Elektro-Luftfahrt: Vom Testbetrieb zum kommerziellen Einsatz

Das EcoPulse-Demonstrationsflugzeug absolvierte den ersten hybrid-elektrischen Flug im Dezember 2023. Die sechs Propeller am Flügel werden von einer Batterie und einem Turbogenerator angetrieben. Bild: Safran

Während elektrisch angetriebene Kleinflugzeuge schon auf dem Markt sind, stehen kleinere elektrische Flugtaxi und Regionalflugzeuge in der Erprobung. Für Mittelstreckenflugzeuge mit 150 und mehr Plätzen wird es wohl bis anfangs der 40er-Jahre dauern, bis ein kommerzieller Einsatz erfolgt. Die Analyse.

von Peider Trippi
26. September 2024

Die Suche nach Lösungen für die Reduktion von fossilen CO2– und Lärm-Emissionen hat bereits zur Konstruktion von elektrisch angetriebenen Kleinflugzeugen geführt. Angesichts dieser Bestrebungen stellt sich die Frage nach Elektroantrieben für grössere Flugzeuge. Reine Elektroantriebe würden insbesondere auf grossen Flughöhen keine klimawirksamen CO2-Emissionen ausstossen, weil sie lokal emissionsfrei laufen. Auf Grund des resultierenden grossen Interesses stellt sich die Frage nach der Realisierbarkeit von rein elektrisch betriebenen Flugzeugen.

Die Energie, die ein Flugzeug für den Transport benötigt, muss bereits zu Beginn der Reise in Form eines geeigneten Energiespeichers an Bord sein. Um lange Flugstrecken mit Passagieren und Fracht zurücklegen zu können, muss die Energieeffizienz eines Flugzeuges so hoch sein, dass die an Bord transportierbare Energiemenge für den ganzen Flug reicht. Dies bedeutet, dass die verwendeten Energiespeicher nicht zu viel wiegen dürfen, da jedes zusätzliche Kilogramm mit mehr Schub kompensiert werden muss.

Der Realisierung von rein elektrischen, kommerziell betriebenen Passagier- und Frachtflugzeugen stehen zurzeit die Energiedichte (Energieinhalt pro Masse und pro Volumen) von den für den Elektroflug benötigten Batterien noch im Weg. Schwierige technische Herausforderungen sind auch die benötigten hohen elektrischen Antriebsleistungen bei Passagierflugzeugen und die Anforderung für das schnelle Aufladen mit sehr grossen Energiemengen. Die Umweltbilanz würde insbesondere bei den Batterien von deren Lebensdauer, der Herstellung und Wiederverwertung und von der Umweltauswirkung für die Bereitstellung der elektrischen Energie für das Aufladen abhängen.

Der Volumenbedarf des Energiespeichers beeinflusst das Volumen des Flugzeuges und damit seinen Energiebedarf bzw. seine Effizienz. Daher muss neben der Energiedichte bezüglich Masse auch die Energiedichte bezüglich des Volumens betrachtet werden. In einer heutigen Hochleistungsbatterie (Stand Anfangs der 2020er-Jahre) können pro Liter ca. 0.35 kWh Energie gespeichert werden (Volumendichte 0.35 kWh / Liter). Bei einem Liter Kerosin ist für den gleichen Energieinhalt über 20-mal weniger Volumen nötig. Ein auf aktueller Batterie-technologie basierendes Elektroflugzeug wäre demnach nicht nur viel schwerer, es würde auch wesentlich mehr «Tankvolumen» benötigen als ein mit Kerosin betriebenes Flugzeug. Dazu müsste der Rumpf entweder anstelle von Fracht mit Batterien gefüllt oder enorm vergrössert werden, was wiederum die Energieeffizienz des Transports massiv reduzieren würde.

Doch die Batterie-Effizienzsteigerungen gehen weiter, ebenso die Verbesserungen der Triebwerke wie Antriebsstränge. Für die erste Generation bei Regionalflugzeugen Anfangs der 2030er-Jahre stehen dabei Hybridantriebe im Vordergrund, also eine Kombination aus Batterie und Treibstoff. Rein elektrisch oder wasserstoffbetriebene Modelle, unter anderem von Airbus, werden ab 2035 erwartet. Bis zu deren Zulassung wird es dann wohl bis 2040/45 dauern. Ähnlich wie bei den Elektroautos werden die Unterhalts- und Wartungskosten für die Elektro-Triebwerke erhebliche finanzielle Einsparungen ermöglichen. Es herrscht weithin Einigkeit darüber, dass die Gewichtsreduzierung von Batterien die schwierigste technische Herausforderung ist, die die rasche Einführung von grösseren Elektroflugzeugen verhindert.

