bei den Passagierzahlen beträgt beim Westschweizer Airport nur noch 10 Prozent. Der Flughafen profitiert weiterhin von seinem starken Fokus auf Point-To-Point, also Strecken innerhalb Europas und weniger Langstrecken-Verbindungen. Diese Routen haben sich generell schneller erholt, weil sie schon seit langem nicht mehr von Corona-Restriktionen betroffen sind und viele Ferienhungrige anziehen. Das gilt besonders für Destinationen rund um das Mittelmeer.
Ebenfalls einen starken Fokus auf Point-To-Point und Billigairlines setzt der Euroairport in Basel. Zuletzt ist er aber in Sachen Erholung sogar hinter den Flughafen Zürich zurückgefallen, wenn auch nur knapp. Der Euroairport weist vor allem in den Ferienzeiten sehr viele Passagiere auf, in traditionell schwächeren Monaten wie etwa im Januar vermag er aber verhältnismässig wenig Fluggäste anzuziehen.
Im Gegensatz zum Flughafen Genf hat er zudem keine Langstreckenverbindungen, während dort das Angebot zuletzt sogar ausgebaut wurde - etwa mit der Rückkehr von Air China und ihren Direktflügen nach Peking oder mit der neuen Verbindung von Delta nach New York. Diese Route wird auch von der Swiss bedient. Zudem war das Bevölkerungswachstum in der Westschweiz zuletzt dynamischer als in und um Basel - und mit dem neuen Ostflügel, dem Terminal für Langstreckenflüge, hat der Genfer Airport bei seiner Infrastruktur einen grossen Schritt nach vorne gemacht, während der Euroairport weiterhin etwas veraltet und unterdimensioniert daherkommt. In Basel kommt erschwerend hinzu, dass die Airline Southwind ihre Basis vor kurzem geschlossen hat und Easyjet einige Strecken aus dem Verkauf nahm.
Der grösste Schweizer Flughafen in Zürich liegt bei der Erholung derzeit zwischen Genf und Basel. Er ist als einziger Hub des Landes stark von der Airline Swiss und ihrem Langstreckennetz abhängig. Dieses ist noch nicht wieder auf dem Stand von vor der Krise. Besonders in Richtung Asien fliegt die Swiss noch deutlich weniger, vor allem, weil China lange an restriktiven Einreiseregeln festhielt. Die Flüge nach Shanghai etwa wurden von der Swiss erst Anfang März überhaupt wieder aufgenommen.
Die Airline hat zudem immer noch Flugzeuge in der jordanischen Wüste parkiert: Drei Kurzstreckenflugzeuge des Typs A320 und drei Langstreckenmaschinen des Typs A330. Im Verlauf des Jahres sollen sie alle wieder zurückgeholt werden und dürften dann zur weiteren Erholung in Zürich beitragen.
Mit dem schwachen asiatischen Markt lassen sich die Rückgänge in Zürich und Genf nur zum Teil und in Basel gar nicht erklären. Viel eher zeigt sich nun, dass besonders Geschäftsreisende tatsächlich nachhaltig weniger fliegen. Firmen haben während der Coronakrise gemerkt, dass Videokonferenzen in vielen Anwendungsfällen mindestens so gute Resultate liefern wie die physische Reise. Im Januar lagen die Passagierzahlen bei Geschäftsreisen bei der Airline Swiss erst bei 60 bis 70 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenniveau.
Dieses Jahr dürfte sich zudem weiterhin der Personalmangel bei Flughafen-Dienstleistern und Fluggesellschaften bemerkbar machen - Stichwort Fachkräftemangel. Ein schnelles Hochfahren der Kapazität ist deshalb nur schwer möglich. Von diesen Problemen ist besonders Deutschland betroffen. Dort sind auch die Kapazitäten der Flugsicherung stark eingeschränkt.
Unter diesem Effekt leiden besonders die Flughäfen Zürich und Basel, von wo viele Flüge nach und über Deutschland gehen. Er dürfte noch ein paar Monate bestehen bleiben. Das zeigt sich auch daran, dass die Passagierzahlen bei Flughäfen in Deutschland noch weiter zurückliegen als in der Schweiz: Im Januar verzeichnete etwa Frankfurt ein Minus von 21,3 Prozent gegenüber Januar 2019, in München stand ein Minus von 28,0 Prozent gegenüber 2019 in den Büchern.
Weniger stark davon betroffen ist der Flughafen Wien. Dort tobt einerseits ein Kampf der Billiganbieter, die mit neuen Routen und tiefen Preisen Marktanteile zu gewinnen versuchen und viel Kapazität in den Markt stellen. Andererseits führen von Wien viele Routen nach Osteuropa, wo weniger solche Kapazitätsprobleme bestehen. Zudem hat die Lufthansa-Tochter Austrian in den letzten Monaten einen guten Job gemacht und eine hohe Stabilität aufgewiesen, was dazu führte, dass viele Langstreckenpassagiere der Lufthansa-Gruppe über den Standort Wien geleitet wurden.
Das schlägt sich in den Zahlen nieder: Im Januar verzeichnete Wien einen Passagier-Rückgang von nur noch 8,8 Prozent gegenüber dem Januar 2019. Wie schon erstmals im Jahr 2019 geschehen, dürfte der Flughafen Wien auch dieses Jahr mehr Passagiere zählen als Zürich.
Für die Entwicklung der Passagierzahlen in Zürich wird aber auch wichtig sein, ob und in welcher Form sich die Swiss-Mutter Lufthansa an der italienischen Airline ITA beteiligt oder diese übernehmen kann. Italien ist ein wichtiger Quellmarkt für die Swiss. Es wird interessant zu sehen sein, ob die Lufthansa künftig noch mehr Langstreckenpassagiere aus Italien über Zürich leitet oder ob die stärkere Präsenz von Lufthansa im Gegenteil dazu führen wird, dass die Standorte Zürich und Wien geschwächt werden. Klar ist: Über dem Berg ist die Airline-Industrie noch lange nicht. Ob dies eine schlechte Nachricht ist, ist eine andere Frage.
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