Velos sollen nicht auf Velowegen fahren müssen, fordert Zürich – Bund will E-Bikes weg vom Trottoir (Abo)

Sollen Velos überall fahren dürfen? Bild: Thomas Delacrétaz/Unsplash

Der Bund will neue Regeln für den Langsamverkehr. Schnelle E-Bikes und schwere Lastenvelos sollen künftig nicht mehr auf den Velowegen fahren müssen. Der Stadt Zürich geht das zu wenig weit: Sie fordert die Aufhebung der Benutzungspflicht für Velowege für alle Velos. So hoch sind die Chancen für die Forderung.

von Stefan Ehrbar
15. August 2023

Wer muss alles auf Velowegen fahren? Im Moment ist die Antwort klar: Velofahrerinnen und -fahrer, aber auch Lenker schwerer und schneller Motorfahrräder dürfen grundsätzlich die Fahrbahn der Autos nicht benützen, wenn es einen Veloweg gibt.

Zur Kategorie der schweren und schnellen Motorfahrräder gehören E-Bikes mit Geschwindigkeiten von über 25 km/h, dreirädrige E-Lastenvelos und drei- oder vierrädrige elektrisch betriebene Fahrzeuge mit einem Gewicht von unter 450 Kilogramm, einer Leistung von unter 1 kW, einer Maximalgeschwindigkeit von 25 km/h und maximal einem Meter Breite.

Für sie will der Bundesrat nun die Regeln ändern. Die Benutzungspflicht von Velowegen soll für diese Kategorie aufgehoben werden. «Eine Benutzungspflicht bestünde nicht mehr», heisst es im erläuternden Bericht zur Revision der Vorschriften für den Langsamverkehr. Diese ist bis Oktober in der Vernehmlassung.

Auf Trottoirs soll dafür ein strengeres Regime gelten. Grundsätzlich sollen auf Wegen, die als Fussweg oder als Fussweg mit dem Zusatz «🚲 gestattet» signalisiert sind, nur noch Velos, Leicht-Motorfahrräder und Elektro-Stehroller fahren dürfen. Dazu gehören schwach motorisierte E-Bikes mit einer Leistung von maximal 0,5 kW und einer Maximalgeschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde.

Schnellere E-Bikes und dreirädrige Lastenvelos sollen künftig nicht mehr auf den so signalisierten Wegen fahren dürfen. Im Gegensatz zur heutigen Regelung soll das auch gelten, wenn der Motor ausgeschaltet ist. «Schnelle und schwere bzw. breite Motorfahrräder können die Sicherheit auf Fusswegen gefährden, weshalb sie generell ausgeschlossen werden sollen», schreibt der Bundesrat dazu. Weiterhin sollen die Behörden aber die Möglichkeit haben, einen gemeinsamen Rad- und Fussweg zu signalisieren, auf dem auch dieser Kategorie ein Mitbenutzungsrecht eingeräumt wird – aber eben keine Pflicht zur Benutzung mehr auferlegt wird. Die vorgesehene Neuordnung passt nicht allen. Denn Fahrern von Velos und langsameren E-Bikes soll es weiterhin verboten sein, die Fahrbahn der Autos zu benutzen.

Die Stadt Zürich fordert nun den Bundesrat auf, die Benutzungspflicht für Velowege auch für normale Velos und langsamere E-Bikes aufzuheben.

Wo überall die Benutzungspflicht gelte, sei für die Verkehrsteilnehmenden nämlich nur schwer erkennbar, «sofern sie diese Pflicht und die Bedeutung der einzelnen Signalisationsmöglichkeiten überhaupt kennen», schreibt der Stadtrat in einem Brief an Bundesrat Albert Rösti. So sei beispielsweise vielen nicht bekannt, dass auf Fussgängerwegen mit dem Zusatz «🚲 gestattet»  keine schnellen E-Bikes oder dreirädrige E-Lastenvelos erlaubt sind.

Doch die Stadt Zürich führt nicht nur die Unkenntnis der Velofahrerinnen und -fahrer ins Feld. «In der Stadt Zürich wird das Velo immer beliebter, sei es ohne oder mit, sei es mit langsamer oder mit schneller Tretunterstützung. Daneben verbreiten sich E-Trottinettes und E-Mofas, für die dieselben Vorschriften wie für normale Velos gelten», schreibt der Stadtrat. «Aufgrund der engen Platzverhältnisse befindet sich die Veloinfrastruktur zum Teil auf gemeinsamen Flächen mit dem Fussverkehr. Schnellere Fahrerinnen und Fahrer von Velos und von den Fahrrädern gleichgestellten Fortbewegungsmitteln dürfen eine parallel verlaufende Strasse somit nicht benutzen – auch wenn sie damit Konflikte und Gefahren auf den gemeinsamen, begrenzten Flächen mit dem Fussverkehr vermeiden könnten.»

Eine Aufhebung der Benutzungspflicht wäre geeignet, diese Problematik zu entschärfen, findet die Stadt. Auf besonders gefährlichen Strassen könne zudem weiterhin ein explizites Verbot für Velofahrerinnen und -fahrer signalisiert werden. Das sei auch als Signalisation besser verständlich. Zudem würden keine neuen Differenzierungen zwischen schnellen und langsamen E-Bikes und zwischen schweren Lastenrädern und normalen Cargovelos geschaffen. Denn diese würden «von den Verkehrsteilnehmenden kaum verstanden und den Vollzug unnötig verkomplizieren».

«Selbstverständlich würde eine Aufhebung der Benutzungspflicht nicht dazu führen, dass die Stadt Zürich ihre Anstrengungen zum Bau einer attraktiven Veloinfrastruktur vernachlässigt», schliesst die Stadt ihre Bitte ab.

Dass sie damit Erfolg hat, darf eher bezweifelt werden. Im Zug der laufenden Vernehmlassung haben sich bisher keine anderen gewichtigen Adressaten wie Kantone hinter das Anliegen der Stadt gestellt. Dafür haben sie allerdings auch noch bis am 18. Oktober Zeit. Hoffen kann die Stadt, dass sich weitere Teilnehmer der Vernehmlassung in die selbe Richtung äussern. Noch nicht geäussert haben sich etwa die Stadt Bern oder der Kanton Basel-Stadt, die eine ähnliche Problematik kennen.

Sicher ist: Würde die Benutzungspflicht der Velowege aufgehoben, könnte dies tendenziell zu einer entspannteren Situation für zu Fuss Gehende auf den Trottoirs führen. Ob Bundesrat Rösti ein Herz für sie hat, dürfte sich frühestens Ende Jahr zeigen.

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