Erstflug eines hybrid-elektrischen Erprobungsträgers
EcoPulse, der von Daher, Safran und Airbus gemeinsam entwickelte hybrid-elektrische Erprobungsträger (siehe Titelfoto) mit verteiltem Antrieb zur Unterstützung der Dekarbonisierungs-Roadmap der Luftfahrt, hat seinen ersten Flugtest im hybrid-elektrischen Modus erfolgreich absolviert. Das Flugzeug, eine einmotorige Daher TBM-Turboprop Maschine, startete am 29. November vom französischen Flughafen Tarbes zu einem 100-minütigen Testflug. Während des Fluges schaltete die Besatzung die sechs elektrisch angetriebenen Propeller an den Flügeln ein und überprüfte die ordnungsgemässe Funktion des Flugsteuerungscomputers, des Hochspannungs-Batteriepakets, des verteilten elektrischen Antriebs und des hybriden elektrischen Turbogenerators des Demonstrators.

Der erste Hybridflug von EcoPulse stellt ein Höhepunkt dar. Dazu sagte Sabine Klauke, Chief Technical Officer bei Airbus „Dies ist ein wichtiger Meilenstein für unsere Branche und wir sind stolz darauf, den Erstflug des EcoPulse-Demonstrators mit unseren neuen Batteriesystemen bewerkstelligen zu können“.

Batterien mit hoher Energiedichte werden notwendig sein, um die Kohlenstoffemissionen der Luftfahrt zu reduzieren, sei es für Leichtflugzeuge, fortschrittliche Luftmobilität oder grosse Hybrid-Elektroflugzeuge. Projekte wie EcoPulse sind der Schlüssel zur Beschleunigung des Fortschritts im Elektro- und Hybrid-Elektroflug und ein Eckpfeiler des Ziels, die Luftfahrtindustrie als Ganzes zu dekarbonisieren. Das Projekt wird von CORAC (dem französischen Forschungsrat für Zivilluftfahrt) unterstützt und von DGAC (der französischen Zivilluftfahrtbehörde) über France Relance (das Konjunkturprogramm der französischen Regierung) und NextGeneration EU kofinanziert.

Volocopter eVTOLs bei der Einweihung des Vertiports des Flugplatzes Saint-Cyr-l’École. Bild: Volocopter

Flugtaxi bald in der Erprobung für die Luftrettung
Volocopter, ein Pionier der nachhaltigen Luftmobilität, hat auf dem Gelände des Schlosses Versailles den weltweit ersten elektrischen Senkrechtstart- und -landeflug (eVTOL) mit dem Vorserien-Erprobungsträger durchgeführt. Dieser beispiellose Flug markiert den Abschluss der mehrtägigen Betriebsvalidierungstestkampagne dieses Sommers auf dem Flugplatz von Versailles und Saint-Cyr-l’Ecole. Volocopter und seine Partner streben an, später im Jahr nach Paris zurückzukehren, um die eVTOL-Flugzeuge im Zentrum von Paris fliegen zu lassen. Die Volocopter GmbH ist ein deutsches Luftfahrtunternehmen, das elektrische VTOL-Flugtaxis für Passagiere sowie Lastendrohnen entwickelt. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Bruchsal mit weiteren Büros und Entwicklungsstandorten in München und Singapur.

Mit diesem Erstflug beginnen Volocopter, Groupe ADP und der französischen Zivilluftfahrtbehörde (DGAC) ihre Phase der betrieblichen Validierung, eine vorkommerzielle Testreihe zur Weiterentwicklung des eVTOL-Ökosystems in Frankreich. Dazu gehören Flugmanöver zum und vom Vertiport, Bodenabfertigung, Kommunikation mit der Flugsicherung sowie Aufladen und Management der Batterie an den Vertiports. Die Validierungstests an einem maßgeschneiderten und für die eVTOL-Strecke zugelassenen Standort in Saint-Cyr-l’École verschaffen Volocopter einen einzigartigen Vorteil bei der Erfassung von Daten aus erster Hand zur Verbesserung seines Flugbetriebs.  

