Luftfahrt: Welchen Einfluss haben neue Technologien auf das CO2-Reduktionspotenzial? Blended Wing Body als Lösung?

Der Z4-Entwurf von JetZero hatte 2024 den Meilenstein der vorläufigen Entwurfsprüfung bestanden und das Unternehmen hat in der Zwischenzeit mehrere Lieferanten wie Pratt & Whitney, Collins Aerospace und andere für sein XBW-1Demonstrations-Flugzeug an Bord geholt das 2027 abheben soll.  Bild: JetZero  

Serie zur Nachhaltigkeit im Luftverkehr – Teil 2/3: Neue Technologien

Neben der Entwicklung im Bereich der Elektroflugzeuge (siehe Mobimag-Beitrag vom 29. Mai) haben im Einsatzbereich der Schmalrumpfflugzeuge neue Technologien grosse Chancen, den CO2-Ausstoss bis 2050 nachhaltig zu reduzieren. Wir stellen einige Beispiele vor.

von Peider Trippi,
12. Juni 2025

Gemäss Eurocontrol entfallen auf Reichweiten von 1500 bis 3000 Kilometer knapp 20 Prozent der CO2-Emmissionen. Der Anteil der Abflüge in diesem Bereich liegt bei 18 Prozent, der Anteil an geflogenen Flugkilometer rund 25 %. Der Einsatz von nachhaltigen SAF-Flugtreibstoffen wird einen Beitrag zur CO2-Reduktion beitragen, doch ohne den Einsatz neuer Technologien ist ein Netto-Null-Ziel 2050 illusorisch. Die heutigen Mittelstreckenflugzeuge fliegen mit einer Grundkonstruktion die beim Airbus A320 rund vierzig respektive bei der Boeing B737 sechzig Jahre beträgt.

Die Aerodynamik, Werkstoffe und Triebwerk-Technologien sind die Treiber der fortschreitenden Effizienz und somit auch der CO2-Reduktionen. Der Einsatz der jüngsten Airbus-Modelle A321LR und XLR, das Projekt Blended Wing Body (BWB) von JetZero und die Forschung der NASA und von Airbus mit der Dünnflügelkonstruktion zeigen die heutigen Fortschritte und zukünftigen Potenziale auf.

Fortschritte in der Gegenwart

Die Airbus A321LR (Langstrecke) ersetzt bei Icelandair die bewährten Boeing B757. Anhand dieser zwei Flugzeugmodelle lässt sich die verbesserte Umweltbilanz aufzeigen. Der Erstflug des Airbus A321LR, der eine verlängerte Reichweite des A321neo darstellt, fand am 31. Januar 2018 statt. Die Boeing B757 hob erstmals 1982 ab, ein Technologiesprung von 36 Jahren wird sichtbar.

Bei fast gleichen Passagiersitzzahlen, Reichweiten und Geschwindigkeiten verbesserte sich das Abfluggewicht auf die 36 Jahre betrachtet um durchschnittlich knapp 0,5 Prozent pro Jahr. Markant ist die Veränderung der notwendigen Flügelfläche für vergleichbare Streckenleistungen um knapp minus 1 Prozent pro Jahr. In der Folge weist die Airbus A321LR eine CO2-Einsparung von bis zu -19 % pro Sitz und km im Vergleich zu einer Boeing 757-200 auf einem ähnlichen Sektor auf (Reduktion von 0,53 % pro Jahr).

Vergleich A321LR und B757, letztere in Klammern:

Die neuste Langstreckenversion der Airbus 321, die 321XLR weisst nochmals erhebliche Verbesserungen auf. Bei zusätzlichen 4 Tonnen Abfluggewicht (+ 4,1 %) wird die Reichweite auf 8700 Kilometer (plus 15 %) gesteigert. Diese Reichweitensteigerung wurde durch den Einbau eines Hecktreibstofftanks mit 12.900 Liter und aerodynamischen sowie gewichtsmässigen Verbesserungen erreicht.

Eine Reihe von Verbesserungsmassnahmen ermöglichten es Airbus, aus dem Erfolgsmodell A 321 (Inbetriebnahme 1994) die neuste Version A321XLR als Schmalrumpfflugzeug für die Langstrecke zu entwickeln. Über 550 XLR-Maschinen sind bereits bestellt, die ersten Einheiten gingen Ende 2024 in den Streckeneinsatz. Graphik: Samyuktha Soundararaj

CO2-Reduktionspotenzial

Neue Flügelkonstruktionen eröffnen weiteres Potenzial

Je kürzer der Flügel, desto weniger Auftrieb, je tiefer der Flügel umso mehr Luftwiderstand wird erzeugt. Diese physikalischen Grundsätze können nur durch einen schlanken und langen Flügel verbessert werden. Flugzeuge mit langen, dünnen, von aerodynamischen Streben gestützten Flügeln könnten Fluggesellschaften künftig helfen, Treibstoffkosten zu sparen.

