
Beitragsreihe Nachhaltigkeit im Luftverkehr – Teil 3/3: Sustainable Aviation Fuel
Damit im Jahr 2050 alleine für die Langstreckenflüge ab Europa genügend synthetischer Treibstoff (e-SAF) produziert werden kann, braucht es nach einer Eurocontrol-Schätzung zum Beispiel ein Solarpanel-Feld mit einer Abmessung von 43×43 Kilometern oder 8157 Offshore-Windturbinen oder 73 Nuklearreaktoren mit je 1650 MW Leistung.
von Peider Trippi,
26. Juni 2025
Die International Air Transport Association (IATA) schätzt, dass im Jahr 2023 weltweit fast 600 Millionen Liter SAF (Sustainable Aviation Fuel – Nachhaltiger Flugtreibstoff) produziert wurden, während die gesamte Luftfahrtindustrie mehr als fast 300 Milliarden Liter konventionellen Kerosin verbrauchte. Das bedeutet, dass heute das gesamte weltweite Angebot an SAF weniger als 0,5 Prozent ausmacht. Die EU-Gesetzgebung schreibt vor, dass SAF ab 2025 in zunehmenden Mengen mit herkömmlichem Kraftstoff gemischt wird, bis 2050 ein Anteil von 70% erreicht ist.
Erfolgreiche SAF-Erprobung
Eine Auflistung der IATA zeigt wichtige Meilensteine in der Erprobung von SAF-Beimischungen auf:
- 2008: Der erste Testflug mit Biokerosin wird von Virgin Atlantic durchgeführt.
- 2011–2015: 22 Fluggesellschaften führten über 2.500 kommerzielle Passagierflüge mit Mischungen von bis zu 50 % Biokerosin aus Rohstoffen wie Altspeiseöl, Jatropha (Pflanzengattung in der Familie der Wolfsmilchgewächse), Leindotter (alternative Ölpflanzenart) und Algen durch.
- Januar 2016: Start der regelmäßigen nachhaltigen Treibstoffversorgung durch das gemeinsame Hydrantensystem am Flughafen Oslo. Beteiligt waren der Hersteller alternativer Kraftstoffe von Neste und der Zulieferer SkyNRG sowie Air BP.
- März 2016: United war die erste Fluggesellschaft, die SAF in den normalen Geschäftsbetrieb einführte, indem sie tägliche Flüge von Los Angeles International Airport einführte.
- November 2019: Mehr als 250.000 kommerzielle SAF-Flüge und mehr als 45 Fluggesellschaften sammeln Erfahrungen mit SAF.
- Im Oktober 2023 verabschiedete die EU ReFuelEU Aviation, mit dem die Rechtsvorschriften «Fit for 55» vervollständigt wurden. Die Anbieter von Flugkraftstoffen müssen mit einer Mindestmischung von 2 % im Jahr 2025 beginnen und bis 2050 auf 70 % steigen.
- Am 28. November 2023 führte Virgin Atlantic den weltweit ersten Transatlantikflug durch, der von einer kommerziellen Fluggesellschaft mit 100 % SAF geflogen wurde.
- Im Jahr 2024 wurden mit der SAF-Produktion 1,250 Milliarden Liter erreicht, was einer Verdoppelung der im Jahr 2023 produzierten Mengen entspricht.
Verkehrs-Wachstum
Die Eurocontrol-Studie «Aviation Long-term Outlook 2050» geht davon aus, dass in den nächsten 25 Jahren die Zahl der Flüge in ganz Europa je nach Szenario um 1 % bis 2,4 % pro Jahr steigen wird. Bis 2050 dürfte damit Zahl der Flüge in Europa im Vergleich zu 2023 um über 50 Prozent steigen. Die Ankünfte und Abflüge in den Nahen Osten werden bis 2050 die stärksten Zunahmen ausweisen. Bei diesen Verkehrsströmen werden die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien bis 2050 die Hauptverkehrsvertreiber sein, mit einem jährlichen Wachstum von 3,6 % und 3,8 % im Zeitraum 2024-2050. Die übrige Welt wird bei 2,0 % (Nordatlantik) bis 2,7 % (Asien) liegen.
Im Bereich der Distanzen bis 500 Kilometer wird der Bahnverkehr zunehmend an Bedeutung gewinnen. Es wird erwartet, dass Hochgeschwindigkeits- und Nachtzüge zu einem relativen Anteilrückgang für Kurzstreckenflüge bis 2050, je nach Land und ausgehend von der bestehenden HGV-Infrastruktur, zwischen ein und sieben Prozent führen wird. Die erwartete Nachfrage-Zunahme wird sich auf beide Transportsysteme auswirken, wenn auch unterschiedlich.
