Europas Konsolidierung setzt sich fort – Allianzen werden gewechselt: SAS mit Air France-KLM, ITA zu Lufthansa und Air Europa bald bei IAG 🆓

Die Lufthansa wächst mit der Integration von ITA weiter. Bild: Lufthansa

Der internationale Luftfahrtmarkt wird härter. Lagen die Marktanteile auf Flügen zwischen Europa und Asien im Jahr 20122 noch zu 33 Prozent bei den EU-Airlines und zu 20 Prozent bei den Golf- und türkischen Airlines, waren 10 Jahre später die Vorzeichen umgekehrt. Nun müssen die grossen drei Europas weiterwachsen.

von Peider Trippi
18. Juli 2024


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Die Liberalisierung im europäischen Luftraum wurde im Jahr 1997 genehmigt. Alle Mitgliedsstaaten müssen in Zukunft allen in der EU zugelassenen Fluggesellschaften uneingeschränkten Zugang zu ihrem Markt gewähren. In der Folge setzte eine erste Konsolidierungswelle unter europäischen Fluggesellschaften ab dem Jahr 2004 ein. Durch den Zusammenschluss von Air France und KLM entstand das grösste Luftfahrtunternehmen Europas mit verschiedenen Regionalfluggesellschaften und dem Low-cost carrier Transavia.


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Ab 2006 bis 2010 nahm die Konsolidierung in Deutschland Fahrt auf: Air Berlin übernahm dba, LTU, Belair (ehemals Balair) und LGW. Die Lufthansa ihrerseits gliederte sich Swiss, Austrian, BMI – British Midland International und Germanwings ein. Bereits 2008 sicherte sich die Lufthansa Group 45 Prozent von Brussels Airlines.

Italiens strauchelnde Alitalia hebt 2009 als private Gesellschaft unter dem Namen Compagnia Aerea Italiana – CAI erneut ab, nachdem sich prominente italienische Wirtschaftsführer mit Air France-KLM für eine Refinanzierung zusammengetan haben. Air France-KLM beteiligt sich mit 323 Millionen Euro und hält einen Anteil von 25 Prozent. Ein Jahr zuvor scheiterte eine vollständige Übernahme an den Konditionen.

Zweite Fusionswelle

In den Jahren 2011 bis 2017 folgte eine zweite Fusionswelle. Es schlossen sich British Airways und Iberia zur International Airline Group IAG zusammen und die Gruppe erweiterte sich mit BMI (von Lufthansa übernommen) und Air Lingus. Lufthansa übernahm ihrerseits Teile aus der Insolvenz von Air Berlin sowie die restlichen 55 Prozent Anteile an Brussels Airlines. Ab 2018 war die belgische Fluglinie komplett in die Lufthansa Group integriert.

Die über Jahre geführten Fusionsverhandlungen zwischen der skandinavischen SAS und Lufthansa wurden 2016 ergebnislos abgebrochen. Das gleiche Schicksal ereilten die jahrelangen Verhandlungen zur Vollübernahme zwischen Air France und die mehrmals vor dem Konkurs stehenden Alitalia. In beiden Fällen forderten die beteiligten Staaten der zu übernehmenden Staatsfluggesellschaften, zum Schutz ihrer Interessen und deren Mitarbeitenden, unattraktive Bedingungen ein.

Wegen zu hohen Betriebs- und Personalkosten und den Auswirkungen der Corona-Pandemie mussten in der Folge SAS wie Alitalia mehrmals refinanziert werden. So entschied im Mai 2017 das Management von Alitalia einstimmig, einen Antrag auf staatliche Verwaltung zu stellen, und ging in die Insolvenz. Nach mehreren Überbrückungskrediten und dem Scheitern 2019 der Investoren-Verhandlungen mit der staatlichen Bahngesellschaft FS, dem Wirtschaftsministerium und der amerikanischen Delta Airlines stellte Alitalia im August 2021 den Betrieb definitiv ein. Im Oktober 2021 übernimmt die Auffanggesellschaft Italia Trasporto Aereo S.p.A – ITA 52 Flugzeuge von Alitalia samt 52 Flughafen-Slots und den entsprechenden Verkehrsrechten sowie 2.800 Mitarbeitende von den ursprünglichen 11.000. Der italienische Staat und ITA standen seither in Übernahme-Verhandlungen mit Lufthansa.