Vorbilder, wie so oft in der Luftfahrt, findet man in der Vogelwelt. Die Albatrosse sind eine Gruppe von grossen Seevögeln mit sehr langen und schmalen Flügeln. Anderseits gehören Albatrosse mit einem Gewicht von bis zu 12 Kilogramm zu den schwersten flugfähigen Vögeln. „Tragflächen spielen eine wirklich wichtige Rolle auf unserem Weg zur Dekarbonisierung, da sie für aerodynamische Effizienz sorgen“, sagt Sue Partridge, Leiterin des Airbus-Programms „Wing of Tomorrow“.

Nach über vierzig Jahre im Einsatz, wird es an der Zeit einen Nachfolger des erfolgreichen Mittelstreckenflugzeug Airbus A320/321 zu entwickeln. Airbus setzt hierzu auf die Technologie der schlanken Flügel. Damit das Schmalrumpfflugzeug bei allen gängigen Gategrössen auf den Flughäfen andocken kann, müssen die überlangen Flügel «gekappt» werden. Deshalb werden Flügel mit klappbaren Flügelspitzen entwickelt, die nach der Landung hochgeklappt werden.

Zur Entwicklung von neuen Flügelabdeckungen arbeitet Airbus mit dem National Composites Centre zusammen, um Abdeckungen aus Verbundwerkstoffen mit einer Breite von fünf Metern und einer Länge von bis zu 20 Metern in einem einzigen Arbeitsgang zu fertigen. Dies reduziert die benötigten Einzelkomponenten von rund 100.000 (unter anderem Nieten) auf nur 150. Gleichzeitig lässt sich die Produktionsrate erheblich steigern.

Die X-66 basierte auf einer stark modifizierten MD-90 und sollte eine Fachwerkversion des dünnen Flügels in Originalgrösse demonstrieren. Das Versuchsflugzeug bildete den Kern der NASA-Initiative, im Rahmen des Projekts „Sustainable Flight Demonstrator“ bis 2050 Netto-Null-Emissionen im Luftverkehr zu erreichen. Bild: NASA

Auch Boeing treibt zusammen mit der NASA die Dünnflügeltechnologie voran. Das hierfür vorgesehene Projekt X-66 mit einem MD-90 Rumpf wurde kürzlich eingestellt, da Boeing die Prioritäten neu ausrichtete. Die seit Jahren verzögerten 777X und der B737 MAX-10 müssen dringend ausgeliefert werden.

Boeing wird jedoch die Pläne zur Perfektionierung der Dünnflügeltechnologie weiter vorantreiben. Auch werden die NASA und Boeing weiterhin bei der Forschung am Konzept der transsonischen Flügel zusammenarbeiten. Aufgrund der geringen Dicke der transsonischen Fachwerkflügelkonstruktion neigen diese bei Kälte zur vermehrten Eisbildung.

Eine Nurflügelkonstruktion für das neue Mittelstrecken-Flugzeug?

Wie Flight Global meldete, arbeitet das kalifornische Start-up Unternehmen JetZero weiterhin daran, den Erstflug eines vollwertigen Blended-Wing-Body-Demonstrationsflugzeugs (BWB) bis 2027 zu realisieren. Dies nachdem JetZero 2024 den Meilenstein der FAA-Designzulassung für Testflüge bestanden hat.

Die Finanzierung erfolgte bisher durch die US Air Force (USAF), die NASA und die Federal Aviation Administration sowie durch Investoren wie Alaska Airlines, die die im 2023 abgeschlossene Serie-A-Finanzierungsrunde des Unternehmens unterstützten. United Airlines (siehe Titelbild) plant 200 Einheiten des Nurflüglers zu beschaffen. Delta Airlines stellt über sein Sustainable Skies Lab operatives Know-how zur Verfügung, um die innovative Flugzeugtechnologie zur kommerziellen Rentabilität auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu gewährleisten. «Delta wird dazu beitragen, ein Innenraumerlebnis der Zukunft zu gestalten. Die einzigartig geformte Flugzeugzelle, die sich von der heutigen Rohr- und Flügelform unterscheidet, bietet unendliche Möglichkeiten. Die Kunden können sich auf Änderungen in der Kabine freuen, die ihr Erlebnis verbessern, einschließlich eines speziellen Platzes für jedes Gepäckfach über den Sitzen, barrierefreie Sitze und Toiletten und weniger Reihen», soweit die Sicht von Delta Airlines.

