Gomore lässt Private ihr Auto vermieten – Schweiz-Chefin sagt: «Es gibt Autobesitzer, die 1200 Franken pro Monat verdienen» 🆓

Burcu Biçer leitet den Schweizer GoMore-Markt. Bild: zvg


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Burcu Biçer ist die Schweizer Marktverantwortliche des dänischen Carsharing-Anbieters Gomore. Im Interview verrät sie, wie viel Autobesitzer mit ihrem Modell verdienen können, warum die Firma noch dieses Jahr ins Leasing-Geschäft einsteigt und ob Carsharing tatsächlich die Zahl der Autos in den Städten verringern kann.

von Stefan Ehrbar
20. Februar 2023

Frau Biçer, die Firma GoMore aus Kopenhagen ist in Dänemark, Finnland, Schweden, Spanien und Österreich tätig – und seit gut einem Jahr auch in der Schweiz. Warum haben Sie sich für den Markteintritt hierzulande entschieden?
Wir sind überzeugt, dass die Schweiz ein idealer Markt für Carsharing ist. Schliesslich hat die Schweiz mehrere grosse Ballungsräume und ist im Allgemeinen ein gut ausgebildetes und gut funktionierendes Land, genau wie Dänemark, wo wir herkommen. Seit Sharoo den Schweizer Markt verlassen hat, gibt es niemanden mehr, der Privatpersonen es ermöglicht, ihre Autos über eine starke, skalierbare Plattform zu teilen. Wir wollen dies korrigieren und glauben fest an den Schweizer Markt.


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Wie viele Autos sind in der Schweiz auf der Plattform registriert?
Wir haben derzeit mehr als 2000 Autos auf unserer Plattform, aber diese Zahl ändert sich täglich, da wir immer wieder neue Autobesitzer überzeugen, sich bei uns zu registrieren.

Wie viele Vermietungen finden täglich statt?
Dieser Wert schwankt von Tag zu Tag und von Saison zu Saison, so dass es sehr schwierig ist, eine Zahl anzugeben. Ich kann jedoch sagen, dass wir die Zielvorgaben bisher immer übertroffen haben.


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Wie viel Umsatz erzielen Sie hierzulande? Schreibt GoMore in der Schweiz Gewinn?
Wir können uns nicht zum Umsatz äussern, aber wir haben ein starkes Wachstum erlebt und sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen, auch im Vergleich zu den anderen Märkten, die wir eingeführt haben. Wir haben bereits über 2000 Autos auf der Plattform und eine sehr steile Wachstumskurve. Wir hoffen, dass sich die Schweizer Kunden weiterhin dafür entscheiden werden, ihre Autos über GoMore zu teilen, damit wir eine Zukunft mit weniger geparkten Autos in unseren Städten und mehr Platz zum Leben schaffen können.

Wie haben sich diese Zahlen in den letzten Wochen entwickelt?Wir wachsen von Tag zu Tag und sind mit unserer bisherigen Leistung sehr zufrieden. Der Januar hat uns allerdings sehr positiv überrascht, weil es eigentlich Nebensaison ist.

Welche Ziele hat GoMore in der Schweiz?
Wir wollen die Nummer 1 in der Schweiz sein, wenn es um Carsharing geht. GoMore soll für jede unserer Zielgruppen ein Begriff sein. Konkret streben wir bis 2023 ein Wachstum von 70% bei den Vermietungen und beim Umsatz an. Ausserdem wollen wir bis Ende des Jahres rund 3’500 Autos auf der Plattform registriert haben.

Wie viel verdient ein durchschnittlicher Autobesitzer, der sein Auto auf GoMore registriert hat, pro Monat mit den Vermietungen?
Wie viel ein Autobesitzer verdient, hängt von vielen Faktoren ab, wie z.B. Standort, Preis, Automodell, Alter des Fahrzeugs, die Annahmequote der Anfragen und zeitliche Flexibilität des Autobesitzers. Es gibt Autobesitzer, die derzeit etwa 1’200 Franken pro Monat verdienen. Dabei ist zu bedenken, dass wir uns noch in der Aufbauphase befinden und es ist Nebensaison.

