RBS-Chef Fabian Schmid: «Die ausgeprägten Pendlerspitzen flachen hoffentlich etwas ab»

RBS-Chef Fabian Schmid. Bild: ZVG

Fabian Schmid ist Direktor des Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS). Im Interview verrät er, warum er einen grossen Nutzen in einem Berner Metro-Projekt sieht, wo bald der 7,5-Minuten-Takt neu eingeführt wird und warum der Siegeszug von Homeoffice seiner Bahn in Zukunft sogar helfen könnte.

von Stefan Ehrbar
22. November 2021

Herr Schmid, die Idee einer Metro Nord-Süd, eine unterirdische Verlängerung des RBS von Bern nach Köniz, geniesst grosse Unterstützung der betroffenen Gemeinden (Mobimag berichtete). Wie stehen Sie dazu?
Die Metro Nord-Süd ist eine sehr charmante Idee. Wir unterstützen die geplante Zweckmässigkeitsbeurteilung, die in möglichst breiter Optik Chancen, Nutzen, Risiken abwägen wird. Der RBS hat aktuell keinen Auftrag, ein solches Projekt zu planen – aber wir bereiten den Rahmen vor: So wird das laufende Bauprojekt neuer RBS-Bahnhof Bern so realisiert, dass eine Verlängerung Richtung Süden ohne grössere Einschränkungen des Betriebs möglich wäre. 


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Wann könnte die Metro Nord-Süd verkehren?
Ein politischer Entscheid kann frühestens ab 2025, wenn der nächste Ausbauschritt beschlossen werden, vielleicht aber auch erst Ende der 20er-Jahre. Für die Planung und Realisierung müssten 15 bis 20 Jahre veranschlagt werden. Die Metro Nord-Süd könnte 2040, vielleicht 2050 verkehren.

Im Ausbauschritt steht das Projekt in Konkurrenz zu Projekten der ganzen Schweiz. Ist das nicht eine wahnsinnig teure Idee für eine Stadt mit der Grösse von Bern?
Das Projekt hat seinen Preis, aber sein Nutzen ist stark überregional. Das Inselspital mit über 10’000 Angestellten würde genauso erschlossen wie der dortige Uni-Campus. Die unterirdischen Durchbindung verschiedener heute am Bahnhof Bern endender Bahnlinien würde die gesamte Nord-Süd-Achse attraktiver und der Bahnknoten Bern würde entlastet. Das strahlt auf das überregionale Bahnnetz aus. Hinzu kommt: Der Bund will den ÖV fördern. Der Anteil des öV an den Wegen soll verdoppelt werden. Das Projekt Metro Nord-Süd würde auf dieses  Ziel einzahlen.

Es geht aber nicht nur um den Verkehr. Die heutigen oberirdischen Anlagen könnten teilweise zurückgebaut werden – das ist eine grosse Chance für die Stadtentwicklung. Zum Vergleich: Die Autobahn A6 verläuft heute oberirdisch durch die Stadt Bern. Sie soll künftig im Sinne einer «Stadtreparatur» in den Boden verlegt werden. Eine Metro Nord-Süd hätte eine ähnliche Wirkung und würde gleichzeitig ein sehr attraktives öV-Angebot ermöglichen, denn es gäbe ein dichteres Angebot, kürzere Fahrzeiten und bessere Verknüpfungen mit dem Fernverkehr.


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Das Projekt steht in direkter Konkurrenz zu einem Ausbau der BLS-Strecke auf dem gleichen Abschnitt und auch Bernmobil ist von der Idee nur mässig begeistert. Belastet das die Zusammenarbeit?
Wir arbeiten gut zusammen und müssen nicht immer die gleiche Meinung haben. Wir betreiben mit der BLS die S-Bahn Bern, und auch mit Bernmobil haben wir viele Projekte. Die Metro Nord-Süd ist eine politische Vision zur Stärkung der Region. Es geht nicht darum, dass wir als subventionierte Betriebe uns selbst maximieren, sondern dass die Standortattraktivität der Hauptstadtregion gesteigert wird.

Die Coronakrise hat nun überall zu einem Einbruch der Passagierzahlen geführt. Was bedeutet das für Grossprojekte wie Metro Nord-Süd? Werden diese weiter nach hinten geschoben?
Das ÖV-Wachstum wird weitergehen. Die neue Absprungbasis des Wachstums wird vielleicht 10 Prozent tiefer liegen als vor der Pandemie. Es ist naheliegend, dass man früher oder später mehr öV-Kapazität trotzdem benötigt, aber vielleicht ein paar Jahre später. Die Nachfrage im öV ist nicht nur eine Grösse, die sich irgendwie ergibt. Vielmehr ist die Verdoppelung des Bahnanteils am Gesamtverkehr ein erklärtes politisches Ziel, unabhängig von der Pandemie, sondern motiviert durch den Klimawandel und die Stauprobleme auf der Strasse. Es besteht die Erwartung, dass die Branche dieses Wachstum ermöglicht.