Die Tochtergesellschaft Volocopter Air Services hatte im März 2024 eine vom Luftfahrtbundesamt anerkannte Ausbildungsorganisation (ATO) erhalten. Diese Zertifizierung ermöglicht es Volocopter, Piloten für seine zukünftigen Produkte auszubilden. Das Unternehmen ist der erste Entwickler von elektrisch startenden und landenden Flugzeugen (eVTOL), der die ATO erhält.  Im Rahmen der Zulassung wird das Unternehmen nun in enger Zusammenarbeit mit dem Luftfahrtbundesamt an der Umstellung arbeiten und das Schulungsprogramm für seine elektrischen VoloCity-Flugtaxi fertigstellen. Das Luftfahrtbundesamt hat die Genehmigung des Programms in Vorbereitung auf die kommerzielle Einführung elektrischer Lufttaxis im Laufe dieses Jahres eingeleitet. Dabei werden die neu veröffentlichten EASA-Vorschriften umgesetzt, die für den Betrieb und die Pilotenlizenzierung dieser neuen Kategorie elektrischer Lufttaxis (eVTOL) gelten.

Das Serienmodell VoloCity, dessen Erstflug am 28. September 2024 in Bruchsal stattfand, wird emissionsfrei im unteren Luftraum fliegen. Mit den 18 Rotoren und zwei Sitzen wird es Passagiere zwischen wichtigen Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen und Flughäfen transportieren. Dies ermöglicht nahtlose, schnellere und bequemere Optionen als die bestehenden Transitoptionen. Die ersten Flüge werden pilotiert sein (1 Pilot plus 1 Passagier) und damit den Weg zu einem vollständig autonomen Dienst in der Zukunft ebnen.

Mit einem Multikopter des Typs VoloCity plant die ADAC-Luftrettung Ende 2024 / Anfang 2025 in den Modellregionen Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) und Dinkelsbühl (Bayern) den Flugbetrieb aufzunehmen – um nach einem mehrjährigen Forschungsbetrieb ärztliches Personal leise, emissionsarm und in kürzester Zeit zum Unfall- bzw. Einsatzort zu bringen.

Heart Aerospace stellt ihren ersten Prototyp für ein 30-sitziges Hybrid-Elektroflugzeug vor. Bild: Heart Aerospace

30-sitziges Hybrid-Elektroflugzeug geht an den Start
Der schwedische Hersteller von Hybrid-Elektroflugzeugen, Heart Aerospace, stellte am 12. September 2024 sein erstes Demonstrationsflugzeug Heart Experimental X1 in Originalgrösse vor und markiert damit einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung seines 30-sitzigen Hybrid-Elektroflugzeugs ES-30 für Regionalstrecken über 400 bis 800 Kilometer. Die rein elektrische Reichweite soll dabei 200 bis 400 Kilometer betragen. Ab 2030 sollen die Reichweiten ab den 400/200-Kilometer-Bereich entsprechend den technologischen Fortschritten schrittweise ausgebaut werden. Die äusseren Turboprop-Triebwerke werden wie bisher durch Kerosin betrieben, die inneren Triebwerke basieren auf einem Elektroantrieb.

Das Flugzeug Heart X1 wurde fast vollständig in den Göteborger Werken von Heart gebaut und spiegelt die Strategie des Unternehmens wider, sowohl die Design- als auch die Produktions-Prozesse gleichzeitig zu entwickeln. In weniger als zwei Jahren wurde dieses Regionalflugzeug mit einem brandneuen Antriebssystem entwickelt. „Unsere Branche nähert sich einem 30-jährigen Innovationszyklus, und wir haben weniger als 25 Jahre Zeit, um die Luftfahrt zu dekarbonisieren. Wir müssen neue Methoden entwickeln, um Netto-Null-Luftfahrttechnologien schneller auf den Markt zu bringen“ sagte Anders Forslund, Mitbegründer und CEO von Heart Aerospace anlässlich der Vorstellung.

Zunächst wird die X1 für bodengestützte Tests eingesetzt, wobei der Schwerpunkt auf Ladevorgängen, Rollvorgängen und Wendevorgängen liegt. Der erste vollelektrische Flug ist für das zweite Quartal 2025 geplant. In Vorbereitung auf diesen Flug wird Heart in den kommenden Monaten kritische Systeme testen, indem Hardwaretests sowohl im Flugzeug als auch ausserhalb durchgeführt werden.