Welcher Teil davon geht an GoMore?
Wir ziehen 25% vom Tagespreis ab. Von dem oben genannten Betrag sind unsere Gebühren bereits abgezogen und es ist der Netto-Betrag, den ein Autobesitzer verdient.

Welche Zielgruppe spricht GoMore vor allem an? In welcher Zielgruppe ist GoMore besonders beliebt?
Auch hier schränken wir uns nicht zu sehr ein. Jeder, der ein Auto besitzt, einen Führerschein hat und über 21 ist, kann unsere Plattform nutzen. Besonders beliebt ist GoMore bei der Zielgruppe zwischen 24-45 Jahren.

Was ist der Vorteil von GoMore gegenüber Enteprise Go, Mobility oder anderen Konkurrenzangeboten?
Enterprise-Go oder Mobility haben ihre eigene Flotte, was ihre Flexibilität stark beeinträchtigen kann. Wenn sie zum Beispiel die Anzahl ihrer Fahrzeuge erhöhen wollen, müssen sie sich um viele Dinge kümmern, wie Investitionskosten, Parkplätze und so weiter. Bei uns ist das nicht der Fall. Wir besitzen keine Autos und müssen daher «nur» Autobesitzer finden, die ihr Auto mit anderen teilen wollen.

Für die Mieter ist es natürlich auch sehr vorteilhaft, wenn das Auto des Nachbarn in ihrer unmittelbaren Nähe steht und nicht an einem bestimmten Ort parkiert ist, wo sie vielleicht noch eine Weile laufen oder sogar ÖV benutzen müssen. Wir haben auch eine Lieferfunktion, die es unseren Autobesitzern ermöglicht, ihr Auto dorthin zu bringen, wo der Mieter es haben möchte.

Auf der Startseite von GoMore heisst es: «Teile Autos, um unseren Planeten zu schützen». Das Ziel sei es, die Anzahl der Autos in den Städten zu halbieren. Wie misst GoMore diese Zielerreichung?
Es ist natürlich schwierig, dies zu verfolgen, aber mehrere Studien bestätigen, dass Carsharing ein sehr effektives Mittel zur Verringerung des Autoverkehrs ist und dass ein gemeinsam genutztes Auto fünf bis 10 Autos ersetzen kann. Diese Schätzung kann natürlich angefochten werden, aber es ist klar, dass es bei der sehr geringen Auslastung der Autos (die Autos sind mehr als 95 % der Zeit parkiert) eine riesige Chance gibt, dies besser zu machen – und wir wollen bei dieser Agenda ehrgeizig sein und eine Vision zeigen, auch wenn sie natürlich nicht kurzfristig realisiert werden kann.

Ist dies mehr als nur ein Slogan? Können Sie tatsächlich einen Rückgang der Autos in den Städten feststellen, in denen sie aktiv sind, oder konkurrenzieren sie vor allem bestehende Miet- und Sharingangebote?
In einigen unserer etablierten Märkte sehen wir, dass unsere Nutzer angeben, dass sie den Besitz eines Autos aufgegeben haben, weil Lösungen wie GoMore ihnen eine Alternative bieten, mit der sie sowohl Geld sparen als auch die Umwelt schützen können. Wir glauben, dass eine Vielzahl verschiedener Sharing-Optionen den Kunden, die ohne Auto leben, nur helfen kann.

Besonders beliebt sind Keyless-Autos. Wie hoch ist deren Anteil in der Schweiz?
Etwa 10 %, Tendenz steigend. Leider sind nicht alle Autos mit dem Keyless-System kompatibel. Ausserdem wollen sich die meisten Autobesitzer erst einmal mit der Plattform anfreunden. Danach sind sie in der Regel selbst von der Idee überzeugt und Keyless wird so zum Selbstläufer.