Gemäss Eurocontrol sind knapp 9 Prozent der Flüge aus dem EU27+UK-Raum Langstreckenflüge (d. h. Flüge von mehr als 3.000 km), aber diese machen über 50 Prozent der CO2-Emissionen des Luftverkehrs aus. Daher hat die Dekarbonisierung von Langstreckenflügen hier die höchste Priorität. Dabei sollen biologische und synthetische SAF-Flugtreibstoffe als Ersatz des herkömmlichen Kerosins zum Einsatz kommen.

Nicht alle SAF-Flugtreibstoffe sind nachhaltig
SAFs sind erneuerbare Kraftstoffe, die aus Biomasse (Biokraftstoffe) oder durch die Kombination von grünem Wasserstoff und Kohlenstoff (e-Fuel, synthetische Kraftstoffe) gewonnen werden können. Sie sind der Schlüssel zur Reduzierung der Klimaauswirkungen der Luftfahrt, da sie die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Kerosin deutlich reduzieren und gleichzeitig durch die geringere Emission von ultrafeinen Partikeln zu sauberer Luft und weniger negativen Kondensstreifen-Bildung führen.
Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futterpflanzen sind die mit Abstand am wenigsten nachhaltige Form von SAF. Sie können auch kontraproduktiv wirken, da ihre Produktion die Abholzung von Wäldern vorantreibt und mit der Nahrungsmittelversorgung konkurriert. Die EU will diese Biokraftstoffe zukünftig verbieten. Biokraftstoffe können auch aus Altölen und -fetten gewonnen, typischerweise Altspeiseöle und tierische Fette. Vor Ort gesammelte Altöle können ein nachhaltiger Rohstoff für die Produktion von Biokraftstoffen sein, aber die verfügbaren Mengen sind begrenzt. In Europa gibt es grosse Bedenken hinsichtlich einer zunehmenden Abhängigkeit von betrügerischen Altölimporten (Beimischung von Palmöl) aus Asien.
Alternativ können Biokraftstoffe aus nicht-ölhaltigen Rückständen wie land- und forstwirtschaftlichen Rückständen oder Siedlungsabfällen hergestellt werden. Bezüglich den tatsächlichen Emissionseinsparungen im Herstellungsprozess sind landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Ausgangsmaterialien nur bedingt nachhaltige Rohstoffe. Recycelte Kohlenstoffbrennstoffe werden aus fossilen Abfällen wie nicht recycelbaren Kunststoffen oder industriellen Rauchgasen hergestellt. Angesichts der Bemühungen, das Recycling zu steigern und den Abfall zu reduzieren, ist deren Verwendung eher fraglich.
E-Fuels wird durch die Kombination von erneuerbarem Wasserstoff und Kohlenstoff hergestellt. Die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff erfordert eine erhebliche Menge an erneuerbarem Strom, der durch Investitionen in neue Anlagen gedeckt werden sollte, um nicht mit der direkten Elektrifizierung anderer Sektoren zu konkurrieren. CO2 kann aus konzentrierten Quellen wie dem Rauchgas von Industrieanlagen oder vorzugsweise direkt aus der Atmosphäre abgeschieden werden. Im Gegensatz zu Biokraftstoffen kann e-SAF nachhaltig hochskaliert werden, um den Energiebedarf des Luftfahrtsektors zu decken.
Die Preisfestsetzung von Biokraftstoffen ist wetterabhängig, bei e-Fuel sind die stark schwankenden Strompreise ein Risikofaktor. Die Kosten für SAF sind abhängig vom zugrundeliegenden Rohstoff und dem Herstellungsverfahren. Gemäss einer 2022 veröffentlichten Studie von PwC werdenbei einer zunehmenden SAF-Beimischung bis zu einem Drittel die Treibstoffkosten für Airlines bis 2038 um bis zu 16 % pro Tonne im Vergleich zu reinem fossilem Kerosin steigen. Im Laufe der 2040er-Jahren wird eine Kostenparität erwartet. Der Ticketpreis für eine Flugreise von Zürich nach New York, würde sich mit SAF-Zuschlag um etwa 36 Schweizer Franken erhöhen.
