Die aktuelle Luftfahrt-Übersicht: Die Flotte der Lufthansa-Gruppe hat bereits mehr als 100’000 Flugstunden mit AeroSHARK-Folien geflogen. Helvetic erhält vier Embraer E195, um Ausfälle zu kompensieren. Und: Es gibt neue Standards, um Cyberbedrohungen zu begegnen.
von Peider Trippi
12. September 2024
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Haifisch-Folien senken Treibstoffverbrauch
Als Vorreiterin in der Branche rüstete die Lufthansa Gruppe mehr als 20 Flugzeuge ihrer Flotte mit der nachhaltigen AeroSHARK-Technologie (Video auf Englisch) aus. Bisher sind fünfzehn Langstreckenflugzeuge – zwölf Boeing 777-300ER der SWISS sowie drei Boeing 777F der Lufthansa Cargo mit der zukunftsweisenden Riblet-Folie ausgestattet. Zusätzlich absolviert eine Boeing 747 von Lufthansa bereits seit 2019 Testflüge mit dieser, der Natur nachempfundenen, Haifisch-Folie.
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Inspiriert von der Haut von Haien, handelt es sich bei der AeroSHARK-Folie um bionische (der Natur nachempfundene) Klebefolien, die an Rumpf und Triebwerksgondeln der Flugzeuge angebracht werden. Mit Mikrometer kleinen, schuppenartigen Vorsprüngen – sogenannten Riblets – ahmt die Folie den kraftsparenden Wasserwiderstand der eleganten Meeresräuber nach. Dank des minimierten Reibungswiderstands reduziert das den Treibstoffverbrauch eines Fluges erheblich.
Mit Riblet-Folie ausgerüstete Flugzeuge sind rund ein Prozent treibstoffeffizienter unterwegs. Die einzigartige Sharkskin-Technologie, die gemeinsam mit BASF entwickelt wurde, lässt das Flugzeug mit weniger Reibung durch die Luft gleiten. Dies senkt den Treibstoffverbrauch und reduziert die Emissionen.
Gemeinsam mit dem Hersteller hat die Lufthansa diese funktionale Technologie entwickelt. Eine Folie mit einer kaum wahrnehmbaren gerippten Struktur aus kleinen Vorsprüngen – den sogenannten Riblets. Die Folie ist in Patches aufgeteilt, die eine einfache und gezielte Anwendung ermöglichen. Sie besteht aus Millionen dieser prismenförmigen Riblets, die jeweils 50 Mikrometer gross sind. Werden sie gezielt am Flugzeug angebracht und auf den Luftstrom ausgerichtet, erzielen die Riblets Effizienzgewinne durch reduzierte Reibung, ähnlich wie ihre Gegenstücke in der Natur. Und sie können, wenn sie an den Flügeln angebracht werden, auch den Auftrieb verbessern.
So wurden auf dem Frachtflugzeug Boeing 777F rund 800 Quadratmeter AeroSHARK Riblet-Folien von Hand auf Rumpf und Triebwerksgondeln aufgebracht. Nach dem Aufbringen sind keine besonderen Reinigungsanforderungen zu stellen. Die Riblet-Folie ist extrem widerstandsfähig und widersteht grossen Temperaturschwankungen, Druckunterschieden und der UV-Strahlung auf hohen Flughöhen.
Seit Mai 2024 sind damit alle zwölf Boeing 777-Flugzeuge bei SWISS im Einsatz. Es ist das erste Mal, dass eine komplette Boeing-Langstreckenflotte einer Airline mit der neuen Technologie optimiert wurde. Die Aufbringung der AeroSHARK-Folie pro Flugzeug dauert rund eine Woche und erfordert vom Wartungspersonal hochpräzise Arbeit. Das Engagement in dieser Technologie trägt sehr positive Resultate und ermöglicht SWISS einen weiteren substanziellen Schritt hin zu einem nachhaltigeren Flugbetrieb. Auch vermeintlich kleine technische Innovationen können einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der CO₂-Emissionen beim Fliegen leisten.
Mit der Beklebung von insgesamt 950 Quadratmetern Riblet-Film auf Rumpf- und Triebwerksgondeln-Oberfläche kann eine Treibstoffeinsparung von ungefähr 1,1 Prozent erzielt werden. Dies führt über die gesamte SWISS Boeing 777-Flotte zu einer jährlichen Einsparung von mehr als 4.800 Tonnen Treibstoff und bis zu 15.200 Tonnen CO2, so viel wie üblicherweise auf ungefähr 87 Langstreckenflügen von Zürich nach Mumbai entstehen.
Schon während der Entwicklungsphase von AeroSHARK hat die SWISS die Lufthansa Technik und BASF unterstützt. Im Sommer 2021 wurde zum Beispiel auf einem regulären Boeing 777-Linienflug zwischen Zürich und San Francisco die präzise Vermessung einer Tragfläche während der gesamten Flugdauer vorgenommen. Mit den erfassten Daten konnte Lufthansa Technik anschliessend hochgenaue 3D-Modelle für die Strömungssimulation erstellen, auf deren Grundlage die AeroSHARK-Modifikation in naher Zukunft auch auf die Tragflächen der Boeing 777 ausgeweitet werden soll, um weitere Einsparpotenziale zu realisieren.