Die SAS Group, die Muttergesellschaft von SAS Scandinavian Airlines, hat im Rahmen ihres SAS Forward-Transformationsplans (in Englisch) in den USA 2022 eine Umstrukturierung nach Chapter 11 beantragt. Die skandinavische Fluggesellschaft SAS erhält im November 2023 die EU-Genehmigung für eine Rekapitalisierung durch Schweden und Dänemark in der Höhe von 915 Millionen US-Dollar. Norwegen beteiligt sich am Prozess über die staatlich kontrollierte Export Finance Norway, die 159 Millionen US-Dollar auf die SAS Group abschreiben wird. Diese Massnahmen sollen den Weg für eine Übernahme durch die Air France-KLM Gruppe ebnen.

EU reagiert auf die Fusionsverhandlungen

Die Regulierungsbehörden in Brüssel beschlossen im Herbst 2023 härtere Auflagen zu machen um den Weg für Übernahmen zu ermöglichen. Fluggesellschaften bieten in der Regel an, wertvolle Konzessionen für Start- und Landeplätze abzugeben, um den Weg für Übernahmeangebote freizumachen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass diese Konzessionen bei früheren Abmachungen nicht immer funktioniert haben. Brüssel wird die Fluggesellschaften nun auffordern, dass die Slots auf solchen Strecken an Wettbewerber vergeben werden. In einigen Fällen können Fluggesellschaften auch aufgefordert werden, Vermögenswerte zu verkaufen, die nicht zum Kerngeschäft ihres Passagiergeschäfts gehören. Mit diesen Massnahmen will die Kartellbehörde verhindern, dass der Wettbewerb ausgehebelt wird und die Flugpreise steigen.

SAS zu Skyteam

SAS Scandinavian Airlines hat durch die Zusammenarbeit mit Air France-KLM und den Investmentfirmen Castlelake und dem Familienoffice Lind Invest nun einen entscheidenden Schritt getan. Die Rekapitalisierung umfasst Investitionen von 1,1 Milliarden Euro, wobei 138 Millionen Euro von Air France-KLM eingebracht werden um eine Minderheitsbeteiligung von 19,9 Prozent zu halten. Der Restbetrag wird von Investmentfirmen und der dänischen Regierung finanziert. Dabei wird SAS von der Börse genommen. SAS erhielt im März 2024 die bedingte Genehmigung eines US-Gerichts für seinen geplanten Reorganisationsplan. 

SAS bleibt bis zum 31. August 2024 Mitglied der Star Alliance und wird am 1. September 2024 Mitglied von SkyTeam. Ab diesem Datum können die SAS EuroBonus-Mitglieder ähnliche Treuevorteile genießen wie heute, wenn sie mit den meisten SkyTeam-Fluggesellschaften reisen. Den EuroBonus-Mitgliedern wird der Zugang zu 19 Fluggesellschaften und mehr als 1060 Zielen rund um den Globus angeboten. Hier erhalten sie dazu weitere Informationen.

ITA Airways zu Star Alliance

Ende Mai 2023 hatten sich die Lufthansa Group und die italienische Regierung über einen Einstieg geeinigt. Doch Ende 2023 wurde klar, die Übernahme wird sich in die Länge ziehen, denn die Wettbewerbsbehörde der EU-Kommission hatte einige Bedenken. Gemäss der Lufthansa-Pressemitteilung erfolgte die Genehmigung der EU-Wettbewerbsbehörde am 3. Juli 2024. Damit ist der Weg für den bereits 2023 vereinbarten Erwerb einer Minderheitsbeteiligung von 41 Prozent für eine Kapitaleinlage von 325 Millionen Euro an ITA Airways und den späteren Erwerb der restlichen Anteile ab 2025 frei. Die Transaktion soll im vierten Quartal 2024 vollzogen werden.

