Der erfolgreiche Betrieb eines Regionalflughafens in der Schweiz ist eine finanzielle Gratwanderung. Ein Blick ins nördliche Nachbarland mit seinen über zwanzig Regionalflughäfen zeigt, mit wenigen Ausnahmen, ein düsteres Bild. Wir ordnen ein.
von Peider Trippi
24. Oktober 2024
Kaum ein Regionalflugplatz kann betriebswirtschaftlich auf nachhaltig gesunden Beinen stehen. Die Lokalpolitik steht in der Kritik, doch ohne sie wären die „Landratspisten“, wie es einst das deutsche Handelsblatt betitelte, oft zur Schliessung gezwungen.
Der Entscheid des Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), die Finanzhilfen an die Regionalflugplätze Bern und Altenrhein für nicht-hoheitliche Sicherheitsmassnahmen ab 2026 zu streichen sorgt für neues Ungemach (siehe PDF Mehrjahresprogramm 2024-2027). Der Entscheid wird mit dem fehlenden ganzjährigen Linienverkehr und entsprechend fehlendem öffentlichen Interesse begründet. Der Fokus auf Ferienflüge bilde keine Grundlage für eine Finanzhilfe.
Die vom Bund in der Schweiz vorgegebene Definition für Regionalflughäfen wird wie folgt umschrieben: „Die Regionalflugplätze dienen in erster Linie der Geschäfts-, Touristik- und Arbeitsfliegerei. Sie ergänzen die Landesflughäfen als Träger des öffentlichen Luftverkehrs mit direkten Verbindungen ins In- und Ausland. Daneben nehmen auf den Regionalflugplätzen die Ausbildung und der Flugsport eine bedeutende Rolle ein“.
Gemäss dem Luftfahrtpolitischen Bericht (LUPO) 2016 soll eine langfristige Koexistenz zwischen Flugplätzen und Nutzniessern sichergestellt werden und günstige Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Flughafeninfrastrukturen geschaffen werden. Im Weiteren sollen die Regionalflughäfen als wichtige Reserve für den Erhalt und die weitere Entwicklung der Business Aviation und als Ausweichflughäfen erhalten bleiben. Durch neue Technologien im Anflugbereich sollen die Effizienz und die Sicherheit gesteigert werden.
Trotz den meist jährlichen Fehlbeträgen ist der volkswirtschaftliche Nutzen, den die schweizerischen Regionalflughäfen beitragen, nicht zu unterschätzen:
- Ansiedelungen von Industrien in Flughafengelände oder -nähe (Grenchen, Altenrhein und zukünftig Dübendorf und Payerne).
- Reisezeitersparnisse (Bern, Altenrhein, Sion).
- Entlastung der Landesflughäfen bei Geschäftsflugzeugen (Altenrhein, Dübendorf, Payerne).
- Attraktivität der Region für den Tourismus (Samedan, Sion, Lugano, Saanen).
- Flugausbildung (Birrfeld, Grenchen).
Vor- und Nachteile von Regionalflughäfen
Wenn man von kleinen Regionalflughäfen abfliegt, kann man überfüllte Grossstadtflughäfen vermeiden und sind kürzere Warteschlangen, kürzere Fusswege und bequemere und günstige Parkmöglichkeiten von Vorteil. Zu den Nachteilen gehören begrenzte Flugziele, wetterbedingte Flugausfälle, fehlende Annehmlichkeiten und begrenzte Öffnungszeiten von Geschäften und Restaurants. Um ein wirtschaftliches Potenzial im Linien- und Charterverkehr zu entwickeln benötigt ein Regionalflughafen ein Einzugsgebiet von ein bis zu zwei Millionen Einwohnern.
Der Grund für diese schwache Entwicklung ist die Tatsache, dass der Luftverkehr von Regionalflugplätzen aufgrund der generellen Preis- und Kostenentwicklungen, nur für wenige Strecken wirtschaftlich ist. Regionalflugplätze in Westeuropa haben in den letzten Jahren nur dann deutliche Verkehrszuwächse zu verzeichnen gehabt, wenn auch Low-Cost-Gesellschaften angeworben werden konnten. Dies scheidet bei den Schweizer Regionalflugplätzen jedoch aufgrund der Startbahnlängen aus, die keinen Einsatz der im Low-Cost-Verkehr üblichen Flugzeugmuster mit ausreichenden Passagierkapazitäten (z. B. Boeing B737, Airbus A320) erlauben respektive hierfür das lokale Passagieraufkommen schlicht zu klein ist.
Die Anbindungen des Regionalflughafens Bern an Drehkreuze wie London, Frankfurt, Amsterdam oder Paris wurden mehrmals versucht. Alle wurden mangels kommerziellen Erfolgs früher oder später eingestellt. Die nach wie vor bestehende Anbindung von Wien ab Altenrhein ist vorwiegend touristischer Natur respektive erspart Geschäftsreisenden lange Zugreisen. Auch das immer heisser werdende Wetter macht der Nachfrage nach Charterflügen ab Regionalflughäfen im Sommer einen Strich durch die Rechnung. So wird geplant, im Sommer 2025 ab dem Flughafen Altenrhein für ein paar Wochen den Flugbetrieb nach Mallorca, Menorca, Sizilien, Ibiza und Korfu mangels Auslastung einzustellen.
Der Verband Schweizer Flugplätze sieht nur den Weg über eine intensive, partnerschaftliche Zusammenarbeit unter den Interessensvertretern der Luftfahrt um die Quadratur des Kreises zu durchbrechen. Das Beispiel Payerne zeigt auf, dass Industrie- und Technologieparks, Wartungsbetriebe bis hin zu Start-up Unternehmen eine langfristige Sichtweise und Unabhängigkeiten vom direkten Flugbetrieb ermöglichen.