Ab Winter 2024 werden auch vier der sechs Boeing 777-200ER der Flotte von Austrian Airlines sequentiell mit AeroSHARK-Folie modifiziert. Diese Modifikation wird über eine vierjährige Lebensdauer zu einer Gesamteinsparung von rund 2.650 Tonnen Treibstoff und mehr als 8.300 Tonnen CO2 führen wird, was rund 46 Flügen von Wien nach New York entspricht.
Helvetic Airways nahm den ersten E195 in Empfang
Im Wie im Januar 2024 angekündigt, erweitert Helvetic Airways ihre Flotte um vier Embraer E195 aus zweiter Hand. Die erste Maschine mit der Registrierung HB-JVJ wurde am 05. Juli 2024 in Zürich in Empfang genommen, die drei weiteren werden im Laufe des Herbsts zur Regionalairline stossen. Damit kann die Helvetic ihre Flotte auf 22 Embraer-Maschinen vergrössern: acht E190-E2, vier E195-E2, sowie sechs E190 und vier E195 der älteren Generation.
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Die Flottenerweiterung geschieht vor dem Hintergrund, dass die GTF-Triebwerke von Pratt&Whitney, die neben den A320neo- und A220-Modellen von Airbus auch in den Embraer E2-Modellen verbaut sind, aktuell in einem langwierigen Verfahren inspiziert werden müssen. Die vier zusätzlichen E195 erlauben es Helvetic Airways, ihre Zielgrösse von 16 einsatzfähigen Flugzeugen beibehalten zu können und das geplante Flugprogramm auch unter den derzeit herausfordernden Rahmenbedingungen stabil zu halten.
Die E195 sind um 2,5 Meter gestreckte E190 und wurden erstmals 2004 ausgeliefert. Dabei wurde je ein weiteres Rumpfsegment vor und hinter den Tragflächen eingefügt. Die Kabinen der vier Helvetic Embraer E195 mit Jahrgang 2011 wurden rundum modernisiert und verfügen über jeweils 122 fabrikneue Sitze mit USB-Anschluss sowie einen Teppich im typischen Helvetic-Rot. «Die vier Embraer-Maschinen sind mit einer neuen und modernen Einrichtung konfiguriert worden und werden sowohl unseren Fluggästen als auch unseren Crews viel Freude bereiten», ist Helvetic-Airways-CEO Tobias Pogorevc überzeugt.
Neue Standards für Cybersicherheitsbedrohungen
Die jetzt in der Vernehmlassung stehenden neuen Standards von der amerikanischen Flugsicherheitsbehörde FAA erfordern die Ermittlung von Risiken, die Bereitstellung von Abhilfemassnahmen und die Gewährleistung von Pilotenanweisungen für einen sicheren Betrieb bei Cyber-Vorfällen. Dies wird notwendig, da zwischen 2019 und 2020 Cybersicherheitsvorfälle in der Luftfahrt um 530 Prozent zunahmen, was einen verstärkten Schutz erforderlich machte. Die heutigen Flugzeuge sind in verschiedene digitale Systeme eingebunden:
- vor Ort ladbare Software
- Wartungs-Laptops
- Verbindungsnetze für Flughäfen oder Flugsteige
- Öffentliche Netze wie Internet und Mobilfunk
- Drahtlose Flugzeugsensoren und Sensornetzwerke
- Satellitenkommunikation
- Digitale Daten des GPS- und andere satellitengestützten Systeme
Bisher wurden Einzelmassnahmen und -empfehlungen von der amerikanische FAA bei Cybersicherheitsbedrohungen herausgegeben. Nun sollen neue FAA Designstandards (in Englisch) festgelegt werden, um den Cybersicherheitsbedrohungen für die Luftfahrt zu begegnen. Der beabsichtigte Effekt dieser vorgeschlagenen Massnahmen besteht darin, die Kriterien der FAA für den Umgang mit Cybersicherheitsbedrohungen zu standardisieren. Die Zertifizierungskosten und der Zeitaufwand sollen dabei reduziert werden. Gleichzeitig will man das gleiche Sicherheitsniveau beibehalten, das durch die aktuellen Einzelbedingungen erreicht wurde.
Nach den vorgeschlagenen Verordnungen müssten die Hersteller, um eine Zertifizierung zu erhalten, alle Cybersicherheitsrisiken identifizieren und geeignete Minderungsmaßnahmen für die Mängel bereitstellen. Mehrere Schutzebenen müssen in das Design des Flugzeugs und dessen Komponenten eingebaut werden. Beginnend mit dem Boeing 787-Programm hat sich die FAA mit der Notwendigkeit befasst, Flugzeugsysteme vor der Bedrohung durch IUEI (Intentional unauthorized electronic interactions – Vorsätzliche unbefugte elektronische Interaktionen) zu schützen. Seitdem hat die FAA besondere Bedingungen erlassen, um die IUEI bei jedem neuen Flugzeug-Zertifizierungsprojekt und bei relevanten Designänderungen zu berücksichtigen.
Die Hersteller werden auch verpflichtet, Anweisungen heraus zu geben, wie ein Pilot das Flugzeug im Falle eines Cybervorfalls weiterhin sicher betreiben kann. Dies beispielsweise, wenn der Pilot mit beschädigten Cockpitdisplays oder anderen Vorfällen konfrontiert ist, die die Entscheidungsfindung beeinträchtigen könnten.
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