Derzeit nutzen und verpflichten sich die meisten Fluggesellschaften zur falschen Art von SAF. Sie setzten mehrheitlich auf pflanzenbasierte Biokraftstoffe, die e-Fuels machen noch einen sehr kleinen Teil aus. Fluggesellschaften wie die IAG-Gruppe (Aer Lingus, British Airways, Iberia, LEVEL und Vueling) sowie die Swiss werden ihre e-Fuels Bezüge bis 2030 ausbauen. So wird der Schweizer Hub-Carrier weltweit mit dem in Spanien produzierten Solarkerosin von Synhelion fliegen. IAG wird ab Ende 2026 auf dem britischen Markt e-Fuel vom Produzenten Infinium beziehen.
ETH-Spin-off setzt auf elektrisch hergestelltem SAF
Das Unternehmen Synhelion setzt auf eine einzigartige und patentierte Technologie zur Herstellung von nachhaltigen Treibstoffen. Synhelion plant die Technologie innerhalb der nächsten fünf Jahre zu skalieren und konkurrenzfähig auf dem Markt zu etablieren. Dabei sollen grosse Mengen an Solartreibstoffen produziert werden, die kein fossiles CO2 mehr emittieren.
Bei diesem Sun-to-Liquid-Prozess wird mittels Solarenergie Hochtemperatur-Prozesswärme von über 1’000 °C erzeugt, welche in einem thermochemischen Reaktor die Energie zur Erzeugung von Synthesegas, einem Gemisch aus H2 und CO, liefert. Das Synthesegas wird dann mit industriellen Verfahren in ein synthetisches Rohöl (Syncrude) verflüssigt, welches anschliessend in einer bestehenden Raffinerie zu zertifizierten Treibstoffen, z.B. Kerosin (Jet A1) oder Diesel, weiterverarbeitet und in die bestehenden Verteilnetze eingespeist wird.

Massnahmen zur Netto-Null-Zielerreichung
Allein mit dem Einsatz von SAF lassen sich die Ziele bis 2050 für Langstreckenflüge nicht erreichen. Weitere Massnahmen sind in verschiedenen Bereichen notwendig (Beiträge in Prozent gemäss United Airlines – Roadmap to net zero by 2050):
- Flottenerneuerung 20,6 % (Ersatz älterer Flugzeuge durch neuere, treibstoffeffizientere Modelle mit mehr Sitzplätzen).
- Zukünftige Flugzeug-Technologie 9,5 % (neue Triebwerke, offene Rotoren, aerodynamischere Flugzeugzellen und Nachrüstungen).
- Operative Verbesserungen 2,3 % (Reduzierung des Einsatzes der APU-Auxiliary Power Unit, effektivere und effizientere Flugsicherung, kontinuierlicher Dateninput von Windrichtungen durch Satelliten-Messdaten, Leichtgewicht-Lackierlösungen, Elektro-Antrieb beim Rollen).
- Alternative Antriebe 2,2 %. (Batterien, H2-Brennstoffzellen).
- SAF-Einsatz 65,4 % durch verschiedene Verfahren hergestellt.
Investitions-Perspektiven von Organisationen
ICAO: Die ICAO erwartet bis 2050 global einen Investitionsbedarf von 3110 Milliarden US-Dollar für die Produktion von SAF.
IATA: Der Ersatz von mehr als 100 Milliarden Gallonen fossilem Kerosin pro Jahr durch SAF erfordert einen massiven industriellen Ausbau. Die IATA schätzt, dass die Luftfahrtindustrie bis 2050 weltweit zwischen 3.000 und 6.500 neue Anlagen für erneuerbare Kraftstoffe benötigen wird, mit jährlichen Investitionen in Höhe von 128 Milliarden US-Dollar.
Fazit
Zur Schliessung weiterer Lücken und Verspätungen in der SAF-Umsetzung soll auf die, in Entwicklung stehende, Technologie der CO2-Abscheidung und -Speicherung sowie weiterhin auf eine Kompensation von CO2-Emissionen gesetzt werden. In Anbetracht der genannten notwendigen SAF-Investitionen respektive den, gemäss Eurocontrol, notwendigen über 8000 Windturbinen oder 70 AKW allein in Europa kann man sich fragen, ob die «net-zero» – Strategie 2050 politisch wie finanziell realistisch ist.
Das vom Bundesrat am 21. Februar 2024 verabschiedete Postulats «CO2- neutrales Fliegen bis 2050» lesen Sie in dieser mobimag-Berichterstattung.
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