Wo stehen Sie derzeit in Sachen Nachfrage?
Wir sind wieder bei rund 80% der Nachfrage vor Corona. Wenn die Maskenpflicht im öV mit gutem Gewissen aufgehoben werden kann, werden wir irgendwo zwischen 90 und 100 Prozent landen.


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Bereits im Bau ist das Projekt Zukunft Bahnhof Bern mit einem neuen RBS-Bahnhof unter den SBB-Gleisen. Was bringt das ihren Kunden genau?
Auf der Linie Solothurn-Bern bringt der neue Bahnhof 50% mehr Sitz- und Stehplätze, weil wir längere Züge führen können. Wir können auch auf der S7 das Platzangebot zwischen Bern und Deisswil erhöhen, weil wir die Verdichtungszüge mit den Stammzügen der S7 verknüpfen können, und somit alle Züge in Doppeltraktion führen können. Wir haben im neuen Bahnhof Bern zudem die Kapazität für vier zusätzliche Zugpaare pro Stunde und können damit auf der S8 nach Zollikofen später den 7,5-Minuten-Takt anbieten.

Sind die Arbeiten terminlich im Plan?
Die aktuellen Arbeiten laufen stabil und im Plan. Es gibt aber verschiedene Faktoren in den bisherigen Arbeiten, die zu Verzögerungen geführt haben – Einsprachen, Altlasten, Findlinge und Corona. Wir haben keine Zeitreserven. Ob das Auswirkungen hat auf die Eröffnung, werden wir in den nächsten Monaten genau wissen, das wird derzeit geprüft.

Sind autonome Züge ein Thema für den RBS?
Wir schauen uns das an, aber wir haben nicht die Illusion, dass wir noch dichter fahren können als mit den heutigen Zugfolgezeiten von teils 70 bis 80 Sekunden. Allenfalls können wir damit die Fahrplanstabilität erhöhen. Es gibt aber keine Absicht, den RBS grossflächig umzurüsten. Wir prüfen stattdessen, ob in Bätterkinden die S8 künftig autonom auf das Wendegleis und zurückfahren kann, damit der Lokführer in dieser Zeit eine Pause machen kann. 

Wie werden die Corona-Massnahmen – also vor allem die Maskenpflicht – in den Zügen und Bussen des RBS akzeptiert? Spüren Sie eine gewisse Nachlässigkeit?
Nein, wir sehen kein Nachlassen der Disziplin. Es gibt einen gewissen Prozentsatz an Leuten, die ermahnt werden müssen. Dieser Prozentsatz ist jedoch seit Beginn der Maskenpflicht im öV relativ stabil. Insgesamt werden die Massnahmen aber weiterhin gut eingehalten. Je später der Abend, desto weniger Menschen tragen Masken.


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Sie haben zusammen mit BSU fünf Elektrobusse beschafft und wollen bis 2035 nur noch alternativ angetriebene Busse einsetzen. Wird es dabei bei Elektrobussen bleiben oder schauen sie auch andere Antriebsarten an?
Wir haben auch Brennstoffzellen-Busse angeschaut und für Solothurn von einiger Zeit Gasbusse. Wir sind aber zum Schluss gekommen, dass wir mindestens vorderhand auf Elektrobusse setzen.

Wie werden die Busse geladen? Ist eine Streckenladung mit Lademasten an grösseren Haltestellen auch ein Thema?
Wir streben die Depotladung an. Das gibt uns mehr Flexibilität bei Baustellen. Wir führen auch Bahnersatzfahrten durch, und dazu brauchen wir eine genügend Reichweite. Bis 2026/27 müssen wir nur einzelne Fahrzeuge beschaffen. Bis dann können wir das mit Elektrobussen gut abdecken. Ende der 20er-Jahre müssen wir den Grossteil der Flotte ersetzen, dann sollte die Reichweite der zur Verfügung stehenden Busse höher werden.

Wie hoch muss die Reichweite sein?
Mit gut 300 Kilometer pro Tag können wir den grössten Teil abdecken. Bei einigen wenigen Umläufen, die deutlich länger sind, werden wir einen Bustausch tagsüber machen müssen.


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Sie haben kürzlich ihren ersten Elektrobus erhalten. Welche Erfahrungen machen Sie damit?
Er kommt bei unseren Kundinnen und Kunden sehr gut an. Die geforderte Reichweite wird erreicht. Sie liegt bei über 200 Kilometer. Der Fahrkomfort ist sehr gut und wird auch von den Anwohnern gelobt. Wir kämpfen aber noch mit technischen Kinderkrankheiten. Die Verfügbarkeit ist noch nicht auf dem Niveau, auf dem wir das haben möchten. In 5-6 Jahren, wenn die grösseren Beschaffungen anstehen, dürften diese Probleme Geschichte sein.