Da sich ein Grossteil der Sitze innerhalb der geschlossenen Rumpfstruktur eines Nurflügel-Flugzeuges befinden sind neue Flugerlebnisansätze für die Passagiere gefragt. Die heutigen, fast geschlossenen Businessklass-Einzelsitze dienen dazu vielleicht als Wegbereiter.  Bild: JetZero

Noch sind einige Aspekte des neuen Rumpfes zu klären:

  • Die Nurflügel-Konstruktion führt dazu, dass Biegungs-, Torsion- und Scherungskräfte im Gegensatz zur heutigen Rumpfröhre grossflächig verteilt auftreten.
  • Der Passagierraum bietet neue innovative Raumgestaltungs-Möglichkeiten, ergibt für den Frachttransport aber auch neue Schwierigkeiten.
  • Die spezielle Zellenstruktur bedeutet Neuland für die Kabinendruck-Situation.
  • Die Evakuierung von Passagieren in einem Notfall stellt eine besondere Herausforderung. Die innen liegenden Sitzreihen sind sehr weit von den Außenwänden des Rumpfes weg.
  • Wie weit sich die bisherigen Triebwerk-Aufhängungen am Rumpf (VC-10, B727, DC-9 etc.) auf die Blended Wing – Struktur übertragen lassen, ist noch Gegenstand von Abklärungen.

Die Vorteile von Nurflügel- respektive BWB-Konzepte sind seit Anbeginn der Luftfahrt bekannt, und so ziemlich jede Dekade brachte neue Konzepte hervor. Anfang der 1920er Jahre wurde erstmals mit der Westland Dreadnought in Großbritannien ein Passagierflugzeug nach diesem Konzept gebaut und geflogen. Dennoch, durchgesetzt hat sich das Konzept eigentlich wenig abgesehen von einigen militärischen Applikationen (YB-49, B-2 USAF).

Das BWB-Projekt von JetZero hat die Abmessungen einer Airbus A330-200 und ist nur halb so schwer. Dank dem grossen Auftrieb-Effekts bewegen sich das Effizienzpotenzial und somit die Treibstoff-Reduktionen im Rahmen von vierzig bis fünfzig Prozent gegenüber heutigen Mittelstrecken-Flugzeugkonstruktionen. Es sind noch erhebliche technische Innovationen zu meistern, es stehen regulatorische und operationelle Herausforderungen an und last-but-not least wird dies Finanzmittel in der Höhe von einigen Milliarden Dollars bis zum ersten kommerziellen Einsatz erfordern. Dieser ist, reichlich ambitiös, von JetZero für 2030 geplant.

Das BWB-Design Kona von Natilus kann als Frachtflugzeug eine Nutzlast von 3,8 Tonnen transportieren und verfügt über eine Reichweite von 1600 Kilometer und soll von zwei Hydrogen-Electric Triebwerken oder Pratt & Whitney’s Geared Turbofan angetrieben werden. Bild: Natilus

Ein ähnliches BWB-Konzept hat das kalifornische Start-up Natilus für 200 Passagiere und knapp 6500 km Reichweite sowie einen Regional-Frachter angekündigt. Gemäss Webseite sind über 440 Fracht-Flugzeuge vorbestellt, unter anderem von einer Drohnenfirma in Grossbritannien, einer Luftfrachtfirma in Kenia, einem Start-up Unternehmen in Eswatini (ehemals Swasiland), einer kanadischen Sicherheits- und Technologiefirma und einer in Shanghai registrierten globalen Logistikfirma. Kuehne+Nagel gab Ende Mai 2025 in einer Pressemitteilung eine Strategische Partnerschaft zur Prüfung der operativen Machbarkeit eines BWB-Frachters mit Natilus bekannt … Airbus hat sein Blended Wing Body ZEROe-Konzept für 200 Passagiere aus dem Jahre 2021 bis auf weiteres zurückgestellt.

Fortsetzung der Beitragsreihe Nachhaltigkeit im Luftverkehr

Die CO2-Reduktionen durch SAF im Langstreckenverkehr werden in einem dritten Beitrag am 26. Juni behandelt.

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