Die Entwicklung des X1 wurde teilweise durch Zuschüsse der schwedischen Innovations-Agentur Vinnova finanziert, was die unverzichtbare Zusammenarbeit zwischen Regierung und Industrie unterstreicht, die erforderlich ist, um neue Luftfahrttechnologien auf den Markt zu bringen. Der nächste Schritt von Heart bei der Entwicklung ES-30 ist der Bau eines Vorserienprototypen, des Heart X2, bei dem die Design- und Produktionsmethoden auf Grundlage der beim Heart X1 gewonnenen Erkenntnisse weiter verfeinert werden. Der Heart X2 soll 2026 einen hybrid-elektrischen Flug absolvieren und wird das Hybridantriebssystem des Unternehmens demonstrieren. Im August wurde Heart Aerospace für einen Zuschuss in Höhe von 4,1 Millionen US-Dollar im Rahmen des FAST-Programms (Fuelling Aviation’s Sustainable Transition) der Federal Aviation Administration (FAA) ausgewählt, um das Managementsystem für den Hybrid-Elektroantrieb zu entwickeln.

Die in Malaysia ansässige AirAsia, die viertgrösste Fluggesellschaft Asiens, ist dem Industry Advisory Board von Heart Aerospace beigetreten, um die Zukunft der regionalen elektrischen Luftfahrt mitzugestalten. Als Mitglied des Vorstands wird AirAsia die strategische Beratung und Aufsicht über das Design, die Entwicklung und die Vermarktung des revolutionären hybrid-elektrischen Flugzeugs von Heart Aerospace, der ES-30, übernehmen.

Neue elektrische Antriebe sollen die Fanstufen beim BAe 146 antreiben. Bild: Wright Electric

Elektroantrieb ersetzten Strahl- und Turboprop-Triebwerke
Eine «Wiedergeburt» der viermotorigen BAe 146 als Regionalflugzeug plant das US-Startup Unternehmen Wright Electric aus Los Angeles. Im Gegensatz zu herkömmlichen Pure-Sheet-Flugzeugen handelt es sich bei der Wright Spirit um eine elektrische Nachrüstung der BAe 146, auch bekannt als Avro RJ. Diese Wahl ergibt sich aus der Position des Flugzeugs als Regionaljet – es wird nach wie vor von vielen Fluggesellschaften geflogen und bietet damit eine vielversprechende Plattform für eine nachhaltige Transformation. Wright plant, dass das Flugzeug noch in diesem Jahrzehnt das Test- und Zulassungsprogramm abschliessen kann. Das Unternehmen sieht vor, die Verdichterstufe, Brennkammern und die Hochdruck-Turbinen mit Elektroantrieben zu ersetzen und das Flugzeug in ein emissionsfreies Modell zu wandeln. Mit demselben Antrieb bestehen Projektstudien für den Ersatz der Turboprop-Triebwerke (Gasturbine und Getriebestufen) der Hercules C-130.

Das umgerüstete Flugzeug soll das Sprungbrett für ein von Grund auf neu konzipiertes, über 150-plätziges Flugzeug für unter zwei Flugstunden werden, das einige Jahre später kommen soll, so Wright-Electric-CEO Jeffrey Engler. Dies ist wichtig, da der grösste Teil der Kohlenstoffemissionen der Luftfahrt von Flugzeugen mit mehr als 100+ Passagieren stammen. Im Gegensatz zu kleinen Elektroflugzeugen mit bis zu 20 Sitzen kann die Wright Spirit einen spürbaren Unterschied in der CO2-Bilanz einer Fluggesellschaft machen.

Bereits 2017 konnte easyJet als Projektpartner von Wright Electric gewonnen werden. Das Flugunternehmen will innerhalb zwanzig Jahren Flugzeuge mit Elektroantrieb für kurze und mittlere Strecken bis 550 Kilometer, beispielsweise London – Amsterdam, einsetzen. Auch die mexikanische Fluggesellschaft Viva Aerobus beteiligt sich am Projekt.

Im August 2024 wurden Wright Electric und deren Partner ausgewählt, um einen Entwicklungsbeitrag in der Höhe von 3,34 Millionen US-Dollar aus dem FAA FAST-Programm zu erhalten. Dies um eine neue Klasse von Batterien zu entwickeln, die emissionsfreie Flüge ermöglichen. Ziel des Forschungs- und Entwicklungsprogramms ist es, Batterien mit hoher Energiedichte zu konstruieren, die etwa dreimal mehr Energie pro Kilo Gewicht aufnehmen als die besten Batterien für Elektroautos. Die Batterien, die Wright entwickelt, verwenden eine neuartige geschmolzene Lithium-Schwefel-Chemie mit dem Potenzial für etwa das 3-fache der Energiekapazität kommerzieller Lithium-Ionen-Batterien. In diesem Programm wird Wright den Schwerpunkt auf die Reduzierung von Risiken legen, die mit der Lufttüchtigkeit und der Grossserienproduktion verbunden sind.

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