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt geht noch einen Schritt weiter und stipuliert „neben dem Bund sind auch die Standortkantone gefordert, die erforderliche Unterstützung zu leisten“. Ansonsten wird sich die Befürchtung eines Regionalflughafenbetreibers bewahrheiten „es ist unvermeidbar, dass Regionalflughäfen eingehen werden“.
Noch ein Blick über die Grenze – die Situation in Deutschland
Eine vorliegende Studie vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft von 2020 untersuchte die Wirtschaftlichkeit, Konnektivität und Klimalast von 14 deutschen Regionalflughäfen mit 200.000 bis 3 Millionen Fluggästen pro Jahr für den Zeitraum 2014 bis 2019. Obwohl fast alle betrachteten Flughäfen negative Jahresergebnisse aufweisen und mit Subventionen ihre Gebühren und Flugpreise niedrig halten, hatte die Mehrzahl von ihnen schon vor der Coronakrise deutlich rückläufige Fluggastzahlen. Das System der Regionalflughäfen ist ökonomisch nicht nachhaltig, nicht bedarfsgerecht und klimapolitisch bedenklich.
An den meisten Regionalflughäfen ist eine negative Entwicklung der Passagierzahlen festzustellen. Während der Flugverkehr in Deutschland bis 2019 insgesamt einem deutlichen Aufwärtstrend folgte, konnten Regionalflughäfen – bis auf Ausnahmen – von dieser Entwicklung nicht profitieren. Sie verlieren meist sogar an Passagieren.
Wie das Beispiel Friedrichshafen zeigt, sind auch Abhängigkeiten von einzelnen Fluggesellschaften mit hohen Risiken behaftet. Im Winter 2024/25 bietet der Flughafen Friedrichshafen ein deutlich reduziertes Angebot mit 22 Linienflüge gegenüber wöchentlich 80 im letztjährigen Winterflugplan an. Diesen drastischen Einschränkungen liegen mehrere Ursachen zugrunde: Gran Canaria, ein sehr beliebtes Reiseziel, fällt weg, weil sich die Low-Cost-Airline Smartwings vom Bodensee Airport zurückgezogen hat. Ägypten-Flüge wurden stark eingeschränkt. Dazu wurden die 27 wöchentliche Lufthansa-Verbindungen eingestellt. Spätestens ab 2027 müssen Regionalflughäfen nach EU-Recht im laufenden Betrieb ohne öffentliche Mittel auskommen. Dies dürfte nicht nur für den Regionalflughafen Friedrichshafen, der jährlichen Verluste verzeichnet, zur Schicksalsfrage werden.
Memmingen, der ehemalige Militärflugplatz, ist betrieblich seit der Inbetriebnahme 2007 als Zivilflughafen erfolgreich unterwegs. Er verband im Sommerflugplan 2024 53 Flugziele in 22 Ländern, im Winter 2024/25 41 Ziele. Allesamt werden von den Low-Cost-Fluggesellschaften Ryanair und der ungarischen Wizz Air ab dem Allgäu Airports geflogen. 2023 verzeichnete der Flughafen 2,8 Millionen Passagiere (2019 1,7 Millionen), wickelte knapp 30.000 Flüge (2019 13.930) ab und beschäftigte 296 Mitarbeitende.
Nun stehen in Deutschland (und bald auch in Frankreich) höhere Gebühren an. Die Folge, Ryanair, Easyjet und Wizz Air ziehen ihre Jets ab. Reihenweise vertreibt die Politik die Fluggesellschaften mit ihren stark steigenden Gebühren bei der Luftsicherheit, der Flugsicherung oder der Ticketgabe. Ryanair kündigte Ende August an, die Regionalflughäfen Dortmund, Dresden und Leipzig gänzlich aus dem Angebot zu nehmen, ebenso Wizz Air, die sich vom Flughafen Köln-Bonn zurückzieht.
Mit Alternativen zum Erfolg
Dass alternative Modelle einen Regionalflughafen «beflügeln» kann zeigen die Beispiele Braunschweig und Kassel. Der Flughafen Braunschweig übt neben der Funktion zur Anbindung dezentraler Wirtschaftsräume insbesondere auch die Funktion als „Forschungsflughafen“ aus. Zum Netzwerk gehören rund 40 klein- und mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt und der Verkehrstechnik. Der Forschungsflughafen sichert aktuell unmittelbar rund 2.800 hochqualifizierte Arbeitsplätze direkt vor Ort (seit 2004 plus 75 Prozent) und mehr als 4.000 in der Umgebung.
Am Flughafen Kassel sind inzwischen mehr als 250 Beschäftigte im Bereich der Wartung von Luftfahrzeugen beschäftigt. Die Hauptarbeitgeber in diesem Geschäftsfeld sind Airbus Helicopters, Piper Deutschland GmbH, PAD Aviation Technics GmbH, Helitec und ZF-Luftfahrttechnik.
In der Schweiz entwickelt sich in Payerne mit dem Swiss Aeropol –Airport und Businesspark ein ähnliches Cluster, wenn auch noch im kleineren Rahmen. Der Innovationspark Dübendorf hätte viel Potenzial und engagierte Ideen, doch die Politik scheint sich im Unklaren zu sein, was man will und wie dies im Interesse aller umzusetzen wäre.
Schreiben Sie einen Kommentar