Seit einigen Wochen ist auch das Nachtnetz wieder in Betrieb. Wäre es denkbar, dass der RBS auch Nacht-S-Bahnen führt?
Sofern sich die Nachfrage entsprechend erhöht, machen wir das, klar. Bisher können wir die Nachfrage aber mit Gelenkbussen gut bedienen. Homeoffice könnte einen Einfluss haben, weil sich vielleicht der Tagesrhythmus der Menschen etwas später in die Nacht hinein verschiebt.

Welchen Einfluss wird Homeoffice auf den RBS haben?
Ich denke, die Zahl der Berufspendler zur Hauptverkehrszeit wird sich nachhaltig etwas reduzieren, zumindest an einzelnen Wochentagen. Dafür könnte die Nachfrage ausserhalb der Hauptverkehrszeit steigen. Die ausgeprägten Pendlerspitzen flachen hoffentlich etwas ab. Die Gesamtnachfrage reduziert sich möglicherweise leicht; doch: Wer im Homeoffice arbeitet, ist häufig trotzdem mobil – etwa zum Einkaufen oder für berufliche Reisen.


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Im Einzugsgebiet des RBS gibt es viele Dienstleistungsbetriebe wie die Swisscom, die stark auf Homeoffice setzen. Sind sie im Vergleich zu anderen ÖV-Betrieben daher im Nachteil?
Kurzfristig erholen wir uns vielleicht etwas langsamer als andere Betriebe, weil wir viele Betriebe haben, die auf Homeoffice setzen. Mittelfristig kann das aber eine Chance für uns sein. Wir stellen fest, dass gerade die Swisscom ihre Standorte überprüft und von drei auf zwei Standorten fokussiert. Beibehalten werden die Standorte, die an unserem Netz sind. Mehr Leute werden etwa in Worblaufen arbeiten. Homeoffice führt dazu, dass Firmen schauen, wie viele Flächen sie brauchen und vielleicht auch umziehen – und dabei kann unser Netz ein Standortvorteil sein. Auch der Bund hat in Ittigen einen Büroneubau mit 700 Mitarbeitenden in Betrieb genommen und baut in Zollikofen für über 2000 Angestellte neue Bürogebäude.

Was halten Sie vom Homeoffice-GA, das nun getestet wird?
Ich denke, das macht Sinn. Ob das Homeoffice-GA die richtige Antwort ist, wird sich zeigen. Klar ist, dass wir aktiv werden müssen. Der ÖV darf mit Tests neuer Angebote durchaus auch mal scheitern. Es kann nicht immer jede Innovation gelingen. Was ich nicht gut finden würde ist, wenn man gar nicht erst etwas ausprobiert.

Welche Rolle spielt der Preis? In Österreich wurden im Oktober fast 130’000 Klimatickets verkauft, eine Art GA für Österreich, einfach viel billiger.
Natürlich ist der Preis wichtig. Aber die Qualität, die der ÖV in der Schweiz bietet, darf ihren Preis haben. Die Fahrgäste sind durchaus bereit, für eine gute Erschliessung, sowie für Einfachheit, Verlässlichkeit des Systems etwas zu bezahlen. Wenn man eine saubere Vollkostenrechnung macht, ist der ÖV überdies nicht teurer als das Auto. 

Um Kunden zurückzugewinnen, gibt es verschiedene Ideen der Branche. Welche halten Sie für besonders wichtig?
Wichtig finde ich Angebote, die sich an verschiedene Zielgruppen richten wie Schulen und Gruppen. Auch Kombiangebote sind relevant, also etwa mit Leihvelos und Carsharing. Wichtig sind zudem Angebote, welche die letzte Meile überbrücken. Generelles Anliegen ist weiter, das Tarifsystem und das Umsteigen einfach zu machen, sowie Anschlüsse sicherzustellen.


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Der RBS war letztes Jahr die pünktlichste Bahn der Schweiz. Worauf führen sie das zurück?
Auf dem Bahnnetz sind wir traditionell pünktlich unterwegs. Wir haben den Vorteil, keine Drittunternehmen und keine Güterzüge auf dem Netz zu haben. Letztes Jahr hatten wir zudem den Vorteil, wenige Baustellen zu haben. Wir werden auch dieses Jahr wieder einen guten Wert erreichen, aber vielleicht nicht mehr ganz so hoch wie letztes Jahr. 

Wo wollen sie im BAV-Ranking noch besser werden?
Wir sind in den meisten Dimensionen recht gut unterwegs. Wir sehen jedoch noch Potenzial bei der Kundeninformation und der Sauberkeit.

Wie bewegen Sie sich selbst fort?
Vor allem mit dem Velo und mit dem ÖV. Auch für Ferienreisen und längere Reisen setze ich auf den ÖV. Ich bin ein ÖV-Mensch.


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