ITA soll als fünfte Netzwerk-Airline eng in die Lufthansa Group integriert werden und dabei ihre Marke ITA Airways erhalten. Die italienische Fluglinie wird als Teil des von Lufthansa Group erfolgreich etablierten Multi-Hub-, Multi-Airline- und Multi-Marken-Systems zahlreiche Synergien nutzen, wie beispielsweise beim weltweiten Vertrieb, dem Loyalitätsprogramm Miles & More oder auch bei Flugzeug- oder Treibstoffeinkauf. Damit soll die wirtschaftliche Situation von ITA Airways gestärkt und weiterentwickelt werden. Italien wird für die Lufthansa Group der fünfte „Heimatmarkt“. 

ITA Airways gehört als Nachfolgegesellschaft von Alitalia dem globalen Luftfahrtbündnis SkyTeam an. Voraussichtlich ab 2026 wird ITA dann Mitglied der Star Alliance. Als erster Schritt wird noch 2024 die Aufnahme beim Miles & More-Programm von Lufthansa umgesetzt. Damit können Lufthansa Kunden und Mitglieder des Programms ihre Vorteile auf ITA-Flügen nutzen und dort Meilen sammeln bzw. ausgeben. Umgekehrt können die ITA-Vielflieger auf das Netz der Lufthansa, deren Töchter und anderen Miles & More Airlines zugreifen, reibungslos umsteigen und von Meilen und Punkten profitieren. Das Vielfliegerprogramm ITA Volare wird also bald Geschichte sein.

Air Europe zu Oneworld?

Die Übernahme von der spanischen Air Europe in die IAG-Gruppe zieht sich immer noch hin (Mobimag berichtete). Die EU-Wettbewerbsbehörden sehen auf verschiedenen Strecken eine Übermacht der IAG bei einer Übernahme. Air Europa ist ein vollwertiges Mitglied der SkyTeam-Allianz, sie gehört jedoch zu den kleineren europäischen Fluggesellschaften. Die Air Europe bedient überwiegend innereuropäische Strecken von Basen in Madrid und Mallorca. Es gibt jedoch auch mehrere Routen nach Amerika und Asien. Aufgrund der noch ausstehenden EU-Genehmigung wird eine Integration vom Air Europe eigenen SUMA-Vielfliegerprogramm in Oneworld wohl nicht vor 2026 stattfinden können.

TAP als nächster Übernahme-Kandidat?

Die portugiesische Regierung hofft, bis Ende Jahr die TAP – Air Portugal zu privatisieren. 2020 hatte TAP den bisherigen Investor David Neeleman ausgekauft, der seit 2015 die Mehrheit der nationalen Airline besass. Neeleman ist ein amerikanisch-brasilianischer-zypriotischer Geschäftsmann. Er ist seit 2008 Gründer und CEO der mittlerweile drittgrössten Fluglinie Brasiliens, der Azul.

Im Dekret legt die Regierung fest, dass ein Investor mindestens 51 Prozent des Kapitals kaufen muss und hofft auf das Interesse einer europäischen Airline-Gruppe. IAG zeigte Interesse für ein zweites Drehkreuz in Südeuropa und den Markt Brasilien, dürfte aber bei der EU-Wettbewerbskommission auf Widerstände stossen. Lufthansa könnte am Star Alliance – Partner TAP interessiert sein, wird aber wohl ihre Prioritäten auf die Integration von ITA Airways legen. Auch Air France – KLM meldete Interesse an. Damit würde dann wohl die dritte Fusionswelle vorläufig ihren Abschluss finden.

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