Wie viel mehr Buchungen können mit einem Keyless-Auto erzielt werden?
Fünfmal mehr Buchungen, weil es den Autobesitzern ein hohes Mass an Freiheit gibt und die Mieter es vorziehen, die Autobesitzer nicht persönlich treffen zu müssen.

Wie oft kommt es im Nachhinein einer Buchung zu Unregelmässigkeiten respektive Geldforderungen seitens der Vermieter? 
DZusatzkosten, wie etwa Mehrkilometer oder zu wenig Treibstoff, kommen sehr häufig vor, werden aber von unserem Kundenbetreuungsteam sehr schnell bearbeitet. Der Prozess ist sehr einfach und schnell, denn wir wollen unseren Kunden den bestmöglichen Service bieten. Aber wenn wir über Schäden sprechen, dann kommen sie nicht oft vor und wir haben eine sehr niedrige Schadensquote. Das liegt daran, dass wir unsere Mieter sorgfältig überprüfen, wenn wir sie auf die Plattform lassen, und dass sie sehr verantwortungsbewusst und vorsichtig mit den Autos umgehen.

Autos in Tiefgaragen müssen persönlich übergeben werden, weil der Zugang Aussenstehenden oft nicht automatisch gewährt werden kann. Wie wollen Sie dieses Problem angehen?
Der Autobesitzer kann das Auto vor Mietbeginn umparken und auf einem öffentlichen Parkplatz abstellen, wenn er das Keyless-System hat.

Sie wollen gemäss ihrer Website bald auch GoMore Leasing starten. Wann ist es soweit? Mit wem werden sie dafür zusammenarbeiten?
Wir wollen es noch vor dem Sommer anbieten und haben eine Partnerschaft mit einem lokalen Anbieter aus Zürich. Wir sind auch in engem Austausch mit einem internationalen Anbieter und schauen, wie wir am besten zusammenarbeiten können.

Wie unterscheidet sich die Schweizer Kundschaft von der in anderen Ländern?
Schweizer Kunden haben eine höhere Kaufkraft und damit ein grösseres Interesse an teuren Fahrzeugen. Wir haben auch sehr teure Autos auf der Plattform. Das ist der grösste Unterschied zu den anderen Märkten, in denen wir operieren.

Oft heisst es, hierzulande seien Menschen besonders schwer für das Teilen von eigenem Besitz wie Autos zu begeistern (und auch zur Nutzung von fremden Autos). Stellen Sie das auch fest?
Das war meine ursprüngliche Vermutung, ich dachte, Herr und Frau Schweiz würden ihre Autos nicht teilen wollen. Aber die Schweiz hat uns sehr positiv überrascht. Die Menschen in der Schweiz teilen gerne und die Schweizer Bevölkerung öffnet sich jeden Tag mehr und mehr dem Carsharing.

Soll GoMore ein Angebot vor allem für Städte bleiben oder auch auf dem Land expandieren?
Da wir keinen eigenen Flotten haben und die Plattform für alle offen ist, ist unser Angebot bereits für alle zugänglich. Allerdings funktioniert Carsharing in den Städten viel besser, vor allem weil auf dem Land fast jeder ein Auto hat und es nicht gerne teilt, erstens, weil man darauf angewiesen ist und zweitens, weil die Menschen noch zurückhaltender sind als in den Städten, wenn es um Carsharing geht.

In welcher Stadt werden in der Schweiz am meisten Buchungen durchgeführt?
In Zürich.

Wie bewegen Sie sich selbst fort?
Meistens bin ich zu Fuss oder mit dem Velo unterwegs. Aber wenn ich unter Zeitdruck stehe, benutze ich die ÖV. Für grössere Einkäufe oder Trips bin ich selbst GoMore-Kunde, da ich kein eigenes Auto besitze.



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